Ich habe es vor einiger Zeit auf einer Website eines ….. Augenblick, ich suche nach dem richtigen Ausdruck….. „Erotikfotografen“ gefunden. „Meine langjährige Erfahrung mit Menschen vor der Kamera macht mich zum idealen Fotografen.“
Dazu noch eine Datenschutzerklärung mit fünf Seiten Länge („leicht lesbar, verständlich“) und Angebote für Shoots aber keine Mitgliedschaft in der HWK. OK. Das ist ja normal, dass Nebenerwerbsfotografen sich nicht auskennen – und richtig beleidigt reagieren, wenn man sie drauf aufmerksam macht, dass das, was sie da treiben, nicht so gaaaanz korrekt ist. Reg ich mich nicht auf. Soll jemand anders die Abmahnung schicken.
Aber das Thema ist, dass man ein idealer Fotograf wird, wenn man langjährige Erfahrung mit Menschen vor der Kamera hat. Die Argumentationskette hat was. Ausbildung, Lehre, Meisterschule, Studium. Alles überflüssig. Erfahrung mit Menschen ist es, und schon ist man idealer Fotograf.
Ja. Erfahrung muss man haben. Aber ich hatte kürzlich ein Model da, die seit locker 16 Jahren modelt. Die hatte unter anderem mit diesem „idealen Fotografen“ gearbeitet. Leider haben all diese „idealen Fotografen“ der guten Frau in den letzten 16 Jahren zwar mitgeteilt, sie möge sich ausziehen, aber nicht, was ein Hauptlicht ist, und dass man sich doch bitte bei seinem Posing nach diesem zu richten hat.
Nun ist das jetzt nicht Raketenwissenschaft. Das sind Basics, die da Hauke Fischer den Models ins Stammbuch schreibt. Ganz simple Dinge. Kann man sich in einer Woche draufschaffen, so dass man das beherrscht. Als idealer Fotograf kann man das alles. Da weiß man, was Licht macht, was Perspektive macht. Und wie man einem Model schonend beibringt, dass zum Model sein mehr gehört als die Abwesenheit von Textilien.
„Ideal“ ist „der Inbegriff für ein Vollkommenheitsmuster“.
Bäng. Drunter geht’s nicht. Nicht nur der Beste, der Allerbeste oder so. Nein. Der allerbeste überhaupt nur denkbare Fotograf. Sozusagen der Größte denkbare Fotograf aller Zeiten. Abgekürzt „GrödFaZ“.
OK, das ging jetzt unter die Gürtellinie. Seh ich ein. Aber wenn jemand ein solches Selbstbewusstsein hat, dann dürfte ihn das nicht stören.
Ich kann was. Ich kann meine Kamera halbwegs, ich habe grob eine Vorstellung von Licht und was Licht bei Menschen anrichten kann. Und ich komme mit den meisten Models klar. Aber es gibt richtig gute Fotografen und Fotografinnen, deren Leistungen ich bewundere. Bei denen ich nicht mal nen groben Plan habe, wie die ihre Fotos hinbekommen haben. Bei Leibowitz zahlen die Assis dafür, dass sie dort arbeiten dürfen. Ich habe mir früher gedacht „Mann, müssen die beknackt sein“. Nein. Die sind dort, weil sie in dem Jahr als Assi dort mehr lernen als in zwanzig Jahren „Erfahrung mit Menschen“. Prima Investment. Würde ich gerne tätigen, kann ich mir aber nicht leisten.
„Idealer Fotograf“. Ich merk ja, dass es im Netz bei manchen Fotografen üblich ist, zu trommeln und sich als Krönung der Schöpfung darzustellen. Und offensichtlich haben sie ja damit Erfolg. Sie fotografieren nach, was andere vorgemacht haben, hecheln den letzten Styles hinterher und hypen sich gegenseitig. Dragan, der den Dragan-Style erfunden hat, macht mittlerweile abgedrehte, verstörende Videos, seinen Style gibt’s längst als Photoshop-Aktion und es gibt Fotografen-Applaudierer, die immer noch nicht den Unterschied zwischen „persönlichem Stil“ und „anderer Leute Stil“ verstanden haben.
Bei einem richtig teuren Kurs eines sowas von angesagten Fotografen und Sony-Promotors hat der sein Geheimnis ausgeplaudert: Er geht zu Pinterest und kuckt sich an, was ihm gefällt. Das fotografiert er dann nach. Cooler Trick. Und ganz offensichtlich erfolgreich.
Man kann es aber auch auf die harte Tour machen: Sich selber was einfallen lassen. Scheitern. Nochmal probieren. Geld versenken. Kritik für langweilige Bilder einstecken. Bilder machen, die nicht Mainstream, sondern sperrig sind. Die manchmal auch einfach schlecht sind, weil das, was man sich gedacht hat, nicht geht. Anatomisch oder physikalisch. Und irgendwann werden dann die eigenen Bilder von den „Piraten“ nachgeknipst und ein Heidengeld verlangt um Leuten beizubringen, wie man diesen „Style“ machen kann.
Klar, das kann man so machen. Mann kann aber auch, wie Dragan, derweil weitergehen, solange die Nachmacher und die KI noch versuchen, den Style zu vermarkten. Und den Kopisten immer einen Schritt voraus sein. Avantgarde bleiben, denn Avantgarde kann man nicht einholen.
PS. Für alle, die nun nach der Phrase oben googeln und sie nicht finden: Sie wurde zum Schutz des Fotografen sinnerhaltend geändert.