Bloggerei vor dem Ende?

Nachdem der Uploadfilter gegen die Foren erst mal wieder vom parlamentarischen Tisch ist, hat man sich was Neues ausgedacht. Über den neuen Rundfunkstaatsvertrag werden regelmäßige Blogs mit mehr als 20.000 Lesern im Monat (also zum Beispiel pen-and-tell) als „Rundfunk“ definiert. Und wer Rundfunk macht, braucht eine Sendelizenz.

Das hat schon ein paar Youtuber erwischt, die regelmäßig live gestreamt haben – was schon bisher als Rundfunk gilt – und die dann richtig Geld für eine Sendelizenz abdrücken mussten. Für pen-and-tell dürfte eine solche Lizenz samt Anwaltskosten um die 4000 Euro kosten. Und man muss ein polizeiliches Führungszeugnis und einen Businessplan vorlegen.

Vor allem letzteres ist der Witz des Jahres – ich habe mit pen-and-tell noch nie einen Cent Umsatz gemacht. Ich habe zwischen 2001 und 2003 drei Businessplanwettbewerbe gewonnen, weiß also, wie man das mit dem Planschreiben macht. Aber einen Businessplan zu schreiben, der auf Selbstausbeutung und Nulleinnahmen beruht – wäre mal was Neues.

Wer den Entwurf des neuen Rundfunkstaatsvertrages lesen will, hier ist er:

https://www.rlp.de/fileadmin/rlp-stk/pdf-Dateien/Medienpolitik/04_MStV_Online_2018_Fristverlaengerung.pdf

Eines ist sicher: Ich werde keine Wochen in einen völlig schwachsinnigen „Businessplan“ investieren und noch mehrere tausend Euro für eine Sendelizenz abdrücken. Wenn das so kommt, wie geplant, ist hier der Laden dicht. Oder ist irgendjemand von euch da draußen scharf drauf, mir meine Sendelizenz zu zahlen?

Eben.

Es wird immer schräger.

Wer tätig werden will: Hier kann man seine Meinung zum Staatsvertrag kundtun und Anregungen geben.

https://www.rlp.de/de/landesregierung/staatskanzlei/medienpolitik/beteiligungsverfahren-medienstaatsvertrag/

Update: 2020. Im neuen Entwurf sind die Blogger rausgenommen worden – und die Olypedia fällt zwar in die Kategorie „Medienintermediäre“ aber sie hat (noch) keine 1 Mio User pro Monat.

13 Replies to “Bloggerei vor dem Ende?”

  1. Tja, ist die alte Geschichte: wenn man nur einen Hammer hat, sieht halt alles wie ein Nagel aus (oder so ähnlich).

    Trotzdem natürlich alles Blödsinn, keine Frage. Aber wird bestimmt noch ein bisschen dauern, bis ein neues Werkzeug entwickelt wird.

  2. Ich fände es überaus schade wenn dieser Blog geschlossen würde. Ich lese regelmäßig und gerne Deine Beiträge.
    Ich könnte mir auch durchaus vorstellen einen „Mitgliedsbeitrag“ zu leisten um das Problem mit den Kosten zu lösen.
    Vielleicht ist mein Verwechsler mit „Forum“ und „Blog“ aus dem Beitrag „Mottoänderung“ auch eine Art Lösung.
    Man macht aus einem Blog ein Forum, um so eine Neuregelung zu umgehen. Geht sowas? (ich bitte meine Unkenntnis bei solchen Begriffen zu entschuldigen).
    Vielleicht gibt es ja noch mehr Freunde dieses Blogs, die bereit wären einen Obolus für den Erhalt zu leisten?

