Als ich in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts das erste Mal einen potenten Elektronikblitz an den Synchron-Anschluss meiner Exakte geflanscht habe, kannte ich vorher Blitze nur in Form dieser seltsamen Blitzwürfel, die man auf die Instamatic draufsteckte und die immer so spektakulär davonschmolzen. Das mit dem Elektronikblitz war endkrasss, weil man da auf einmal keine Birnen mehr wechseln musste. Aber die Sache war umständlich und weil man erst ne Woche später sah, was man angerichtet hatte, gelegentlich frustrierend. Denn natürlich hatte ich keinen Belichtungsmesser – schon gleich gar nicht für Blitze. Und der Apparillo, den ich da an der Exakta hatte, hatte nur eine Funktion: Hell. Keine Automatik, kein TTL. Nada. Über drehbare Blitzköpfe reden wir gar nicht.

Heute ist das alles anders, man sieht sofort nach dem Druck auf den Auslöser, ob die Sache geklappt hat, oder eben nicht. Trotzdem gibt es bei vielen Fotografen eine „Blitzscheu“. Selbst wenn man einen Systemblitz hat, man verwendet ihn kaum. Der bei den Olys früher immer mitgelieferte FL-LM3 ist bei den Meisten noch nicht mal von der Plastikfolie befreit, mit der er ab Werk beklebt ist. Warum?

Outdoor geblitzt. Sieht man nicht? Das ist der Plan.

Der Grund ist simpel. Dass der frontale Automatikblitz von der Kamera doof aussieht, selbst wenn man sich keine rote Augen einhandelt, hat sich rumgesprochen. Und sobald man da was dran ändert, oder vielleicht sogar entfesselt blitzt oder vielleicht auch noch manuell, dann passieren Dinge, die man vermeintlich nicht mehr kontrollieren kann. Erstmal kann es passieren, dass der Blitz sich weigert, zu blitzen. Oder alles überbelichtet ist. Oder unterbelichtet. Oder die Farben total komisch sind. Oder das Bild ganz anders aussieht, als man es gesehen hat. Oder irgendwo fieseste Schatten auftauchen, die vorher nicht da waren.

Sprich: die Anzahl der Fehler, die man machen kann, vermehren sich wie die Karnickel. Darum lassen viele einfach die Finger vom Blitzen, erklären Available Light zur alleinseligmachenden Fotografie und Dauerlicht im Studio zur Erfindung des Jahrhunderts.

Outddor mit Nebelmaschine und Funkblitzen mit Farbfolie.

Dabei ist Blitzen ein bisschen wie Billardspielen. Nur einfacher. Ich schicke meine weiße Kugel los und lasse sie etwas treffen. Und wenn ich die Zielkugel nicht direkt treffen will, dann spiele ich halt über Bande. Was noch dazu kommt ist, dass man beim Blitzbillard die Härte der Bande verstellen kann. Wenn man gegen eine schwarze Fläche spielt, kommt weniger zurück. Gegen eine weiße Bande, kommt mehr zurück. (Ja, es gibt Sonderfälle wie Spiegel. Das ist vor allem dann lästig, wenn man über eine Bürodecke mit Rasterlampen blitzt. Die Lamellen in diesen Rasterlampen reflektieren den Blitz extrem fiese…) Aber das war’s dann schon.

Die Kamera wird ganz simpel eingestellt: Wahlrad auf M. (Keine Angst davor!) Belichtungszeit auf 1/250s (bei den neueren Olys), Blende nach Lust und Laune, Blitz auf TTL und los.

Auch das ist geblitzt. Und nein, dieses Foto ist nicht „gestellt“ sondern während eines „Ball Burlesque“ entstanden. Und ja, ich war der offizielle Fotograf.

Das ist auf die Dauer ein bisschen unbefriedigend, weil die Bilder zwar richtig belichtet sind, aber nicht wirklich cool. Also runter mit dem Blitz von der Kamera und Funkauslöser drauf. Bei den meisten Systemen ist nun Schlusss mit TTL, man muss den Blitz nun manuell einstellen. Also Blitz auch auf „M“ und die Blitzstärke einstellen. Von 1/1 bis 1/128. 1/1 ist voll, 1/128 ist ziemlich wenig.

Und nun den Blitz irgendwo hinlegen, wo er spannende Dinge beleuchtet.

Und wieder: geblitzt. Man kann sogar genau sehen, wo der Blitz stand, weil der Baumstamm einen Schatten auf die Motorhaube wirft. (War ein Kalenderbild für den „Franzosen“ einen KFZ-Teile-Händler in Vechta.)

Natürlich gibt es da tausend Tipps und Tricks und Dinge, die man da machen kann. Aber all die Tipps und Tricks helfen nicht, wenn man es nicht selbst ausprobiert. Denn was ist das größte Hindernis für die Freude am Blitzen: Man kann es sich anfangs nicht vorstellen, was passiert, bevor man blitzt. Und wenn man geblitzt hat, ist es zu spät. Es gibt Fotografen, die dieser Ungewissheit mit Blitzbelichtungsmessern begegnen, aber der Beli sagt mir halt auch nicht, ob das Model nun einen fiesen Schatten unter der Nase hat, oder nicht. Man kann auch mit Einstelllichtern arbeiten, die mir grob sagen, wo mein Licht liegt – aber die wenigsten Systemblitze haben solche Einstelllichter, im Studio nervt das auf die Dauer und Outdoor fressen sie nur Batterie und sind kaum sichtbar.

Wie weiß ich nun, wo der Blitz stehen muss und welche Leistung er haben soll? Das werde ich auf meinen Seminaren oft gefragt „Woher weißt Du, dass ich Blende 5,6 einstellen muss? “ Die Antwort ist simpel: Weil ich weiß, dass diese Oktabox mit dem Blitz auf 2,0 auf einen Meter vom Motiv entfernt, bei ISO 200 etwa Blende 5,6 braucht – wenn das Model das weiße Kleid anhat. Erfahrung. Woher weiß ich, dass ich in meinem Weinkeller bei Kerzenlicht nur mit lichtstarken Optiken ne Chance habe? Weil ich dort schon ein paarmal fotografiert habe.

Studioshot. Klar, muss hier auch rein.

Mit Blitzen kann man fotografisch unglaublich viel machen. Man muss nur Mut zum Fehlschlag und Ausdauer zum Üben haben. Wenn ich mit einem Kunden fotografiere, dann sage ich dem immer zuerst „Einfach mal da auf die Pappe stellen, keinen Stress, ich muss erst mal das Licht einstellen“. Dann mache ich meistens zwei, drei Fotos und schraube an der richtigen Position und Leistung der Blitze, bis ich dann sage „So, jetzt passt das Licht, es kann losgehen.“ Diese Testbilder sind fast immer daneben. Und das, obwohl ich meinen Raum, meine Blitze und meine Lichtformer im Schlaf kenne. So what? Deshalb mache ich sie. Jedes Motiv ist anders und es kann passieren, dass sich die Person etwas gedreht hat, und schon stimmt das Licht nicht mehr. Klingt kompliziert? Nein, es ist wie beim Billard. jeder Stoß ist anders. Wenn auch nur eine Kugel einen Zentimeter anders gerollt ist, muss man eben mit dem Queue anders arbeiten, wenn man ein gutes Ergebnis haben will.

Üben, machen, und vor allem viel falsch machen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich eine Stunde an einer Blitzposition geschraubt habe, bis die Lichtverteilung in einer Glaskugel gepasst hat. Na und? Man lernt dabei und irgendwann hat man es drauf. Und unterwegs macht man versehentlich jede Menge coole Bilder, an die man nie gedacht hat.

Die Hotskills?!, noch mit dem alten Drummer.
Und hier das „Making Of“ – „Available Light“ ist hier keine Option.

10 Replies to “Blitzscheu”

  1. Ja, das Blitzen kann so richtig Spaß machen. Das legendäre Kristallkugelfoto entstand z.B. mit drei Blitzen von denen einer nur dazu da war den unterm Tisch auszulösen. Er hatte keinen Anteil am Licht im Bild. War aber die einzige Möglichkeit den anderen per Sklave auszulösen.
    Für ein anderes Foto habe ich wochenlang mit Snoot an einer Orange geübt um die Lichtsituation zu verstehen, die ich erreichen wollte. Dann noch zwei intensive Versuche mit Model bis es endlich gepasst hat.
    Es ist echt wie Billard, nur dass man gleichzeitig eine Kugel über mehrere Banden spielen kann. Wer das Blitzen vernachlässigt verschenkt einen Menge an kreativen Möglichkeiten.

    1. Hallo Helge,
      du und blitzen – ich erinnere mich an diverse Aufnahmesituationen (Details am Auto oder Nudeln in der Toskana), wo es nicht nur mir viel Spaß gemacht hat, dir ein wenig zu „helfen“ ;-)))
      Ist alles schon solange her.
      Hoffentlich lässt sich in Zukunft irgendwas arrangieren.
      Liebe Grüße nach Wien
      Rainer

      1. Ja, da haben wir viel Spaß gehabt und es sind auch ein paar nette Bilder entstanden!
        Ich würde wirklich gerne wieder einmal ein „Veteranentreffen“ machen 😉

  2. Ähm, auch wenn ich es sicher von Dir schonmal gehört habe: welcher Funauslöser passt nochmal zum Metz 58 AF-2 mit einer E-M1 (I oder II)? Ich muss zugeben, ich gehöre auch zu den Blitzscheuen. Aber das lässt sich ja ändern, und wir haben ja jetzt wieder viel Zeit…
    Christine

    1. Oder etwas ausführlicher als Reinhard: Du musst den Blitz auf manuell stellen, dann kannst du quasi jedes Auslöserpärchen nehmen, z.B. von Yongnuo. Die haben den Vorteil, dass sie jeweils sowohl Sender als auch Empfänger sein können. Nachteil: Das muss man einstellen – und manchmal stellt man es falsch ein.
      Habe mal irgendwo gelesen, man soll die Nikon-Version nehmen weil sich die Canon-Version verhaken kann. Habe Nikon genommen – ist aber für die Funktion egal, da Olympus (bisher, im Gegensatz zu Canon) den Mittenkontakt noch nicht abgeschafft hat.

      Yongnuo RF 603-II, Pärchen für ca. 40 EUR

  3. Sehr schöner Text, der mich motiviert auch eindlich mal mit meinen Yongnuos, die seit ewigen Zeiten in der Fototasche verstauben etwas zu experimentieren.

        1. Jo. Es geht dabei um die Blitzkondensatoren, die hin und wieder mal aufgeladen werden sollten. Allerdings erholen sich die Kondensatoren meistens relativ schnell wieder, wenn sie wieder in Betrieb sind.

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