Nostalgie: Die E-1

Nachdem es derzeit ja keine neue Hardware zu besprechen gibt, graben die Oly-Influencer ja gerade alles aus, was OMDS so im Programm hat. Da kann ich natürlich nicht abseits stehen – also habe ich eine meiner mittlerweile drei E-1en aus dem Schrank genommen, einen vollen Akku in den Batteriegriff gestopft und mich erst mal mit dem winzigen Menü und den unglaublichen Mengen Tasten und Schaltern wieder vertraut gemacht.

Die E-1 hat drei AF-Felder. Einen Kreuzsensor in der Mitte und zwei Linearsensoren links und rechts. Die Linearsensoren sind nicht so ganz der Bringer, also Kreuzsensor und verschwenken. Natürlich gibt’s nur einen analogen Sucher und wenn man im Freien beurteilen will, ob das Bild, das man gerade gemacht hat, auch taugt, dann kann man nur hoffen, dass keine Sonne scheint, weil man auf dem winzigen, flauen Display eher keine Bildbeurteilung machen kann.

E-1 mit 35-100 und E-M1II mit 40-150

Die E-1 ist langsam. Wenn man ein Bild macht, darf man erst mal ne ganze Zeit der roten Lampe beim Flackern zukucken, bis auch nur eine Aufnahmeansicht angezeigt wird. Es gibt kein Super-Control-Panel. Dafür ein Schulterdisplay. Also kuckt man auf das Schulterdisplay ob die Knipse korrekt eingestellt ist, dann durch den Sucher in der Hoffnung, dass das Motiv noch da ist – und dann versucht man das Bild auf dem Display zu erkennen.

Verblüffend: man gewöhnt sich daran. Klar. Es gibt Bilder, da bräuchte man dann einen Winkelsucher. Aber der prähistorische Kodak-Sensor liefert immer noch ab. Die JPGs sind kontrastreicher abgestimmt, die Dynamik ist geringer, aber wenn man im RAW bei Base-ISO ausgräbt, was da ist, ist das gar nicht sooo viel weniger, als beim Sensor der X. Klar, schon bei ISO 800 sieht das anders aus, aber es wäre ja auch schlimm, wenn es nicht so wäre.

Bei so einem Foto wäre ein Winkelsucher praktisch, damit man nicht das Kinn in den Boden graben muss. Mit einer E-M1II macht man sich da nicht mal die Knie dreckig. (Jo, das ist aus der E-1)

Seinerzeit begründete der Kodaksensor die Legende vom Olympus-blauen Himmel. Das Wetter hat dann mal zum Test provoziert:

Objektiv: 50mm Makro. Gleiche Belichtung. Die E-1 macht das sattere Blau. Klar, real war der Himmel eher hellblau, ich habe unterbelichtet, damit das nach was aussieht – und ja, der Fokus ist unterschiedlich. Aber es geht ja um den Himmel.

Und die Dynamik?

Ich habe das Titelbild auch mit der X fotografiert. Gleiche Einstellungen, jeweils mit Base-Iso, deshalb die X mit f/5,6, die 1 mit f/4,0. Und dann die RAWs jeweils brutal aufgehellt:

Da sieht man dann doch, wo die E-M1X den Most holt. Da ist ein ganzes Ende mehr in den Schatten versteckt. Und ja, natürlich ist das Obere Bild aus der X.

Die Kamera ist ein unglaublicher Klopper. Selbst die E-M1X ist im Vergleich zierlich, weil sie halt gut zwei Zentimeter dünner ist.

Der AF ist, wenn man sich auf den Kreuzsensor beschränkt, schnell und exakt. Leider ist der Sucher nicht sonderlich hell – das Problem des kleinen Spiegels. Das war dann damals auch mit der Grund, dass es nie eine E-7 gab.

Im Vergleich zur E-M1X die einen ähnlichen Einführungspreis hatte, hat die E-1 ein paar Vorteile: Mehr Knöpfe und Schalter. Die sind zwar fest belegt, aber dafür beschriftet und in ausreichender Anzahl vorhanden, man muss sie nur alle finden.

Die E-1 ist ein Meinungsverstärker, mit dem man im Zweifel auch ne Dose Ravioli öffnen oder ein paar Nägel für die Bilder in die Wand hauen kann.

Die E-1 hat von allen Olys das „schönste“ Auslösegeräusch. Trotz Spiegelgeklapper ist das angenehmer als das metallische „Ratsch“ der X.

