Phantome verbieten

Ein Schweizer Autor steht neuerdings unter EU-Sanktionen – Reiseverbot, Arbeitsverbot, Geldausgabeverbot, Allesverbot – weil er im russischen Fernsehen präsent gewesen und russische Desinformation verbreitet habe. Schönheitsfehler: Hat er nicht. War er nicht. Da er in Brüssel lebt, kann er nicht mal zurück in die Schweiz.

Der Mann mit der orangenen Locke hat die “Antifa Ost” als terroristische Organisation eingestuft und unter Sanktionen gestellt. Alle, die was mit ihr zu tun haben, kriegen mit ihm Ärger. Schönheitsfehler: Es gibt keine Organisation “Antifa Ost”. Weder terroristisch noch sonstwie. Das ist ein juristisches Konstrukt deutscher Ermittlungsbehörden im Zusammenhang mit verschiedenen Prozessen gegen Militante. (Generell ist der Herr spezialisiert auf die Erfindung von ganz bösen Gegnern. Zum Beispiel das “Cartel des los Soles” – ein Drogenkartell, das selbst dem obersten Drogenbeauftragten der UN bislang als relevante Drogenverteilinstitution unbekannt ist.)

Die deutsche Genossenschaftsbank GLS hat nun das Konto der “Roten Hilfe” gekündigt. Nicht, dass die zu dieser gar nicht existenten “Antifa Ost” gehören würde. So halt. Weil sie ja schon mal Rechtshilfe für Antifa-Aktivisten geleistet hat. Die Sparkasse fand das einleuchtend und hat das auch gemacht. Jetzt ist die “Rote Hilfe”, die schon einige Stürme überstanden und bisher ideologiefrei auch Gewerkschafter, Friedensaktivisten, Klimaschützer und Sozialisten unterstützt hat, vor dem “Aus”. Sie befindet sich damit in der Tradition ihrer Vorgängerin, der “Roten Hilfe”, die nach dem 1. Weltkrieg von der KP gegründet und dann von den Nazis zerschlagen wurde.

Die GLS-Bank hat vorher schon der DKP ohne Angabe von Gründen die Konten gekündigt. Wohl weil Trump alle sanktioniert, die fehlerfrei “Kuba” schreiben können.

Aber nicht nur am linken Rand wütet das “Debanking”. Auch bei den “Populisten”, “Rechtspopulisten” und “Rechtsextremen” ist es in Mode gekommen, die Konten zu kündigen, anfangs noch heftig beklatscht von denjenigen, die es jetzt auch erwischt hat.

Und was passiert? Die “Rechten” jubeln jetzt, dass es auch die “Linken” erwischt hat. Knüller.

Niemöller fand anfangs die Nazis total knorke, nur dass sie auch in die evangelische Kirche reinregieren wollten, das war nicht so sein Ding. Da saß er nämlich selber drin. Schließlich haben sie ihn doch erwischt und er saß von 37 bis 45 hinter braunen Gittern. Das hat dann eine berühmte Einsicht bei ihm gefördert:

Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler.
Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.

Wenn der Herr Niemöller seinerzeit sich ein anderes Zitat zu Gemüte geführt und beherzigt hätte, dann wäre es vielleicht nicht so weit gekommen:

Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden

Rosa Luxemburg. Ist jetzt nicht die Art Lyrik, die man im Theologiestudium durchnimmt.

Aber vielleicht sollte das mal wieder in Erinnerung gerufen werden. Man muss die Äußerungen der anderen ja nicht gut finden. Und man muss auch nicht zuhören. Niemand muss sich mit Anarchisten oder dem BSW an einen Tisch setzen. Aber die sollten ihre Meinung äußern dürfen. Und, von mir aus, auch ihre “alternativen Fakten”.

Und zwar ohne dass ihnen hinterher die Konten eingefroren oder gekündigt werden.