    1. Dem Blog ein anderes Label zu verpassen, hilft leider nicht. Der Blog wäre dann ein „soziales Medium“ und das ist im Staatsvertrag ausdrücklich eingeschlossen. Man hält es nicht für möglich, aber es ist so: dann brauche nicht nur ich eine Sendelizenz sondern auch Leute, die hier regelmäßig posten. Jeder Instagrammer und Facebooker mit einer bestimmten Anzahl Zugriffe braucht – eine Sendelizenz. Du postest jeden Tag auf Facebook auf deiner „Seite“ ein Foto Deines Hundes und hast im Monat mehr als 2000 Likes? Sendelizenz. (Nein, kein Tippfehler. 2000 Likes entspricht etwa 20.000 Zugriffen im Monat. Und damit fällt man nicht mehr unter „privat“. ) Als ich noch im Oly-forum regelmäßig gepostet habe, hätte ich eine Sendelizenz gebraucht. Zuviel Zugriffe. Der Staatsvertrag ist ein Frontalangriff auf alles, was im Internet gelesen wird. Sich unter einem Pseudonym einen gewissen Ruf verschaffen? Is nich. Du musst ein polizeiliches Führungszeugnis einreichen um „senden“ zu dürfen. Natürlich werden die Landesmedienanstalten nicht alle Blogs und Instagram-Accounts – von der Hobbyköchin bis zur Fuchsfotografin – überprüfen können, aber wenn man irgendwem auf die Zehen tritt, ist ganz schnell Schicht um Schacht. Betreiber größerer Foren müssen aktive User, die unter Pseudo posten, sperren, weil sie sonst für diese eine Sendelizenz beantragen müssten. (Anonyme User werden dem Forenbetreiber zugerechnet.) Dieser ganze Staatsvertrag ist ein Alptraum. Hier eine Darstellung der Rechtslage, wie sie jetzt schon ist: https://www.wbs-law.de/beratung-der-sendelizenzen/
      Und wegen dem Beitrag zum Blog. Das ist lieb gemeint, aber bitte, bitte nicht. Das Verbuchen solcher Kleinspenden ist ein buchhalterischer Alptraum.

  3. ist das jetzt das letzte Aufbäumen der Print-Medien-Lobby oder der gewohnte Unsinn unserer Politiker? Da soll noch mal jemand auf die EU schimpfen. Das sind wohl die einzigen, die das noch verhindern könnten.

  4. Und der Herr sprach: „Fürchte dich nicht, es könnte schlimmer kommen.“ Und ich fürchtete mich nicht, und es kam schlimmer.
    Hilft aber auch auch nicht.

    1. Ich habe im Blogbeitrag die Stelle verlinkt, an der ihr eure Meinung kundtun könnt. Und ihr könnt diesen Link weiterverbreiten, so dass andere ihre Meinung kundtun können. Das könnte helfen.

  5. Ein stetiger Quell der Freude diese Politiker und die zugehörige Mischpoke.

    Ich könnte mir vorstellen, daß eine derartige Regelung gegen das GG verstößt (Thema: Freie Meinungsäußerung). Die ist dann nicht mehr frei, wenn sie von einer Lizenz abhängt, die sich nicht jeder Meinungsäußerer leisten können wird.

  6. Naja, der Entwurf redet über “Medienplattformen und Benutzeroberflächen” (§52, das ist die einzige Stelle, wo die magische “20.000” ins Spiel kommt). Eine “Medienplattform” ist “jeder Dienst, soweit er Rundfunk oder rundfunkähnliche Telemedien zu einem vom Anbieter bestimmten Gesamtangebot zusammenfasst.” Ein “rundfunkähnliches Telemedium” ist “ein Telemedium mit Inhalten, die nach Form und Inhalt hörfunk- oder fernsehähnlich sind und die aus einem von einem Anbieter festgelegten Inhaltekatalog zum individuellen Abruf zu einem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt bereitgestellt werden”, also vulgo z. B. Netflix oder die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. “Rundfunk” ist, der Vollständigkeit halber, “ein linearer Informations- und
    Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung
    und Verbreitung von journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans mittels Telekommunikation.” Alles das kann man in dem Staatsvertrags-Entwurf nachlesen. Auch Benutzeroberflächen sind definiert über den Zugriff auf Medienplattformen, laufen also auf “Rundfunk und rundfunkähnliche Telemedien” hinaus.

    Pen-And-Tell ist offensichtlich kein Rundfunk (mangels linearen, zum zeitgleichen Empfang durch die Massen gedachten “Angeboten in Bewegtbild und Ton”) und man würde es auch nicht als “nach Form und Inhalt hörfunk- oder fernsehähnlich” ansehen, so dass der Gedanke, der Betreiber bräuchte dafür eine Sendelizenz im Sinne des (noch hypothetischen neuen) Rundfunkstaatsvertrags, mir persönlich doch ziemlich abwegig vorkommt. (Für rein YouTube-basierte Angebote mag das anders aussehen, und man kann das gut finden oder nicht, aber es ist hier nicht das Problem.)

