The Länd – Wir können alles – außer Englisch.

Vor knapp zwei Wochen hat das Land Baden-Württemberg ne Kampagne auf YouTube „gelauncht“. Um englische Fachkräfte anzuziehen. Scheint’s fehlt denen dort der eine oder andere schlaue Kopf – oder die vorhandenen schlauen Köpfe wollen anständig bezahlt werden. Wie auch immer. Sie haben an einem Tag sechs Filme rausgehauen. Einen Trailer und fünf Episoden einer Art Soap. Der Trailer 1:00, die Episoden jeweils um die neun Minuten.

Vor neun Monaten hatten sie schon fünf Filme hochgeladen. Interviews mit Landesgroßvater Kretschmann und Wirtschaftsministerin Hoffmann-Kraut. Wegen des Proporzes. Kretschmann wollten noch 545 Leute sehen, die CDU-Ministerin 228. Das war etwas unbefriedigend. Ein Kurztrailer fand in Deutsch noch 9424 Zuschauer, in Englisch 1490. Dann war erstmal Schicht im „Ländle“.

Vor zwei Wochen dann den Trailer – und den haben sie dann über bezahlte Influencer promotet. Weltweit.

Bäääääääämmmmmm.

Innerhalb von 11 Tagen 10.151.116 Aufrufe.

Fett.

Und gleich die Soap drangehängt. Ein Megaerfolg:

Episode 1: 499.857 Aufrufe

Episode 2: 23.519 Aufrufe

Episode 3: 11.131 Aufrufe

Episode 4: 8001 Aufrufe

Episode 5: 7872 Aufrufe

Ehrlich. Wer Episode 1 gesehen hat, weiß, warum Episode 2 nur noch 1/20 der Aufrufe hatte. Und es wird nicht besser. Rein filmisch: Wackelkamera, C-AF mit reihenweise Fokusaussetzern. Total Hip und modern. Englisch mit gruseligem Akzent. Das ist für ein paar Minuten witzig – aber irgendwann eben nicht mehr.

Verbockt ist der Auftritt von „Jung von Matt“ worden, die folgerichtig den Auftrag an „Thjnk“ verloren haben . (Das ist kein Tippfehler, das ist Hip)

Glücklicherweise kuckt kaum jemand Episode 5 – die letzten Minuten sind dann wirklich peinlich.

Warum ich diesen Fail thematisiere? Weil er zeigt, dass auch die ganz oben, mit irrsinnigem Aufwand, darauf angewiesen sind, dass irgendwer ne anständige Idee hat. Sonst geht das alles in die Hose. Da kann man so viele ArtDirectoren und junge, hippe Kameraleute dransetzen wie man will – dat wird nix.

Was das an Steuergeldern kostet, wird vorsichtshalber nicht kommuniziert. Es könnte sein, dass ein paar unterbezahlte Kindergärtnerinnen im „Läääänd“ da einen Herzanfall kriegen.

Ja, klar, es gibt auch unter dem letzten Video noch Leute, die das Machwerk in den Himmel loben. Die Zugriffszahlen sprechen aber für sich. Werden sich da ernsthaft Robotertechniker in Indien angesprochen fühlen?

Ich halte das für ein typisches Produkt einer Marketingagentur, die noch das Budget raushauen muss und sich vom Kunden einen Knaller finanzieren lässt, mit dem sie dann Eigenwerbung betreibt. Alle Episoden auf einen Schlag raushauen? Keinen Cliffhanger? Und natürlich keine Möglichkeit, die Story fortzuschreiben? So legt man der Nachfolgeagentur ein faules Ei ins Nest. Und die Auftraggeber haben noch weniger Ahnung und nicken das ab – das Budget hatten sie eh schon freigegeben und das kommt ja doof, wenn der Rechnungshof fragt, wo der Schubkarren mit Geld geblieben ist. So kann man wenigstens auf die Kampagne verweisen.

Ach ja, wer selber kucken will: Hier der Link zum YouTube-Kanal von „The Länd“. Vielleicht findet ihr das ja affengeil und wollt euch sofort in BW bewerben.