Die 5MP? Die finde ich gar nicht so schlimm. Die Bilder sind scharf, und man kann damit wunderbar Vergrößerungen machen. Dieter Bethke hat mal aus einem Bilder der E-1 eine Vergrößerung für eine Plakatwand gemacht. Kein Problem. Wenn man sich daran gewöhnt hat, dass die E-1 wirklich nur das Allernotwendigste zum Knipsen hat, dann ist das sehr entschleunigte Fotografieren auch sehr angenehm.

Was mich aber unglaublich nervt ist das ewige „Chimpen“; nach jedem Foto erstmal auf die Aufnahmeansicht warten und dann auf dem lausigen Display noch mal nachkucken, passt der Fokus, passen die Farben, passt das Licht. Ich bin mittlerweile so gewohnt, über das Display zu fotografieren und sowohl vor als auch nach dem Auslösen unmittelbare Kontrolle zu haben, dass ich meinen ganzen Workflow darauf umgestellt habe. Mit den AF-Feldern bis an den Rand ist das Verschwenken Vergangenheit und ich kann weit schneller und exakter fotografieren.

Würde ich zurückwollen? Nein. Ich habe es ein paarmal versucht, wieder „ein paar Filme durchzujagen“ und ich habe mich jedes mal geärgert, weil ich bei einem guten Motiv mit zweitklassigem Material gearbeitet habe. Bei der E-1 ist es genauso. Das Ding ist schwer und langsam.

Würde ich die E-1 hergeben? Nope. Vielleicht zum gelegentlichen Knipsen in Rocksdorf packe ich sie wieder aus, wenn ich nicht liefern muss. Wenn die Motive nicht davonlaufen. Wenn mir die Sonne auf die Glatze scheint und ich den Herrgott an gouden Mo sein lassen kann.

Einen Vergleich vielleicht noch:

Wieder mit dem 50er Makro, Fokuslage ist piepegal, alles Freihand (Mit der E-M1X natürlich bequemer, weil übers Display fotografiert.) Gleiche Kameraeinstellungen – aber die 1 (unten) hat die besseren, natürlicheren Farben.

Also. Welche ist besser? Natürlich die neue Generation. Aber die alte Dame schlägt sich wacker. Und wenn man sich an den Ziegelstein wieder gewöhnt hat – macht Laune.

16 Replies to “Nostalgie: Die E-1”

  1. Moin,
    als Liebhaber der alten Dame gibbet natürlich beide Daumen hoch für den Nostalgiebericht 🙂

    Ist halt unfair den Größenvergleich mit Batteriegriff zu machen, den Rest unterschreibe ich 1:1
    Warte ja immer noch auf das von dir „versprochene“ Nachfolgemodell mit Stabi und Klappschwenkdisplay, vielleicht findet sich ja in der neuen Firma ein Nostaligker.

    Muss ich direkt mal die Akkus laden……….und auch mal wieder den Farbrausch erfahren……

    Gruß Uwe

  2. Selbst wer keine E-1 besitzt, kann in diesem Artikel seinen Seelenfrieden finden. Zeigt er doch, dass auch die digitalen Gehäuse keine Wegwerfprodukte sind und man lange Spaß mit ihnen haben kann – ganz anders als einem das in diversen Medien immer ins Hirn gehämmert wird.

    1. Alle guten Dinge sind drei.
      Die dritte war inklusive dem Griff, 14-54mm, 5 Akkus 2 für den Griff, Schnelllader, für 150 Euro und die Belederung hält auch.
      Hoffe die Dauerhaltbarkeit lässt mich nicht im Stich.
      Grüße Wolfgang

  3. moin,
    der Artikel wärmt mir das Herz. Als Liebhaber des E-System kann ich Reinhard‘s Erfahrungen nur voll und ganz bestätigen. Die neuen E-M1er können zwar viel mehr, sind moderner, leichter und, und, und aber die „ollen“ Ziegelsteine (E1, E3, E5 etc.) machen immer noch tolle Fotos und Spass sowieso – von der Haptik ganz zu schweigen. Hab so manche Aufnahme einer E5 im direkten Vergleich, dem identischen Motiv aus der E-M1 I oder II vorgezogen…

