Am Brunnen…

Heute mal was ganz anderes. Das oben ist ein historisches Foto von Rocksdorf 18 – ein Ausschnitt, weil das ganze Foto natürlich auch das ganze Haus zeigt. Das Foto dürfte so ein etwa Ende des 19 Jahrhunderts entstanden sein und zeigt wohl die Familie Wurzinger, der damals der Hof gehörte. Da die direkte Linie nach dem zweiten Weltkrieg ausstarb, gibt es auch niemand mehr, den man danach fragen könnte.

Mir geht’s hier aber nicht so sehr um die Damen und Herren und die damaligen Probleme mit der Frauenquote. Es geht um den Brunnen links. Als ich das Haus seinerzeit erwarb, gab es von dem Brunnen nur noch ein Betonplatte. Mittlerweile habe ich wieder eine Bruchsteinmauer außenrum hochgemauert, aber so einen kitschigen Kurbelbrunnen, wie man ihn für ein paar Euros als Fertigbausatz kriegt, wollte ich auch nicht draufsetzen. Ich wollte ja tatsächlich Wasser aus dem Brunnen holen – das hat nämlich Trinkwasserqualität. Aber wie geht das stilecht? Na klar – mit einem Schwingbaumbrunnen wie hier im Bild. Aber wie baut man sowas? Eine Recherche im näheren und weiteren Umkreis ergab: sowas gibt’s nicht mehr. Nicht mehr in Betrieb. Nicht in Nordbayern. Eigentlich habe ich in ganz Deutschland keinen gefunden, der so ein Ding noch in Betrieb hat. Wenn ihr einen Verrückten wisst, lasst es mich wissen.

Entsprechend ist es nicht ganz ohne, so ein Trumm zu berechnen. Denn so, wie das Anno Schnüffz war, geht nicht mehr. Aus Gründen. Weil sich der Grundwasserspiegel verändert hat. Weil die Brunnenöffnung durch die Betonplatte kleiner geworden ist. Mit der Latte auf dem Bild kommt man mit Müh und Not und Eimer noch an die Wasseroberfläche. Ein paar Wochen Trockenheit und man sitzt auf Demselben.

Also Recherche nach einer Berechnungsformel. Nada. Es gab wohl mal eine Exceltabelle. Aber das Internet hat schon weit mehr vergessen, als man sich träumen lässt. Also uralte Geometriekenntnisse wieder ausgegraben, die Tiefe des Brunnens ermittelt, die Wassertiefe ermittelt, und siehe da: die Pfostenhöhe und die Abstände ergeben sich automatisch.

Also Loch gebuddelt. Pech: nach 40cm auf eine mittelalterliche Grundmauer gestoßen. Gut. Kann auf einem alten Burggelände passieren, also das Loch auf der anderen Seite gesetzt, da klappt’s, nachdem man durch die Brandschicht aus dem 30-jährigen Krieg durch ist.

Als Pfosten habe ich eine ehemalige Lärche vom Grundstück erkoren, die ich vor ein paar Jahren nach Borkenkäferexodus habe fällen müssen.

Wenn das nächste Seminar in Rocksdorf stattfindet, wird der Schwingbaumbrunnen dann wieder Wasser fördern.

9 Replies to “Am Brunnen…”

  1. Hallo Reinhard,

    ist es möglich, dass du ein Schwarzweiß-Foto vom Haus machst – aus derselben
    Perspektive wie beim Titelfoto – um ein Vorher-Nachher-Vergleich (immerhin
    mehr als ein Jahrhundert Unterschied) sehen zu können?

  2. Wenn ich mir die Konstruktion so ansehe, der schöpft nicht, der pumpt. Da ist der Arm mit Seil dran zum Ziehen des Kolbens, der unten Wasser saugt und mit Ventil in den Schaft hoch zieht. Sowas kommt leicht mit einem Meter Hub aus um höher zu heben.

    1. Treffer. Du hast recht. Das Ding ist ne überdimensionale Schwengelpumpe. Und das gebaute Ding drunter ist kein Brunnen, sondern ne Viehtränke, die nur aus praktischen Gründen über den Brunnen gebaut wurde. Danke! Man muss nur mal nen Fachmann fragen.

      1. Das Brett mit den Latten drauf könnte zum Wäsche waschen benützt worden sein. Da rinnt das Wasser schön breit drüber, wenn man pumpt.

    2. Es gibt eine Doku aus der Reihe “Der letzte seines Standes” auf YT über einen alten Brunnenbauer. Da kann man sehen, wie eine solche Pumpe mit einfachen Materialien (Holz, ein Lederstück und ein paar Nägel) gebaut wird. Eine simple, aber funktionelle Konstruktion. Ohne die Erfahrung eines Meisters wirds aber schwierig.

  3. Bei Fragen zum Brunnen kann evtl. das Freilandmuseum in Bad Windsheim weiterhelfen. Aber aufpassen, nicht dass sie gleich das ganze Haus einpacken und mitnehmen.

  4. Interessantes Vorhaben, viel Erfolg dabei.
    Dass Helge einen guten Ansatz veröffentlicht, das wundert mich nicht.

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