Life Boats in Strandby

Ich hatte die Life Boats ja im Artikel über Frau Norheim schon kurz angesprochen. Hier nun mal eine Ansicht aller drei Boote im Hafen von Strandby. Die Boote sind jeweils 12 Meter lang, drei Meter über der Wasserlinie hoch, wiegen 20 Tonnen, haben einen guten Meter Tiefgang und jeweils Elektromotoren mit 29kW, die ihnen eine Geschwindigkeit von 4 Knoten verleihen. Sie haben CE-Zeichen und haben eine Seetüchtigkeitsprüfung.

Und sind aus Stahlbeton.

Das ist jetzt nicht so die revolutionäre Technik, schon im 19. Jhd wurden Betonschiffe gebaut. Es geht hier aber vor allem um Kunst. Die drei Schiffe stellen die drei Phasen im Leben einer Frau dar: Vorne Sehnsucht, dahinter Schwangerschaft, dahinter Alter. Das letzte Boot ist beladen mit “Erinnerungen”. Mit verschiedenen Frauenfiguren.

Diese Figuren sind sehr “flach”, wie man sieht. Das hat mit Gewichtsersparnis zu tun, denn ursprünglich waren die Figuren voll ausgeformt. Diese Figuren gibt es noch, sie stehen im Studio in der Nähe von Hirtshals und sie sind ausgesprochen beeindruckend. Der Trick dabei ist: es sind keine generischen Figuren, sondern Porträts realer Frauen. Ja, natürlich stilisiert und sehr grob – die Originalstatuen im Studio sind weit feiner ausgearbeitet und brutal lebendig – aber nichtsdestotrotz sehr ähnlich.

Zu jeder Statue gibt es Biografie und einen Namen. Das im Vordergrund ist Arlette Andersen. Häftling Nummer 74853 in Ausschwitz. Französische Jüdin, geboren 1924 in Paris. 1942 in Clermont-Ferrant verhaftet und nach Ausschwitz gebracht. Kurz vor dem Kriegsende wurde sie mit 60.000 anderen auf einen Marsch nach Ravensbrück gesetzt, wo sie von der Roten Armee befreit wurde. Ab 1990 hat sie von ihren Erlebnissen erzählt.

Dahinter ist Camila Isanovic. Geboren 1942 in Bosnien-Herzegowina. Wurde 1993 aus Foca vertrieben und landete über Umwege in Dänemark, wo sie in Varde eine neue Heimat gefunden hat. Ihr Mann starb 2013, ihre beiden Kinder leben ebenfalls in Dänemark.

Dahinter Midori Fischer, geboren 1942 in Tokio, mit einem Dänen verheiratet und in Dänemark als Übersetzerin tätig.

Tran Thi Hoa. Geboren 1935 in Nordvietnam. Lebte zur Zeit des Baus der Live Boats in Aalborg. 13 Kinder, 39 Enkel, und 3 Urenkel. Zehn ihrer Kinder verließen Vietnam als Bootsflüchtlinge. Die meisten leben in Dänemark, einige in Belgien und den Niederlanden. Die Familie ist katholisch. Die Familie hatte in Saigon einen Schweineschlachtbetrieb mit sechs Angestellten und kam mit dem kommunistischen Regime nach 1975 nicht klar. Sie bestachen die Beamten, schimpften über das “korrupte Regime” und versuchten, alle ihre 13 Kinder per Boot außer Landes zu bringen als 1978 eine Einberufung zum Militär drohte. 10 der Kinder schafften es. Tran und ihr Mann zogen 1987 nach Dänemark. Tran hat nie dänisch gelernt, fühlt sich aber in Dänemark wohl.

Marit Benthe Norheim und Ann-Dorte Christensen haben über den Bau der Boote und den Hintergrund der Figuren ein Buch gemacht: “A Shipload of Women’s Memories”. Erschienen bei Aalborg University Press, leider habe ich keine Bezugsquelle dafür gefunden und meines gebe ich nicht her. Es gibt einen YouTube-Vortrag, wenn man mehr wissen will.

2 Replies to “Life Boats in Strandby”

  1. Hallo Reinhard,

    kennst du httpx://justbooks.eu?

    Vielleicht hilft dir das weiter.

    VG
    Claus

    (Direkte Links entfernt)

    1. Justbooks kenne ich. Und zwar sogar besser als viele andere, weil ich seinerzeit, als es die noch gab, in der gleichen Branche tätig war. Nur – die gibt’s eben in dem Sinne nicht mehr. Die Domain Justbooks gehört mittlerweile einer amerikanischen Firma und hängt sich vor allem an Bezos Bude an. Die europäische Antiquariatssuchmaschine ist das hier: http://www.eurobuch.com. Und siehe da, Medimops hat das Buch gerade für 19,13 auf Lager.

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