  4. So, da muss ich jetzt aber auch meinen Mostert dazu geben.
    Nachdem ich jahrzentelang Technik gegen neuere/bessere/wasweisichwarum Technik getauscht habe (ja das würde allein eine Webseite füllen) hatte ich mich ca. 20007/2008 für eine Olympus E410 mit DZ-Kit entschieden und wirklich Freude daran. Der Gedanke war, dann mittelfristig aufzusteigen.
    Es folgten dann – Reihenfolge weiß ich nicht mehr – ein 2,8 – 3,5 14-52, ein 3,5 35mm Makro, eine E520 (Bildstabi „dochhabenwill“) und ein 4-5,6 9-18.
    Anfangs viel genutzt, dann im Schrank.
    Und kurz danach war FT tot. Mausetot. Habe mich schwarz geärgert.
    Seit Corona alles wieder ausgegraben und den alten Kram mit zwei E3-Gehäusen (gebraucht im Topzustand szu Spottpreisen) und einem 50-200 (ohne SWD) ergänzt.
    Und im Moment habe ich wieder Spaß an der Sache, zumal ich überzeugter „Sucherfotograf“ bin (Dislay in der Sonne geht gar nicht). Und da ist der größere Sucher der E3 schon ein Riesen-Unterschied zu 410/520.
    Neueres Zeug will ich vorerst nicht. Das was ich fotografieren will geht damit.
    Danke fürs Lesen und schönen Sonntag noch.

  5. Jaja, die Nostalgie…
    Einstieg bei Oly digital: meine Frau mit E1, ich mit 510 (von meiner Frau zum Geburtstag geschenkt).
    Erster Tag: samt 510 in Gebirgsee gefallen, ich überlebt, Kamera tot. Nächste Oly für mich: 520; Sensor ab Werk dezentriert, eingeschickt, dezentriert zurück. Nächste Oly: endlich M1 ; Urlaub am Meer; Fotorucksack kippt vom Stuhl, Mainbordschaden, Totalaustausch auf meine Kosten.
    Die E1? Geeeht noch immer; mit den besten Farben von allen (Kodaksensor!) und der besten Haptik ever.
    Jaja, die Nostalgie…

    1. Für mich war eine gebrauchte E1 der Einstieg zu Olympus FT.
      Ich verwende sie immer noch für sandige Reisen. Sie ist deutlich besser abgedichtet als E3 und E-M1und schlägt sich mit einem 14-54 mit schon leicht kratzenden Einstellringen wacker.
      Ansonsten bin ich aber auf MFT umgestiegen.

      1. Wie wahr, das Ding ist aus Granit. Bin später natürlich auch auf MFT umgestiegen, wobei eines meiner Lieblingsgläser immer noch das FT 11-22 ist, auch wenn es in einigen Tests nicht den letzten Pixel hergibt.
        Oly ist wie eine alte Ehe, deren Harmonie gar einige Höhen und Tiefen durchlebt hat, in letzter Zeit mit Scheidungsgerüchten. Was mich abgehalten hat, zum digitalen Anwalt zu gehen, waren die profunden Zukunftsanalysen von Reinhard in diesem Blog, vielleicht reicht`s für eine Silberhochzeit. Die Blumen hab ich schon mal vorbestellt (das weiße Rohr) in der Hoffnung, dass MFT nicht im eigenen Wortspiel untergeht (Mit Falschen Träumen).

  6. Wenn irgend wann einmal in fernster Zukunft Rocksdorf öffnen darf werde ich Reinhard mal bitten mir eine E1 für ein paar Bilder auszuleihen. Damit möchte ich mit meiner Traumlinse 14-54 II ein wenig fotografieren.
    Als die E1 auf den Markt kam war ich zu arm mir eine zu kaufen.
    Damals hatte mir ein Entwickler von Kodak eine kleine digitale Prototypen Kamera mit sagenhaften 0.6 MP geschenkt. Das Gehäuse war aus grauem Kunststoff gefräst und lief mit zwei normalen AA Batterien. Aber immerhin war das auch ein Kodak Sensor…

    LG Andreas

  7. E-1? Eine Frage, evtl. hat jemand (Reinhard?) einen Rat dazu: Meine CF-Karte (Kingston 16GB Elite Pro) funktioniert mit E-330 und E-620 problemlos, aber an der E-1 heißt es „Kartenfehler“ – auch nach formatieren IN der Kamera…

  8. Ein Problem mit dem Update auf 1.5 gäbe es noch, Reinhard. Magels Originalkabel habe ich ein anderes mit exakt dem gleichen Anschluß verwendet: IEEE1394. Windows kann aber nichts erkennen, demzufolge Olymus Studio 2 auch nicht. „Keine Kamera angeschlossen“. Hmm? Was mache ich falsch?

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