Mal wieder Schienen…

Bei einem DVF-Wettbewerb hat letzthin mal wieder das Foto eines Mädels auf Eisenbahnschienen nen Preis gewonnen. Ich habe mich da ein bisschen drüber aufgeregt und dann die Nummer erstmal wieder ad acta gelegt. Die Knipserei auf Schienen gehört bei mir zu den Todesursachen, die absolut vermeidbar sind. Nur in Deutschland werden im Jahr knapp 100 Knipser von Zügen zerfetzt. (Wer weiß, wie jemand hinterher aussieht, der weiß, dass dieses Wort genau passt.) Base-Jumping kostet im Jahr weltweit zehn Leute das Leben. Fallschirmspringen in Deutschland 5, Segelfliegen etwa in gleicher Größenordnung, Bungee-Springen ist dagegen absolut ungefährlich.

Eines der immer wiederkehrenden Argumente ist: das sieht man am Gleis, ob da Verkehr drauf ist. Nein. Sieht man nicht. Das Foto oben zeigt zwei Gleise. Eines ist in Betrieb, das andere nicht. Ja, das ist jetzt ein ArtFilter drauf, aber auch wenn ich einen Natural-Bildmodus verwende, sieht man keinen Unterschied.

Erst jetzt wird es klar:

Das rechte Gleis endet wenige Meter hinter dem Fotografen im Asphalt. Das Linke geht zu einem Firmenbahnhof, der in Betrieb ist. Wer sich das ansehen will: Veyle in Dänemark, am Hafen.

Wo man sieht, dass da seit einer gewissen Zeit nix mehr fährt, ist hier:

Auch das ist in Veyle, am alten Güterbahnhof. Aber auch das Betreten dieses Gebietes ist gesetzlich verboten – auch in Dänemark. Da ist im Gesetz der Begriff „Gleiskörper“ noch genauer definiert, dazu gehören auch Bahndämme und Gräben. Wenn man dort fotografieren oder filmen will, muss man sich, genau wie in Deutschland, an die zuständige Stelle wenden, in Dänemark an „presse@bane.dk“, nicht an die DSB (Dänische Staatsbahnen), weil die nicht der Netzbetreiber sind. Was die dort von vornherein ausschließen, sind Modelfotos auf Schienen, nur weil das cool aussieht. Dafür gibt’s bei den Dänen keine Genehmigung.

Auch in Dänemark spielt es keinerlei Rolle, ob das Gleis noch in Betrieb ist, oder nicht. Das Betreten ist nur mit Erlaubnis erlaubt. Aus gutem Grund.

Warum es immer noch Trottel gibt, die Schienenbilder mit Models prämieren, ist mir völlig schleierhaft. Als hätten wir nicht genug Tote.

Für alle, die partout Quellen zu Zahlen haben wollen, weil man ja sonst in Forendiskussionen nicht punkten kann:

https://www.bundespolizei.de/Web/DE/02Sicher-im-Alltag/04Sicher-auf-Bahnanlagen/01_Eigene-Vorsicht/gefaehrlicher_trend_flyer.pdf

Hier die Sicherheitsberichte der Bahn.

https://www.eba.bund.de/DE/Veroeffentlichungen/Sicherheitsberichte/sicherheitsberichte_node.html

https://www.pnp.de/polizei/Fotoshooting-am-Gleis-Bundespolizei-findet-es-gar-nicht-gut-3274008.html

https://www.waz.de/staedte/essen/lebensgefaehrliche-fotos-im-gleis-bundespolizei-warnt-vor-trend-id10002990.html

Laut Aussage der Bundespolizei werden entsprechende Fälle mit Todesfolge nicht erfasst, weil das an die Kripo geht. Die wiederum erfasst diese auch nicht, da es sich um „Unfälle“ handelt. Sie werden nur erfasst, wenn man sie für Suizide hält. Eine bundesweite Erfassung gibt es überhaupt nicht, womit man wieder bei den Bahnzahlen ist, die etwa 150 tödliche „Unfälle“ im Gleisbett und zwischen 700 und 800 Suizide pro Jahr ausweisen. Da bei den Toten im Gleis immer erst von Suizid ausgegangen wird, braucht es Zeugen, damit aus dem Suizid ein Unfall wird. Die muss man erst mal finden. Da Suizid für Alle (Bahn, Polizei, Zeugen) definitiv die bequemste Variante ist, ist das Bestreben, da einen Unfall draus zu machen, unterentwickelt. Immerhin ist das Problem so groß, dass die Bahn entsprechende Videos dreht, Flyer druckt und die Pressestelle der Bundespolizei für jeden froh ist, der das Thema aufgreift.

