Primärquellen

In letzter Zeit fällt mir immer öfter auf, dass bei Artikeln “Primärquellen” eingefordert werden. Nicht nur bei mir, sondern auch bei renommierten Journalisten. “Wo ist der Link auf die Primärquelle”. Und dann kommt die “Quellenkritik” – denn manche Quellen gelten als nicht satisfaktionsfähig, und andere als zuverlässig – piepegal, ob die nachweislich Unfug oder sogar blanke Lügen geschrieben haben.

Besonders lustig ist es dann, wenn die “zuverlässige” Primärquelle sich auf “Geheimdienstkreise” oder “mit der Sache vertraute Personen” beruft. Die Primärquelle also selbst ihre Quelle nicht angibt.

Absurd ist das bei der Wikipedia – wenn man da eine Information unterbringen will, von der man sicher weiß, dass sie stimmt – dann bedeutet das noch lange nicht, dass die auch freigeschaltet wird wenn man keine Quelle angeben kann. Das hat zu der Situation geführt, dass der Autor Wolf-Dieter Roth für tot erklärt wurde, weil jemand anderes gleichen Namens gestorben war – es gab eine Todesanzeige als Quelle. Es hat ne ganze Zeit gedauert, bis das geändert wurde, weil die Mitteilung “Ich habe gerade mit ihm telefoniert, ist ziemlich unwahrscheinlich, dass er tot ist.” nicht durch Quellen belegt war.

Entsprechend ist der Weg einer Information interessant. Was ist eine zuverlässige Primärquelle? Heutzutage gelten ja selbst Videomitschnitte von Reden unserer Politiker nicht mehr als zuverlässige Quelle – denn da könnte ja was aus dem Kontext gerissen sein. Der Hinweis “unser/e SpitzenpolitikerIn XYZ hat gesagt – kuckst Du Video” kann bereits unzulässige feindliche Propaganda sein.

Ist ein übersetztes Interview mit einem japanischen Manager eine zuverlässige Quelle? Offensichtlich nicht, denn Vertreter von OMDS teilten irgendwann mit, das mit der “Wow-Kamera” sei lediglich ein Übersetzungsfehler gewesen. Oder ist diese Mitteilung wiederum nicht aus einer zuverlässigen Primärquelle?

Ich habe in meiner Zeit als Lokaljournalist ein Lehrstück verpasst bekommen, wie man mit Quellen umzugehen hat. Ich wurde von einem grünen Lokalpolitiker auf eine Tour zu Biberdämmen mitgenommen, die mit Bulldozern zerstört worden waren. Man sah die Reste, die Spuren der Raupenketten, die Spuren von Baggerschaufeln. Das konnte man sehen und fotografieren. Habe ich gemacht. Und einen Artikel geschrieben. Veröffentlicht wurde dann eine bearbeitete Version, in der alle Dinge, die ich persönlich gesehen hatte, dem Lokalpolitiker in den Mund gelegt wurden. Aus “Der Biberdamm wurde mit einem Kettenfahrzeug zerstört” wurde “Der Lokalpolitiker erzählte, dass der Biberdamm mit einem Kettenfahrzeug zerstört wurde”.

Aus einer Primärquelle – mir – wurde also bewusst eine Sekundärquelle gemacht. Der Grund? Wenn’s schiefgeht und sich der Bürgermeister, der die Zerstörung beauftragt hatte, beschwerte, konnte man’s auf den oppositionellen Grünen schieben.

Ich arbeite anders. Ich bin hier Primärquelle. Ich teste selbst und stehe dazu. Gelegentlich bekomme ich Informationen, prüfe sie und gebe sie entweder hier oder beim FolyFos weiter. Auch da bin ich Primärquelle, weil ich meine Quellen meistens nicht offenlege – Quellenschutz nennt man das. Demzufolge gebe ich keine Links an und es ist wie bei den “Mainstreammedien” die ebenfalls behaupten, sie hätten “aus gewöhnlich gut informierten Kreisen” ihre Informationen. Euere Aufgabe ist dann, selbst zu entscheiden: Schluck ich das, oder ist mir das dann doch zu schräg. Eure Entscheidung.

Ich kann hier nur eines machen: versuchen, so ehrlich wie möglich zu berichten. Ich bin hin und wieder bei Fehlern erwischt worden – die habe ich korrigiert. Aber ich denke, ich habe hier noch nie gelogen. (Ausnahme: der jährliche Aprilscherz.) Und wenn irgendwo in den Archiven Zeug schlummert, wo mein Name drauf steht und Lügen drin sind, dann hatte da irgendein Lektor oder Redakteur die Finger drin ohne mich zu fragen. (In irgendeinem Buch habe ich “Oberwerth-Kamerataschen” empfohlen. Ich hatte nie eine in der Hand. Den entsprechenden Absatz hat mein Herausgeber reingebaut ohne mich zu fragen.)

Das Foto ganz oben? Die Sophienquelle bei Altdorf….

6 Replies to “Primärquellen”

  1. Dieser Artikel ist wahrscheinlich die Vorbereitung auf etwas sensationelles am kommenden Samstag.
    Also Vorsicht und glaubt am Samstag nicht der prima Primärquelle

  2. gibt schon Gründe warum ich hier lese …
    und mich gelegentlich zu Wort melde

    mach bitte so weiter

  3. gibt schon Gründe warum ich hier lese …
    und mich gelegentlich zu Wort melde
    außer am 1. April
    mach bitte so weiter

  4. Beim Ausschmücken erwischt. 😀 Es hat nicht Jahre gedauert, sondern Wochen. Auch heftig genug. Aber sehr deutsch.

    Gravenreuth hat sowas übrigens mal abgemahnt (Nein, ich habe nicht Tausende abgemahnt, sondern vielmehr Hunderte”…).

    Aber inzwischen erfinden KI ihre Quellen ja zu Fake-News gleich dazu. Einem britischen Journalisten ging es so ähnlich vor einigen Tagen, nur nicht mit Wikipedia, sondern mit ChatGPT. Da wollte er eine Biographie von sich abrufen und die endete mit seinem Tod und einem gleich mitgefakten, natürlich nicht funktionierenden “Beleglink” auf sein eigenes Medium.

    Also wunder Dich nicht, wenn bald ein (ungültiger) Link auf Dein eigenes Blog belegen soll, daß Du gestorben bist… :-/

    (“Glaube keiner Quelle, die Du nicht selbst gefälscht hast….”, um ein Chrurchill-Zitat angepaßt zu zitieren, das auch nicht von Churchill stammt…)

    1. Mea maxima culpa. Das Gedächtnis – ich habe meine eigenen Einträge in der Wikipedia nachgelesen und da schreibe ich tatsächlich von zwei Wochen. Korrigiert war es nach zwei Tagen, es haben die Admins nur nicht freigeschaltet.

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