Kann sich noch irgendjemand an den 10.5.1991 erinnern? Nicht? Da wurde Helmut Kohl von Demonstranten aus der SPD (!) mit Eiern beworfen. In Halle. Und anstatt, dass er sich, wie erwartet, hinter Regenschirmen und Security versteckte, durchbrach er die Kette der eigenen Sicherheitsbeamten und marschierte auf die Eierwerfer zu. Das Foto dieser Szene ist im besten Sinne “ikonisch” geworden. Und natürlich gab es davon auch Dutzende andere Bilder, inklusive tropfendem Eiweiß.

Von den Eierwerfern wurde nur einer erkannt, nämlich Matthias Schipke, der auf Fotos und Videos der Szene deutlich erkennbar ist, weil er auf der Schulter eines anderen saß. Schipke wurde verhaftet, aber wieder freigelassen. Weil.

Weil Kohl keine Anzeige erstattete.

Schipke ist vor Jahren aus privaten Gründen nach Skandinavien gezogen und sieht seine Aktion von damals mittlerweile differenziert.

2009 ist etwas anderes passiert, das mittlerweile auch Eingang in die Wikipedia gefunden hat: Die “Sache mit der Milch” in Trautmannshofen. Damals haben die Landwirte für einen höheren Milchpreis gekämpft und immer wieder demonstrativ Milch weggekippt. Bei einer solchen Aktion war 14.9.2009 Alois Karl (CSU) anwesend, seines Zeichens Ex-Bürgermeister von Neumarkt/Opf und Mitglied des deutschen Bundestages.

Das hier ist Alois Karl beim politschen Aschermittwoch in Schwarzach, 2007. Also sozusagen bei der Arbeit. Alois Karl hat nicht nur im Bundestag gelegentlich für gute Laune gesorgt, sondern auch bei dieser Veranstaltung: “Begeistert berichtete er von der Rede des Ministerpräsidenten in Passau, die dieser ganz ohne “Aussetzer” gehalten habe. Früher hätten ihn nur seine ganzen “Berater” so nervös gemacht, dass er “nicht mehr geradeaus denken” hätte können. Die CSU sei nun erst am Anfang, tönte er. Die Wittelsbacher hätten 700 Jahre regiert, da hätte die CSU noch ein paar Jahre vor sich. Doch Bayern sei sowieso “keine richtige Demokratie”. Als Beleg für die boomende Bauwirtschaft erzählte er gar, dass im letzten Jahr sogar das Styropor in Neumarkt ausverkauft gewesen sei. Das sei seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr passiert. Womit der Ex-Bürgermeister richtig liegt: Styropor wurde nämlich erst 1951 erfunden.” (Neumarkter Nachrichten 23.2.2007)

Und das hier ist Regine Lehmeier, 2001 auch bei der Arbeit. Im Stall. Die war 2009 auch in Trautmannshofen, schwer bewaffnet mit einer Milchkanne. Und die kippte sie Herrn Karl “versehentlich” nicht vor die Füße, sondern über die Hose. Die Milch von Frau Lehmeier hat zwischen 3,5 und 4% Fettgehalt, wenn man da im Spätsommer keine Ersatzhose dabei hat, dann wird das auf die Dauer unangenehm – und Herr Karl musste an dem Tag noch eine Rede halten. Karl revanchierte sich spontan mit einer sogenannten “Rennschelln”, so daß Frau Lehmeier noch Tage der Kopf dröhnte. Im Nachgang ermittelte die Polizei und schließlich gab es gegenseitige Anzeigen. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen Herrn Karl ein, weil er “durch die Berichterstattung bereits ausreichend bestraft wäre”. Im Gegenzug zog Herr Karl seine Anzeige zurück. Frau Lehmeier verzichtete auf eine Zivilklage, weil der im Raum stehende Aufwand zu hoch gewesen wäre.

Auf jeden Fall verlief die ganze Sache ohne größeres Aufsehen im Sande. Niemand wurde im Bademantel verhaftet und auch der Stall bei Lehmeiers wurde nicht durchsucht.

Ach ja: 2009 war Horst Seehofer Ministerpräsident, nicht Stoiber.

Und auf meinen Bericht vom Aschermittwoch habe ich damals richtig, richtig Ärger gekriegt. Nicht von Alois Karl, sondern von MdEP Albert D. Dessen Büro hat dafür gesorgt, dass ich aus der Politikredaktion geworfen wurde. Nicht weil ich was Falsches geschrieben hätte, sondern weil er das, was er gesagt und was ich korrekt zitiert hatte, gar nicht so gemeint habe. Als dann ein paar Jahre später Wulff gejagt wurde, weil er bei der Bild eine freundliche Berichterstattung angemahnt hatte, haben sich alle, die sich auskannten, gewundert, warum das auf einmal ein Skandal war. Das war seit Jahren völlig normal.

Nun ist die Wahl rum, der Vizekanzler, der mit harter Arbeit dafür gesorgt hat, dass es nicht noch schlimmer wurde, ist bald Geschichte und wir bekommen vermutlich eine Vizekanzlerin. Und ich bin sicher, sie wird auch hart daran arbeiten, dass es nicht noch schlimmer wird. Nach ihrer bisherigen persönlichen Leistungsbilanz (Strafanzeigen: 0) brauche ich aber immerhin keinen Bademantel an die Tür hängen. Und das finde ich ziemlich cool. Eier werfen ist trotzdem kein vernünftiger Umgang miteinander.

Und ein Tipp. Streulichtblenden helfen auch gegen querfliegende, landwirtschaftliche Produkte. Wenn man selbst öfter Ziel ist, vielleicht über die Verwendung eines hochwertigen “Schutzfilters” nachdenken. Hat man rohes Ei auf der Linse, keinesfalls mit Spülmittel entfernen. Das Spülmittel kriecht hinter die Dichtungen ins Innere der Optik. Das Zeug grob mit Mikrofasertuch entfernen, dann mit Alkohol vorsichtig nachputzen.

4 Replies to “Eier und Milch”

  1. 1982 war ich Soldat in Engstingen. Vor der Kaserne gab es Osterdemonstrationrn gegen unsere taktischen Lance Atomraketen.
    In der Küche gab es ein paar hundert zu harte Eier!
    Die haben wir beim Frühstück in Richtung Küche geworfen.
    Als Resultat mußte die Wand renoviert werden und es gab ein paar Verletzungen beim Küchenpersonal.
    Von der Presse gab es nur Berichte zur Osterdemonstration. Unsere militärische Revolution wurde zensiert…

    LG Panomatic

    P.S. und die Moral von der Geschicht, harte Eier wirft man nich ins Gesicht…

  2. >>> … und wir bekommen vermutlich eine Vizekanzlerin.<<<
    Anke und Manuela als Landesmütter wird man dafür nicht begeistern können. Franziska kann jeden Job und ist eigentlich immer auf dem Sprung – stand aber während ihrer Zeit im Kabinett Mutti sehr nahe.

    Na, ich lass mich da mal überraschen. Ansonsten ist eine Menge Personal verschlissen worden und da wird es überhaupt interessant, wie man denn den Proporz zu halten gedenkt.

    Ansonsten reicht auch ein stürmischer Tag auf dem Meer und Du hast so ein Zeugs auf der Linse, was sich partout nicht wegputzen lassen will. Ich werfe dann immer einen Stapel Schutzfilter ins Spüli.Ist aber trotzdem eine ziemliche Sauerei.

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