Und ja, es gibt tatsächlich Museumseisenbahnen, auf denen das Fotografieren auf den Gleisen erlaubt wird. Teilweise sogar für Workshops. Die Vorbildfunktion ist verheerend. Weil man es eben NICHT sieht, dass hier unter kontrollierten Bedingungen fotografiert wurde.

11 Replies to “Mal wieder Schienen…”

  1. die Dummen werden mehr statt weniger.
    Ich warte ja immer noch darauf, dass so ein Vollpfosten samt Model auf der A3 stehen um „echt krasse“ Bilder zu machen.

    1. Gibt’s schon. Google mal nach Frau Koffer Autobahn. Jede Menge Stockfotos mit Frau mit Koffer auf Autobahn. Und Schienen. Und so weiter…

    2. Ich habe die Vermutung, dass den Menschen das Risikobewusstsein abhanden kommt je mehr Sicherheitsrisiken im Alltag durch diverse Technologien vermeintlich beseitigt werden. Deshalb werden es mehr.

  2. Moin,
    hast du mal ne Quelle über die 100 Pfeifen, welche platt gemacht wurden?
    Ich kenne zwar die entsprechenden Seiten vom EBA, aber da ist meines Wissen nicht vermerkt wer ne Knipse dabei hatte ?
    Sieht übrigens nicht nur Scheiße aus, hört sich auch im Zug drinnen Scheiße an und riecht auch noch bescheiden 🙁

    Gruß Uwe

    1. Moin,
      Sorry, mir ging es überhaupt nicht ums punkten wollen, sondern ich wollte gerne wissen wie du auf die 100 Knipser kommt.
      Wie du weisst, gehöre ich zu dem Personenkreis die bei allen diesen Fällen zwangsläufig mit dabei sind, und habe auch schon einige Beinaheunfälle durchgemacht.
      Daher kann ich deine Zahlen bzgl. Knipser nicht nachvollziehen, so sehr mir diese auch auf den Zeiger gehen.
      Ich denke aus meinem Alltag gesehen, die Anzahl die Kopfhörerträger und Handyglotzer, sowie derer die einfach zu langsam sind beim „abkürzen“ , dürfte eher in dieser Größenordnung liegen.

      Gruß Uwe

      1. Ich habe vor drei Jahren in einer Veröffentlichung der Bahn im Rahmen der Aktion gegen Schienenknipser eine Zahl von 86 gefunden. Das war allerdings die einzige Zahl und ich habe mir seinerzeit die Quelle nicht gespeichert. Nach den Aussagen von Bundespolizei und Kripo weiß ich jetzt auch, warum die damals nicht großartig kommuniziert wurde. Vor allem nachdem ich bei mehreren Fällen, die mir bekannt sind, festgestellt habe, dass immer zuerst von Suizid ausgegangen wird und der Vorfall erst dann zum „Unfall“ wird, wenn nicht nur die Brösel von Handy oder Kamera gefunden wurden, sondern auch die Aussagen von Zeugen vorliegen, dass die Person tatsächlich zum Fotografieren auf die Schienen ist – und nicht etwa, um den eigenen Suizid zu knipsen. Die Anzahl der verifizierten, tödlichen Unfälle auf dem Gleiskörper – ohne als Suizide klassifizierte Fälle – schwankt zwischen den Jahren. Nach der Kampagne von Bahn und Polizei zum Schienenknipsen ist die Anzahl von fast 190 auf etwa 130 gefallen. Kann natürlich Zufall sein.

  3. Wobei natürlich immer die Frage auftaucht, ob diese Fotos denn wirklich im öffentlichen Bahnraum entstanden sind. In Aumühle bei Hamburg gibt es z.B. ein Eisenbahn Museum mit ebenfalls begehbaren Gleisstrecken. Diese werden, teilweise mit Dampflok im Hintergrund, öfters als Location für Film- und Fotoaufnahmen gebucht. Auf den Fotos ist hinterher nicht zu erkennen ob diese im Aumühle oder an einer anderen Strecke entstanden sind.

  4. Einem Freund von mir kam ein Mädchen vor seinen ICE, die Machtlosigkeit diesen Unfall nicht verhindern zu können, ließ ihn jetzt über 1 1/2 Jahre keine Nacht mehr schlafen. Seit ein paar Monaten kann er Dank intensiver psychologischer Betreuung seiner eigentlich heißgeliebten Arbeit wieder nachgehen. Aber es hat sein Leben grundlegend geändert.
    Gleise und Gleiskörper sind für mich als bekennenden Eisenbahnknipser absolut tabu! Es geht auch so, erfordert halt manchmal etwas mehr „Turnschuhakrobatik“
    AndyT

Schreibe einen Kommentar zu Rudolf Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert