Wenn man eine Kriegsanleihe auflegen will, wie nennt man die? Klar, Friedensfazilität. Und wenn man eine Möglichkeit schaffen will, Leute so umfangreich wie möglich auszuspionieren? Klar, “Trust-PID”.

Orwell hat sich geirrt, Um etwa 40 Jahre.

Gerüchte besagen, Orwell ist auf seinen Roman gekommen, als er gemerkt hat, dass man ein Wettbüro nur “Versicherungsgesellschaft” nennen muss und schon ist es respektabel.

Die deutschen Telefongesellschaften sind auf jeden Fall auf eine Suuuuuper-Idee gekommen, wie man den Wildwuchs der Cookie-Banner erledigen kann, ohne die damit verbundene Spionage sein zu lassen. Man baut einfach eine Art “Super-Cookie”, das zentral gespeichert wird und wo sich jeder zentral die Infos für die Werbung holen kann, die dann dem “Kunden” ausgespielt wird.

Das hat mehrere unschätzbare Vorteile. Zentrale Datenhaltung – man hat eine Liste aller deutschen Internetuser, die zu vertrauensselig sind, das Zeug zu lesen, dem sie zustimmen. Denen kann man also absolut jeden Mist verkaufen.

Man kann diese Liste gegen Geld anderen Werbetreibenden zur Verfügung stellen, die dann nicht mehr mit Cookies nerven müssen, weil die Kunden ja schon der “TrustPID” zugestimmt haben. Und jeder Anbieter, der mitmacht und seine Klickergebnisse reportet, macht die “TrustPID-Liste” wertvoller.

Die FAZ macht das jetzt schon, wer also zustimmt, dessen Vorlieben kann in Zukunft die örtliche Partei abgreifen und ihm genau das zuspielen, was er in der FAZ bevorzugt gelesen hat.

Wir haben es also nicht mehr mit einzelnen Nervern zu tun, sondern mit einer ganze Bande, die ihre Infos austauschen. Da stimmt wieder der alte Spruch: Es ist keine Paranoia. Sie sind wirklich hinter Dir her.

Was kann man dagegen machen? Alle Anbieter, die um eine “TrustPID”-Zustimmung betteln, konsequent ignorieren. Denn noch fragen sie nach. Irgendwann werden sie das nicht mehr tun und sobald man einmal freiwillig oder unfreiwillig zugestimmt hat, ist man auf der Liste und kommt nicht mehr runter.

Wie gesagt – das Problem ist vor allem, dass diese Liste nicht mehr nur vom Anbieter einer Website geführt wird, das Problem ist, dass alle Teilnehmer sich zusammengetan haben. Man gibt sein OK auf der FAZ-Seite und denkt, das war’s. Nein. Auf einmal können alle drauf zugreifen. Ob das Pornoseiten, Dateningportale, Versandhändler oder irgendein Bundesamt ist – der feuchte Traum wird wahr.

Cookies und Tracker waren gestern.

Vertraut auf TrustPID!

Der große Bruder hat immer recht.

Um gleich ein paar Sachen klarzustellen. TrustPID sitzt nicht in der EU, sondern, Überraschung, in England. Warum wohl? Sicher nur ein Zufall. Sie erklären wortreich, dass man ihnen vertrauen kann, darf aber, um an seine eigenen (!) Daten ranzukommen, nicht über das WLAN surfen, sondern muss das ausschalten. Warum dieses? Weil die TrustPID die Telefonnummer mittrackt. Ist natürlich alles voll anonym. An die TrustPID-Einstellungen kommt man auch nur ran, wenn man den Datenschutzeinstellungen zustimmt. Man kann sich dort theoretisch dann auf eine Sperrliste eintragen lassen. Das gab’ schon mal. Nannte sich “Robinsonliste”, um die sich schon vor 20 Jahren keine Sau gekümmert hat. Im Gegenteil. Interessanterweise stellt TrustPID keine Liste der Unternehmen zur Verfügung, die bereits mit TrustPID arbeiten. Wenn das so toll wäre, wie sie behaupten, wäre das doch ein Qualitätsmerkmal…. Oder???????

Nein, ich verwende kein TrustPID. Auf keiner meiner Webseiten.

2 Replies to “No-Trust-PID”

  1. Herzlichen Dank lieber Reinhard für diese interessante Internet-Unterwelt-Information! Obwohl ich mich durchaus für ziemlich informiert halte, hatte ich davon noch keine Ahnung. Ich werde darauf achten und auch dem nicht zustimmen!
    lg, Saint-Ex

  2. Naja, ein Mobilofon kann die Telefonnummer oder IMSI (eindeutige Kennung der SIM-Karte) natürlich auch über WLAN-Verbindungen mitschicken – Telekom und Vodafone interessieren sich ja auch sehr für TrustPID. Wer also nichts von TrustPID hält, aber trotzdem weiter mobil surfen möchte, sollte sich schon mal nach einem vertrauenswürdigen VPN-Anbieter umschauen. Die sind aber ziemlich rar.

    Das Problem ist ja auch weniger der “Wildwuchs der Cookie-Banner”, sondern vielmehr der Umstand, dass die Tage der Third-Party-Cookies, mit denen Internet-Datensammler bisher das Surfverhalten von Web-Nutzern über diverse Sites hinweg verfolgen konnten, gezählt sind. In der nicht allzufernen Zukunft werden die Browser solche Cookies einfach nicht mehr akzeptieren (Firefox und Safari zum Beispiel tun das schon eine Weile nicht mehr, Chrome hinkt noch hinterher), und damit verlieren die diversen Werbe-Netzwerke ihre Existenzgrundlage. Die Werbewirtschaft muss sich also etwas Neues einfallen lassen, und da kommt etwas wie TrustPID natürlich gerade recht – vor allem wenn die Alternative dazu lautet, sich noch mehr von Google, Apple & Co. bzw. deren Cookie-Ersatz-Infrastrukturen abhängig zu machen, als das schon jetzt der Fall ist.

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