Name-Dropping

Der amerikanische Fotohändler B&H hat sich mit OMDS zusammengetan und die beiden produzieren /produzierten eine Serie zur Vogelfotografie. Das ist der übliche Influencer-Kram, wo eine hübsche Fotografin (in letzter Zeit sind es fast alles Fotografinnen – ohne Sternchen – die da präsentiert werden. Warum nur?) erzählt, wie toll das alles ist, und dass man das natürlich mit dem OM-System-Zeug am allerbesten hinkriegt.

Das ist alles so weit nix Neues. Was mir bei dieser Serie aber richtig übel aufgestoßen ist, ist das Namedropping. Sie fangen an mit einem Monet-Zitat. „I would like to paint the way a bird sings.“

Was machen sie draus? Sie wollen die Art fotografieren, in der ein Vogel singt. Dazu brauchen Sie natürlich scharfe Linsen und so. Und es stellen sich vier Mann/Frau nebeneinander auf und zielen mit langen Tüten auf Reiher. OK, Reiher sind jetzt nicht wirklich als Singvögel bekannt, die klingen eher wie ein Frosch mit Frosch im Hals, aber das war’s jetzt noch nicht, was mich genervt hat.

Monet war Franzose – Überraschung – und hat demzufolge auch keine englische Kalendersprüche abgesondert, sondern französische Weisheiten. Und die lautete: „Je voudrais peindre la façon dont un oiseau chante. C’est à force d’observation et de réflexion que l’on trouve une voie. Il faut donc creuser et fouiller sans cesse.“

Das könnte man übersetzen mit. „Ich möchte malen, wie ein Vogel singt. Nur durch Beobachtung und Nachdenken findet man einen Weg. Man muss also immer wieder graben und stöbern.“

Das hat mit Vogelfotografie genau was zu tun? Exakt. Gar nichts. Monet will keine Vögel beim Singen malen, sondern malen wie ein Vogel singt. Von innen heraus. Singen ist für einen Vogel ein Mittel zum Zweck, ein Kommunikationsmittel, das selbstverständlich benutzt wird. Malen wie ein Vogel singt, bedeutet, sich vom technischen Vorgang unabhängig zu machen und den Farbauftrag als Sprache zu begreifen, die nicht darstellt, sondern eine Botschaft transportiert.

Fotografieren wie ein Vogel singt, bedeutet nicht, einen singenden Vogel möglichst scharf abzuknipsen, sondern Fotografie als Sprache zu verstehen und mit Fotografie Botschaften zu vermitteln, ohne über technische Brillanz oder Mängel vom Inhalt der Botschaft abzulenken.

Später in dem kurzen Filmchen wurde auch noch Ansel Adams bemüht, „Twelve significant photographs in any one year is a good crop“. Den Spruch gibt es auf tausenden Photographenmotivationsbilderchen, aber ich habe trotz gründlicher Suche keinen Beleg dafür gefunden, dass – und bei welcher Gelegenheit – Adams den Spruch losgelassen hat. Vielleicht kann mir ja jemand aus der Community weiterhelfen. Da Adams 1984 gestorben ist, sollte es ja irgendeine gedruckte Veröffentlichung geben, in der das vor1984 verewigt wurde…..

Ich bin ausgesprochen skeptisch, wenn irgendwelche Marketing-Heinze sich an berühmte Namen hängen um irgendeine halbseidene Story an den Mann und die Frau zu bringen. Jeder Möchtegern-Streeter hat auf seiner Website prominent ein Zitat von Cartier-Bresson, jeder Aktknipser hat Newton und Adams ist besonders bei Landschaftsfotografen beliebt.

Ich seh’s ja ein, nicht jeder hat eigene Bonmots auf Lager – aber könnte man nicht einfach sagen oder zeigen, was man auf der Pfanne hat, ohne irgendwelche Typen mit langen Bärten vorzuschieben, nur weil die sich nicht mehr wehren können?

Die Bilder? Oben der Seerosenteich von Giverny, Mai 1994, mit einem Pinselfilter drauf, konnte ich mir nicht verkneifen. Und unten die Mascaschlucht, Teneriffa, September 2012.