Dann viel Spaß bei der Wohnungsssuche.

Die Bilder sind übrigens aus dem Casino Baden-Baden. Fand ich passend….

PS: Nichts gegen BW. Da leben einen Haufen Leute, die ich sehr mag.

10 Replies to “The Länd – Wir können alles – außer Englisch.”

  1. für Peinlichkeiten Geld ausgeben. Das geht nur wenn es nicht die eigene Kohle ist.
    Ok, jetzt hat der Trailer einen Klick mehr und ich unterdrücke meine verfügbaren Dialekte hier im Kommentar.

  2. Hmm.Episode 5, die letzte Minute hat jetzt einen Klick mehr. BaWü war schon immer eines der schlechtest regierten Bundesländer, soweit meine Beobachtung reicht.

  3. Als Raigschmeggte hier im Ländle kann ich über diese Aktion folgendes sagen: Bei der Präsentation letztes Jahr haben alle im meinem näheren bekannten Kreis nur mit den Kopf geschüttelt. Vor allem wegen den Kosten, mit folgenden Begriffen (the länd kosten SWR) kann man sich eine Idee machen, was dieses Vorhaben NUR in 2021 wo es präsentiert worden ist gekostet hat.
    Oben drauf, die Internetseite wird mit ae geschrieben, was aus „Tastatur-technischen-Gründen-im-Ausland“ richtig sein kann, aber aus meiner Sicht nicht bis zum Ende gedacht worden ist.
    Mein Vorschlag für die nächste Kampagne: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch & Marketing“

    1. 2023 7 Mio, 2024 3Mio. gesamt 21 MIo. Also hat die Agentur 11 Mio Umsatz gemacht. Respekt. Die Chuzpe muss man erst mal haben.
      Der Artikel des SWR ist übrigens im Wording interessant: Er endet mit „“THE LÄND“ löste die selbstironische Vorgängerkampagne unter dem Motto „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ ab, die 1999 vom damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU) aus der Taufe gehoben wurde. Diese war, allen Unkenrufen zum Trotz, erfolgreich und erreichte einen hohen Bekanntheitswert.“
      Genau das ist das Pfund, mit dem Marketingagenturen wuchern: „Bekanntheitsgrad“. Der Bekanntheitsgrad eines „Claims“ (Motto) hat aber nichts damit zu tun, dass die Kampagne Geld bringt. Oder Fachkräfte. Wer wissen will, wie wirklich gute Werbung für’s Ländle geht, höre mal ein paar Tage Schwarzwaldradio. Was kostet das den Steuerzahler? Nix. Das ist ne private Firma.

  4. Ich bin aus der Branche, bastele selber gerade einen Imagefilm für einen Kunden, aber das ist ja unerträglich. Episode 1 nach 3 min ausgeschaltet. Den Rest will ich gar nicht mehr sehen. Schade ums viele (Steuer)Geld. Dabei bin ich sehr offen für neue Ideen abseits des Zeigens von Werkshallen und Produktionsanlagen, begleitet von den üblichen Sprüchen über Innovation und Tradition.

    Bei solchen Aktionen, einem 400.000 Euro Fotografen für Habeck ect. sind Steuererhöhungen, Vermögensabgabe & Co. einfach schwer zu vermitteln.

    1. „400.000 Euro Fotografen für Habeck“ … dazu einfach mal forschen nach dem Vergabeverfahren und den Anforderungen wie dem Vertragsentwurf, diese ‚verstehen‘ und dann relativiert sich überwiegend unreflektiertes ‚mediales‘ Aufbauschen ganz schnell. Dauert inklusive Lesen vielleicht 10 Minuten.

      „The Länd“ ist ein weiteres klassisches Beispiel für Sachen, bei denen es zu viele Entscheidungsträger gibt und an den Schaltstellen welche, denen die Materie fremd zu sein scheint. Ergebnis: Keiner hat mehr Bock und das schallert coram publico dann halt rechts und links an den Lauschern. JvM und thjnk sind länger mit sauberen Arbeiten unterwegs, da hatte meiner Erfahrung nach irgendwer irgendwann ‚keine Chance‘ mehr und sein ‚boah, ist das alles peinlich‘ sachte in sich reinfluchend und nach aussen lächelnd umgesetzt.

