WolkentänzerInnen

Pantone ist ne amerikanische Firma, die richtig viel Geld mit ihrem Farbsystem macht und dabei absolut nicht zimperlich ist. Legendär ihr Beef mit Adobe. Da Pantone ja selber nichts herstellt, sind sie – Überraschung – eigentlich ne reine Marketingbutze, die sehr erfolgreich Luft verkauft.

Und wie das halt im Marketing so ist, man braucht immer irgendwas “Tollstes des Jahres” und da es ziemlich viele Farben gibt, muss man da nur eine auswürfeln und dann die Kollegen dransetzen und sagen “Hype mal braun“. Für die Influencer aller Geschmacksrichtungen ist das natürlich ein Knüller. Man hängt sich dran, macht sich lustig, und die Assoziationen drehen frei. Zack. Wieder ein Artikel abgefrühstückt ohne dass man sich groß selber Gedanken machen muss.

Die Farbe 2026 ist “Cloud Dancer”. 11-4201. Ein sehr helles Grau mit einem leichten Orange-Stich. Als Basis zu warmen Pastelltönen ziemlich brauchbar. Vor allem in Interieurs. Aber genauso wie letztes Jahr “Mocha Mousse” mit “kackbraun” verhöhnt wurde, ist jetzt dieses helle Orangegrau “weiß”. Und alles was weiß ist, ist “rassistisch”.

Warum ich über dieses Stöckchen hüpfe und mich am Shitstorm beteilige? Weil ich gerade einen neuen Hintergrund für meinen LiveStream gebaut habe und der ist – Weiß. Nein, nicht “Cloud Dancer” – Weiß.

Das ist ein weiß lackierter Haufen Holzreste und eine weiß lackierte Glasfaserwellplatte.

So. Gib ihm. Bin ich jetzt ein Rassist?

Farben sind ja dodal doll. Da kommt irgendwer daher und lädt eine Farbe mit Bedeutung auf. Gelber Strom, grüne Partei, magenta Telefone, lila Schokolade und orangene Revolutionen. Wenn das noch neu wäre – nö. Aber nachdem es ja ziemlich viele Farben gibt, kann sich ja jeder seine persönliche Lieblingsfarbe raussuchen.

Was mich als Fotograf aber langsam wirklich annervt, ist diese Hautfarbendiskussion. Und ich rede hier nicht über eine bestimmte grenzdebile Sendung. Nein. Weiß, rot, gelb, schwarz.

Hier haben wir rot und weiß. Ja. Und Grün. Im Jahre 1990.

Hier hätten wir zwei Sioux. Links Mama Joe, rechts Regina M. White-Plum. Letztere hat deutsche Wurzeln, ist also “weiß”. Man erkennt ganz klar “rot und weiß”. Wie oben.

Hier hätten wir Cyril Neville und Charlie Wooton (Wenn ich so Bass spielen könnte, wie der, dann gäbe es diesen Blog nicht.)

Hier hätte ich auch was mit schwarz und weiß…

Ich habe es in einem Buch geschrieben. Ja, für uns Fotografen sind Hautfarben wichtig. Nicht nur wegen der Belichtung, auch beim Farbabgleich und bei der Druckvorstufe. Weil unser Auge eben gerade bei Hauttönen feinste Nuancen wahrnimmt. Das ist ein evolutionärer Vorteil. Feinste Veränderungen der Hautfarben geben uns Aufschluss über Stimmungen, Gesundheitszustand, geistige Verfassung. “MakeUp” sorgt dafür, dass genau diese Signale vom Gegenüber nicht wahrgenommen werden. Man versucht sich also, einen Kommunikationsvorteil zu verschaffen. Models werden stark geschminkt, weil die Fotografen kein Interesse daran haben, persönliche Probleme des Models abzulichten, wenn es um den Kaschmirpullover gehen soll. Genau das ist aber auch das Problem bei Menschen, die in einer homogenen Kultur aufgewachsen sind, oder deren komplettes Umfeld immer mit MakeUp rumläuft. Wer nicht gelernt hat, im Gesicht des Gegenübers zu lesen, der hat ein Kommunikationsdefizit. Wenn ich nicht weiß, wie sich bei einem Afrikaner die Hautfarbe mit seinen Stimmungen verändert, kann ich den nicht “lesen”. Und umgekehrt.