14 Replies to “Name-Dropping”

  1. „[…] Fotografie als Sprache zu verstehen […]“ Bäm !. Visuelle Kommunikationsfähigkeit.
    Kannste als Hersteller blöderweise keine Mücken mit scheffeln. Denn wenn die Kamerabesitzer dahintersteigen würden, dass breitgelatschter Bokehquark immer noch Quark ist und dieser ach so wichtige Dynamikumfang nach Bearbeitungsorgie wie Grossbuchstaben im Netz, Stimmengewirr am Stammtisch, donnernde Faust auf den Tisch … die würden ja erst wieder was Neues kaufen, wenn die alte Handaugeverlängerung auseinanderbröselt.
    Ich nehm mal mein Montblanc Meisterstück in die Hand, Pulitzermedaillensammlung will erweitert werden. Geht nur mit dem Ding. Satzbau, Grammatik und virtuose Spielereien mit Worten. Werden aus dem Ding schon rauskommen. Steht ja ‚Meisterstück‘ drauf. Aber … so kuck … huch! Die haben gar keine schlauen Sprüche in ihrer Werbung. Sollte etwa ….

  2. Dieser Influencer-Kram ist ja nicht für Dich, sondern ist für die jungen (pardon!), neuen Enthusiasten im Anfangs-/Entdeckerstadium, die noch gerne träumen, Träume suchen und Poesie einsaugen (wie Humming Birds den Nektar). Gruß, Hermann

    1. Ahhhh – dann ist das was anderes. Es geht hier also um junge Erwachsene, so knapp über 20, die mit Equipment im Wert von 10.000 Euro plus X losziehen um Vögel zu knipsen. Ja klar, das ist ein riesiger Markt.

      1. Nene, es geht schon um uns alte Saecke, genauer um unsere Penunse. Aber, trotz LGBT+xyz-, Aneignungs- und Genderdebatte gilt immer noch Abraham Lincolns alter Spruch: „Sex sells!.“
        Und ganz klammheimlich gucken wir alle (*die meisten zumindet) lieber jungen Frauen beim hantieren langer Rohre zu als dass wir uns durch Merkblaetter voller technischer Daten wuehlen oder versuchen etwas eigene Kreativitaet aus der grauen Masse zwischen unseren Ohren zu quetschen. Dafuer nehmen wir auch gern inplausible Geschichten und falsche Zitate in Kauf.
        Mir geht dieses gear focused Verkaufsgedoedel maechtig auf die Socken. Deswegen sind von den ehemals Dutzenden von abonnierten youtube Kanaelen nur noch sehr wenige in meiner Liste ueberig geblieben. Einer dieser wenigen wird betrieben von Jamie Windsor. Die Suchmaschine ist Dein Freund (Winston Churchill).

      2. Die Vogeljagd mit der Kamera befriedigt einen uralten Instinkt der jungen Männchen auf eine Art und Weise, die mit dem Empfinden der jungen Weibchen kompatibel ist. Letzter mögen nämlich meistens keine erschossenen Häschen.
        Ein niedlicher Turmfalke im blühenden Obstbaum wird gerne gesehen, ebenso die Möve auf Insektenjagd.
        Woher ich das weiß? Rate mal, wer sich gerne mein 4,0/300 ausleiht und es gerne sähe, wenn ich endlich die „weiße Göttin“ bestellen würde. 😉

      3. Sei froh, dass da nicht der Ausdruck authentisch vorkam. 😉

        Sollte es dochvorkommen, so bitte ich um Verzeihung, ich schaue solche Videos nicht.

    2. Um so schlimmer, Hermann…
      Wenn die dann entdecken, dass, wie Hauke direkt über dir schrieb, das Werkzeug leider nicht die Arbeit macht, nur weil „Meisterstück“ draufsteht, ist die Enttäuschung um so größer.

      Bemühen wir mal wieder so einen Sinnspruch, der dem von Reinhard schon angesprochenen Newton zugeschrieben wird:
      Küchenchef in einem Restaurant: „Ihre Fotos gefallen mir – Sie haben bestimmt eine gute Kamera.“ Helmut Newton (nach dem Essen): „Das Essen war vorzüglich – Sie haben bestimmt gute Töpfe.“

  3. Auch wenn’s pedantisch wirkt: Der berühmte Fotograf hieß *Ansel* Adams (ohne “m”). Demnach nur ein 5/6-Namensvetter von mir …

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