    Ganz eventuell in Frage kommen würde womöglich eine Einstufung als “Medienintermediär”, auch wenn der entsprechende Vertragstext wohl eher auf Blogging-Plattformen mit thematisch unabhängigen Blogs diverser Autoren oder soziale Netzwerke wie Facebook zugeschnitten ist als auf ein einzelnes Blog unter einem einzigen Thema mit gelegentlichen Gastautoren. Aber Medienintermediäre fallen erst unter den vorgeschlagenen Staatsvertrag, wenn sie mehr als eine Million Nutzer pro Monat erreichen. Ob Pen-And-Tell in diese Kategorie gehört, ist dann doch eher zweifelhaft.

    1. Hallo Anselm, wie Du auch schreibst, ist es ein Entwurf. Dieser Entwurf ist an vielen Stellen missverständlich und verklausuliert formuliert. Mann „kann“ ihn so interpretieren, wie Du es getan hast, man kann ihn aber auch ganz anders interpretieren. Und das ist das große Problem dabei. Wesentlich ist, dass Text- und Bildbeiträge auf einmal als „Rundfunk“ gelten können und auch die „Live“-Eigenschaft auf einmal nicht mehr notwendig ist. Auch die Beschränkung auf einen Fachbereich verhindert nicht die Rundfunkeigenschaft. Für was die genannten Zugriffszahlen gelten, ist Interpretationssache. Das größte Problem dabei ist, wie werden die gemessen? Und woher haben die Landesmedienanstalten die Daten?

      1. Also ich finde es eigentlich relativ deutlich, dass der Entwurf nur über “Rundfunk” und “rundfunkähnliche Telemedien” redet sowie über verschiedene Methoden, diese zugänglich zu machen (“Medienplattformen” und “Benutzeroberflächen”). Die Stelle im Entwurf, die beliebige Text- und Bildbeiträge zu “Rundfunk” erklären soll, habe ich jedenfalls nicht gefunden, und das widerspricht m.E. auch der Definition von Rundfunk in §2(1) des Entwurfs (“Rundfunk ist ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans mittels Telekommunikation”).

        Für Telemedien (im Gegensatz zu “Rundfunk”) gelten gemäß §1(1) des Entwurfs die Zulassungsforderungen aus dem Abschnitt III des Entwurfs sowieso nicht. Textuelle Blogger müssen sich – im Gegensatz zu YouTube-“Stars” – also wohl nach wie vor mal keinen Kopf machen.

        Zur Frage “Wie werden die gemessen? Und woher haben die Landesmedienanstalten die Daten?”: Telemetrie und/oder Umfragen. Bisher wird die Reichweite von Hörfunkprogrammen z.B. von der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse oder dem Institut für Demoskopie Allensbach durch die repräsentative Befragung von HörerInnen ermittelt; man kann sich gut vorstellen, dass da dann auch etwas gefragt wird wie “Welche YouTube-Kanäle schauen Sie regelmäßig?” Und man könnte sich natürlich auch direkt an die Betreiber der Medienplattformen halten. Wohlgemerkt, wir reden hier über Rundfunk und “rundfunkähnliche Telemedien”, nicht über irgendwelche Blogs.

  7. §1 Absatz 7 … Stichwort Sprache: Blog auf Englisch umstellen? 🙂
    Macht international bekannt und richtet sich dann nicht mehr an die Nutzer in der BR Deutschland.
    Aber wenn das viele machen. kommt dann wahrscheinlich das UK OfCom auf die gleichen Gedanken, an mehr Einnahmen aus Lizenzen ist sicher auch die britische Regierung interessiert. …. 🙂
    LG
    Leo

    1. Das habe ich mir schon x-mal überlegt, auf Englisch umzusteigen. Die Zugriffe würden erheblich nach oben gehen. Nur – da ich den Blog nicht monetarisiere, bringen mir enorme Zugriffszahlen nichts. Nur Mehrarbeit. Und irgendwann müsste ich den Blog monetarisieren um die Kosten des Blogs zu finanzieren. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Also bleibe ich im Lande und nähre mich redlich….

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