Es ist wie bei Hund und Katze. Beim Hund ist schwanzwedeln freundlich, bei der Katze nicht. Wird die “Sprache” des Anderen nicht verstanden, gibt es Ärger. Ähnlich ist es mit Hautfarben. Wenn der Gegenüber “bleich” wird, dann wissen wir, da war jetzt irgendwas nicht so toll. Sieht man das nicht, weil entweder Spachtelmasse drüber ist oder die Haut stärker pigmentiert ist und deshalb der Effekt anders ist, dann kriegt man das gar nicht mit – außer man hat halt Training darin. Und fehlerhafte Kommunikation ist halt “schwierig”.

Eine Farbe ist eine Farbe. Man kann irgendwas entsprechend lackieren und zack. Wenn ich ein Hemd in der Farbe des Jahres 2025 anziehe, bin ich dann Nazi? Wenn ich mein Zimmer weiß streiche, bin ich dann Rassist? Wenn ich mein Fahrrad lila streiche, bin ich dann Fan von Mondelez? Streiche ich es Schwarz, CSU-Parteimitglied? Oder BLM? Früher war rosa die Farbe für kleine Jungs, hellblau für kleine Mädchen. Weil blau die Farbe des Mantels von Maria war. Rot war die Farbe von Blut, Tod, Kampf. Also sehr toxisch männlich. Voll Patriarchat. Sag das mal jemand der SPD. Oder der Linken.

Das, was Neomi da in der Hand hat, ist übrigens keine “Retro-Kamera” sondern ein “Original”: Eine Varex IIa. Und wo ist da der Anachronismus? Die Vignette für 2011… (Der zweite Aufkleber an der Scheibe links ist ein mittlerweile verblichener Citroen Doppelwinkel, der bei Auslieferung da geklebt wurde und nie entfernt. Orischinal!)

Kommen wir zurück zum Anfang: Pantone ist eine Firma, die man für alles mögliche kritisieren kann. Aber alles, wo “Weiß” dransteht als Rassismus zu bezeichnen, ist wohl nur noch mit einer Profilierungssucht der jeweiligen Autoren zu erklären. Gerade wir Fotografen wissen, Hautfarbe ist eine Sache von Belichtung und Weißabgleich. Und ja, es gibt rassistische Fotografen. Und es gibt, glaube ich, kaum eine Gruppe, die ich mehr verachte, vor allem, wenn sie ihr Handwerk beherrschen.

Für mich stehen da Menschen vor der Kamera. Egal in welcher Form, Größe und Farbe. Und ich versuche ihnen gerecht zu werden. Und wenn da ein Schwarzafrikaner in einem Anzug in “Cloud Dancing” steht, dann bin ich heilfroh, dass ich nicht mehr mit einer E-3 knipse, sondern mit einer OM-1, die diesen Kontrast kann.

Und der Hintergrund von PATLive bleibt weiß.

8 Replies to “WolkentänzerInnen”

  1. Ich trage gerne braune Schuhe, doch mit brauner Hundekacke, ob an der Hacke oder anderswo, werde ich nicht wirklich froh. 😉

  2. “Früher war rosa die Farbe für kleine Jungs, hellblau für kleine Mädchen.”
    war das nicht andersrum? Kann mich da dunkel erinnern.

    1. Ich habe extra noch ein bisschen recherchiert. Im 19. und erste Hälfte 20. Jahrhundert war das tatsächlich so, dass die Mädchen blaue Kleidchen und die Jungs rote Anzüge bekamen. Zumindest ist das auf den Gemälden oft zu sehen. (Fotos sind halt ein bisschen schwierig.) Aber wie heute auch, auf den allermeisten Bildern sind die Kinder eher praktisch in Räuberzivil. Der “Switch” kam erst in den 50ern. Vermutlich, damit man neue Klamotten verkaufen konnte, denn die “alten Kleider” waren ja nicht aufgebraucht. Die waren ja immer nur zu Familienfeiern aus dem Schrank geholt worden.

  3. Ein sehr gut zu lesender und passend bebildeter KurzEssay zum modernen “Farbenmißbrauch”.

    Wo die Kirchen und Religionen an Bedeutung verloren haben, wird die Lücke von selbsternannten und machtstrebenden “Propheten” gefüllt, die uns endlich auf allen Medien sagen, wie wir Denken, Fühlen und uns verhalten sollen …

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