  5. Ich bin im Schwäbischen aufgewachsen und kenne diese seltsame Mischung aus Können, Selbstüberschätzung, Minderwertigkeitskomplexen, Naturanbetung, Pietismus und braunem Bodensatz. „The Länd“ wurde von einigen im Ländle (so der geläufige Kosename seit Jahrzehnten) als „Dem haben sie ins Gehirn gesch….“ kommentiert. Gemeint war wohl auch der Minischterpräsident, der solchen Schwachsinn mit abgesegnet und mit Steuermitteln bezahlt hat. Die Videos muss man sich nicht antun und diese in der Tat eine der schlechtesten Landesregierungen wird nur durch den Fleiß und den Ehrgeiz der mehr oder weniger mittelständischen Unternehmer und Häuslebauer im Land kompensiert. Dass ein stockkonservativer Rentner mit hauchdünnem grünen Mäntelchen, der gut in die CSU passen würde, trotzdem wiedergewählt wurde, ist eines der vielen Mysterien in Baden-Württemberg. Ich möchte dort nicht mehr leben.

  6. Im schwäbischen aufgewachsen? Dito. Und: Ich lebe immer noch gerne in BW. Polemik bringt uns nicht weiter, auch wenn es nett zu lesen ist. BW ist in den mittleren und unteren Verwaltungsebenen so was von „schwarz“ – das sollte man wissen, bevor man sich politisch echauffiert. Man kann sicher auch an der Kretschmann-Regierung (die sich immer mit der CDU einigen muß) viel kritisieren, aber den Balanceakt, welcher realpolitischen Gegebenheiten folgt, muß man erstmal so hinkriegen. Mach mal ein paar Jahre Gemeinderat, dann weißt du, was ich meine. Wir haben da schon in den 80ern versucht, in Neubaugebieten z.B. Dachbegrünung und Zisternen u.a. zum Hochwasserschutz bei Sturzregen durchzusetzen. Pustekuchen. Und in den 70ern: Ein Ex-Nazi Richter war Ministerpräsident. Da hat sich schon was verändert. Ich kann verstehen, wenn du frustriert bist, und ich meine auch eine gewisse Bitterkeit bei dir herauszulesen. Und ja: wir sind sowas von im Arsch, und das gilt für die meisten Menschen auf diesem Planeten. Aber du siehst ja: Die meisten Menschen haben Angst vor Veränderung, deshalb „zwingen“ sie z.B. so untaugliche (ja, auch ich kann Polemik) Politkonstruktionen wie FDP plus zwei andere Parteien in eine Bundesregierung. Das perfide ist: Blockierte und verschleppte notwendige Veränderung befördert und verstärkt negative anderweitige Veränderung. Und da hilft auch dieser alte schwäbische Kalauer nicht wirklich: „Gell, mir zwoi sen scho bleed, abbor du halt meh wie ih“.

    1. Mein Punkt bei diesem Artikel war ein unseliges Marketingprojekt mit einem Auftraggeber, dessen Profilierungssucht der Sache noch den letzten Kick in den Abgrund gegeben hat. Kretschmann in drei Sekunden irgendwo im Bild – das wäre cool. Aber die Ansprache am Schluss ist nur noch peinlich.
      Ansonsten war ich auch in der Politik tätig und habe auf die harte Tour gelernt, dass diese von Unfähigkeit, Korruption, Egoismus, Profilneurosen und Machtgeilheit beherrscht wird. Das ist kein BW-spezifisches Problem. Ich habe die Politik als Politiker, als investigativer Journalist, als Ehrenamtlicher und als Unternehmer kennengelernt. Und jeden Respekt verloren. Diese Stories wären aber eher eine Nummer für einen Politikblog. Den haben wir hier aber nicht. Hier geht’s um Fotografie und Fotografen.

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