3 Replies to “Phantome verbieten”

  1. >>> Aber die sollten ihre Meinung äußern dürfen. Und, von mir aus, auch ihre „alternativen Fakten“. <<<

    Für meinen Bedarf sehe ich – bei uns – selbst in seriösen Medien mehr als genug Raum, „alternative Fakten“ zu verbreiten. Teils von den Entwicklern dieser Gedanken selbst vorgetragen, oder weil man sich mit den daraus bereits entstandenen Folgen für die Gesellschaft auseinandersetzen muss.

    Mich erinnert das an Erich Böhme, ich mache ihm da keinen Vorwurf, als er sich in der Diskussion mit Jörg Haider schwer verhoben hat.

    Wenn man mal so durch die Lande zieht, dem einfachen Volk aufs Maul schaut, nicht sofort das Wort ergreift und für die eigenen Überzeugungen eintritt, dann merkt man sehr schnell, dass da nicht von ein paar schrägen Vögeln alternative Fakten diskutiert werden, sondern darauf hin gefiebert wird, allem was nicht ins eigene Weltbild passt, auf die Mütze zu hauen.

    Was man zunehmend hört ist, dass eine Demokratie das aushalten muss. Man die ja mal mitregieren lassen könnte, man könnte ja dann beim nächsten mal wieder was anderes wählen.

    Könnte man? Wenn die andere Seite als erstes mal gleich Richter tauscht deren Befugnisse einschränkt und Leute die anmerken, dass das gar nicht legal ist niederknüppelt oder mit Repressalien belegt. Hat schon mal nicht funktioniert und die Welt lag in Trümmern.

    Uneingeschränkte Meinungsfreiheit. Wie das aussieht, kann man im Fratzenbuch sehen. Das Problem sind nicht ein paar Spinner, die man mal lustig auf offener Bühnen zu Schau stellen kann. Das Problem ist, dass große Teile der Bevölkerung, dass ziemlich geil finden. Es wird Zeit, dass man die Dinge auch mal beim Namen nennt. Wer Extremisten wählt, der weiß was er tut. Das sind keine Protestwähler, das ist kein Mangel an Bildung oder Frust über die eigene schwierige Situation. Einfach mal lesen, was der eigene Nachbar so im Netz verbreitet, nicht anonym, sondern unter seinem Namen mit seinem echten Foto im Profil.

    Viele Journalisten meinen ja noch, dass sie verpflichtet sind neutral zu berichten und jeder Strömung Raum zu geben, selbst dann noch, wenn sie selbst am Rande von Demonstrationen krankenhausreif geschlagen werden. Ich weiß nicht, wo man die rote Linie ziehen will und wer da noch durchsetzen will, dass diese nicht überschritten wird. Die Würde des Menschen ist ja offensichtlich nicht mehr der Maßstab. Ich glaube nicht, dass ich meinen Großvätern erklären könnte, warum man heute Faschisten und Stalinisten so viel Raum einräumt. Die hatten ihre Chance und jeder weiß wozu das führt. Da braucht es keine Experimente. Sonst bekommt man genau das, wie im Beitrag von Reinhard beschrieben und das ist dann erst der Anfang von etwas, was sich kaum noch aufhalten lässt. Aufklärung durch die – freie – Presse wird dann nicht mehr funktionieren, denn die gibt es dann nicht mehr. Wenn das Volk gegen die eigene Presse hetzt, dann liegt das Kind schon im Brunnen. Wieviel Meinungsfreiheit für den Pöbel denn noch?

    1. Deine Abqualifizierung von Menschen, deren Meinung Dir nicht passt, als “Pöbel” ist eine Meinungsäußerung, die ich nicht gutheißen kann.

      1. Reinhard, es ist bemerkenswert über wieviel Toleranz Du verfügst.

        Da kann ich nicht – mehr – mithalten. Wenn sich mittlerweile recht große Teile der Bevölkerung bewusst gegen alles stellen, was noch einen Rest an Mitmenschlichkeit ausmacht und nur noch mit Hass und Hetze argumentiert wird, dann fällt es mir schwer von diesen Leiten auch noch Vorwürfe zu akzeptieren, dass sie sich aus der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen.

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