Gestern war ich aus Gründen einen halben Tag in Dortmund und wenn ich nicht gerade einen Auftrag habe, bin ich halt mit der PEN-F unterwegs. Das oben ist die Stadtbibliothek gegenüber des Bahnhofs zur blauen Stunde. Ich bin ja mittlerweile professionelles Landei und mein Stadtleben datiert aus dem letzten Jahrtausend. Insofern ist so eine Stadt für mich immer wieder ein Anlass zu staunen. Über Dinge. Jemand, der dort zuhause ist, wird da vermutlich nicht mehr hinkucken. Genauso wie kein Nürnberger, der noch alle Tassen im Schrank hat, mehr als einmal auf die Eröffnung des Christkindlesmarkt geht. Aber so als Argloser im Ausland kann man ja mal….
Kinoplakate. Niemand plakatiert am Land für Kinofilme. Und das hier ist nicht mal Kino sondern Netflix. Enola Holmes 2. Klar, wenn es am Land kein gutes Internet gibt, warum sollte man dann für Netflix plakatieren? Aber man sieht mal wieder: Auflösung wird überbewertet, wenn der Mitarbeiter der Außenwerbung mal kurz ein paar Zentimeter daneben pappt.
Noch mal ein bisschen blaue Stunde. Autos und das Dortmunder U. Ehemaliger Gär- und Lagerkeller. (Ein 70 Meter hoher Keller.) Jetzt Kulturzentrum und Museum. Großer Vorteil: freier Eintritt, freie Toiletten und freier Ausblick von der oberen Plattform. Kann man mal wieder den Diorama-Filter gewinnbringend einsetzen. Derzeit ist dort die Ausstellung „Neun Sonnen„.
Man hat hier Räume mit weißen Stoffbändern abgetrennt, in denen diverse abgespacete Medienkunstwerke installiert sind. Die meisten natürlich interaktiv, auch mit 3D-VR-Brillen. Man sollte sich Zeit mitnehmen und vielleicht auch den Flyer lesen.
Auch das ist ein Kunstwerk: Ein PC mit Endlosdrucker, auf dem man selbst Botschaften drucken kann. Wie man sieht, sind die bereits vorliegenden Botschaften durchaus kryptisch. Der Gag ist, die eigenen Botschaften, die man eingibt, werden zwar an den Drucker geschickt, der auch Papier vorschiebt, aber eben nicht druckt. Die Sprachlosigkeit im digitalen Raum…. Oder ist der Drucker schlicht kaputt? Wahrscheinlich hätte ich Beuys‘ Fettecke auch weggeputzt. Wenn man sich ein bisschen mit Computern auskennt, kann man in der Ausstellung allerhand Spaß haben, denn viel davon sind simple Browseranwendungen, die nicht allzu stabil sind.
Gemütliche Sessel wechseln sich mit atemberaubenden Ausblicken ab. Das geht natürlich nur mit HDR in der Kamera… Wenn man vom Bahnhof weiter nach Süden geht, kommt man in das Kreuzviertel, die „hippe“ Gegend, im Gegensatz zur Nordstadt mit der berüchtigten „Nordwache“ hinterm Bahnhof. Die Münsterstraße wird als „sozialer Brennpunkt“ vollflächig videoüberwacht. Die „Atomwaffenfreie Zone“ ist allerdings im Kreuzviertel.
Direkt am „U“ liegt auch das „Gast-Haus“. Das ist eine Einrichtung, in der Obdachlose Essen, Klamotten und Schlafsäcke bekommen können. Nur das mit dem Übernachten…. Wer sich über all die Bauzäune in Dortmund wundert: viele davon dienen nicht dazu, Kinder vor dem Sturz in Baugruben zu bewahren sondern um Obdachlose am Campieren unter Dachvorsprüngen zu hindern. Die werden mit soliden Eisenankern an Wänden befestigt. Die Zäune.
Dortmund ist an vielen Fassaden und Toren knallbunt:
Auf Giebelwänden sind riesige Kunstwerke aufgemalt, Garagentore mit Superhelden drauf, wie man sie in Bayern selbst in Vorstädten nur selten sieht, sind hier völlig normal. Ein Insider hat mir erklärt, dass das mitnichten etwas mit dem besonderen Kunstsinn der Dortmunder zu tun hat – sondern mit der allgegenwärtigen Graffiti-Seuche. Haus frisch streichen ist rausgeworfenes Geld – mit einem krassen Bild erreicht man mehr.
Zum Schluss noch mal das Dortmunder U – diesmal von Nah. Der Aufbau ist großflächig von allen Seiten mit LEDs bespannt, auf die alle möglichen Motive eingespielt werden. Hier haben wir das Video der Flamme eines Gasherdes. Ich bin immer noch am Rätseln, ob das ein Aufruf zum Energiesparen sein soll, Realsatire ist, oder ob da im Dortmunder U eine(r) nur einfach echt schrägen Humor hat.
Dortmund ist bunt. Abwechslungsreich auf wenigen Metern. Die PEN-F einpacken, das Rad auf Color stellen und loslegen. Klar, man kann auch Mono nehmen und einen auf morbid machen. Aber zeigt mal Street in Farbe. Dortmund kann das.
immer wieder faszinieren, was die Großstadt so an Alltags-Fotomotiven zu bieten hat, wenn man mit dem richtigen Auge hinschaut und mit der richtigen Kamera drauf drückt… Danke schön! Werde im Januar zur Messe “boot ’23“ fahren und dann auch mal durch Düsseldorf schlendern. Schöne Inspiration!
das hat dir erkennbar Spaß gemacht, Reinhard.
Und mir auch beim Anschauen.
Mach’s gut
Rainer
Schön auf dem ersten Bild die beiden Lime-Scooter im Doppelpack! Mit denen fahre ich immer in Berlin, ist schneller als U-Bahn und Bus – und am Ende auch nicht teurer. Macht zudem noch Spaß dazu! vielleicht sollten wir ja damit mal ein “Scoot-Oly“ veranstalten. Und hier in Düsseldorf scheinen sie ja auch mal sauber geparkt zu sein …
Unter der im letzten Bild dargestellten Gasflamme hat der Künstler (der Dortmunder Professor für Film-Design Adolf Winkelmann) den Schriftzug „Sparflamme“ gesetzt, was aus der Fotoperspektive aber nicht zu erkennen ist. Er wollte nach eigenen Aussage, so zittiert in einer Dortmunder Tageszeitung: „… die Betrachter darauf hinweisen, Energie zu sparen – und zugleich spare ich mit diesem Motiv selbst Energie“. Dazu muss man wissen, dass die „Fliegenden Bilder“, wie die Installation heißt, je nach Bild (und Farbe) unterschiedlich viel Strom verbrauchen und dass, wenn nur wenige LEDs in Betrieb sind, der Stromverbrauch drastisch sinkt. Darüber hinaus wurden weitere Maßnahmen ergriffen, um den normalerweise sehr hohen Energieverbrauch dieser Installation zu reduzieren…
Gruß aus Dortmund
Alfred
da staunt der Dortmunder.
Schöne Grüße, Jörg (Exilschwabe)