E-M1II – Der neue AF

Seit mittlerweile vier Wochen arbeite ich mit der E-M1II nun schon im “täglichen Geschäft”. Ich habe Models, Produkte und Sport damit fotografiert. Das meiste davon ist unspektakulär, es ist eben Alltagsfotografie.

Ich habe in dieser Zeit versucht, den AF zu verstehen.

Ich habe die E-M1II zuerst als simple Weiterentwicklung meiner E-M1 gesehen und den AF auch genauso eingesetzt. Mal abgesehen davon, dass ich gleich in die erste Falle getappt bin – bei C-AF H mit mechanischem Verschluss gibt’s keinen C-AF – habe ich völlig unerklärliche Unschärfen bekommen. Mitten im Shoot weigerte sich das 40-150 Pro auf einmal korrekt scharf zu stellen. Eine Situation, die ich weder mit der PEN-F, noch mit der E-M1 jemals hatte. Die Kamera meldete “scharf” und löste auch aus, aber das Ergebnis war unter aller Kanone – überflüssig zu sagen, dass ich den AF-Punkt korrekt platziert hatte und der Hintergrund  – weiße Hintergrundpappe – wirklich keinen Anlass gab, von der Person davor abzuweichen.

Ich habe dann angefangen, den AF genauer unter die Lupe zu nehmen.

Eine der wichtigen Erkenntnisse war:
– mit mFT-Objektiven und S-AF handelt es sich bei den AF-Sensoren definitiv nicht um Kreuzsensoren. Ein Kreuzsensor ist nur an der Stelle des Sensors empfindlich – und nirgends anders. Mit mFT-Objektiven ist das AF-Feld aber auf der gesamten Fläche aktiv.
– mit FT-Objektiven sind tatsächlich nur die Kreuzsensoren aktiv, die NICHT die gesamte Fläche des Sensors bedecken. Die genaue Länge der Sensorlinien ist nicht bekannt und auch nicht festzustellen, da das Motiv einen bestimmten Anteil des Sensors überdecken muss, damit überhaupt eine Phasendifferenz gemessen werden kann. Eine Erkennung des Motivs findet aber bereits statt, bevor das Motiv die Mitte des Feldes erreicht hat. Es ist also wahrscheinlich, dass die Kreuzsensoren keine einzelnen Sensoren sind, sondern “Sensorlinien”, die sich komplett über den Sensor ziehen und nur, je nach Einstellung der AF-Punkte, stückweise abgefragt werden. Wie lange die abgefragten “Stücke” nun real sind, ist mit meinen Mitteln nicht festzustellen. Man darf hier nicht von den Gegebenheiten bei einer DSLR ausgehen, wo man mittels einer einzelnen Linie am PC die Lage und Länge der Kreuzsensoren exakt messen konnte.

Es ist also Fakt, dass der S-AF der E-M1II mit FT und mFT-Objektiven grundsätzlich verschieden reagiert. Und zwar nicht nur in Details, sondern wirklich grundsätzlich.

Eine weitere wesentliche Erkenntnis ist, dass die Kreuzsensoren der E-M1II anders reagieren als Kreuzsensoren in DSLR-Kameras. Bei diesen ist systembedingt die nähere Kontrastkante die Kante, auf die scharf gestellt wird. “Nearest is best”. Die Kreuzsensoren der E-M1II arbeiten völlig anders. Sie ermitteln die Qualität der Kontrastkante und die Kamera stellt dann auf die beste Kontrastkante scharf. Ob diese vorne oder hinten liegt, ist für die Kamera nicht relevant. Eine Schwarz/weiße Kontrastkante wird jeder anderen Struktur vorgezogen, egal wo diese ist. Eine gut beleuchtete schwarz/weiße Kante wird einem ausgefressenen Lichtreflex auf einer schwarzen Oberfläche vorgezogen, der wiederum einer schlecht-beleuchteten schwarz/weiß-Kante vorgezogen wird, die wiederum Vorrang vor gelockten Haaren hat.
Soweit klar? Kann sich jeder merken?
Und jetzt haben wir erst mal nur einen Kreuzsensor besprochen.
Ist ein mFT-Objektiv montiert, interessiert sich aber die Kamera auch noch für das, was da außen um den Kreuzsensor rum ist. Und da sind Haare wunderbare Kontrastkanten. Sprich: Der AF mit mFT stellt andere Dinge scharf als der AF mit FT.
Eines ist aber sowohl bei FT als auch bei mFT der Fall: Sind die Kontrastkanten gleichwertig, ist es eine Sache des Zufalls, wo der Fokus landet – ob vorne oder hinten.
Nächstes Problem: Die Felder der E-M1II sind jetzt nicht sooo riesig und sie weigern sich, etwas außerhalb des Feldes zur Kenntnis zu nehmen. Wird nun während des Fokussierens gewackelt – entweder vom Fotografen oder vom Model – so dass die Kontrastkante sich verändert so meldet das mFT-Objektiv, das mit Kontrast-AF fokussiert “Fokus erreicht, wird nicht mehr schärfer” – und der Fotograf landet bei einem unscharfen Bild.

Das hört sich so an, als wäre der S-AF mit dem Einzelfeld echt tricky…
Richtig. Der S-AF mit Einzelfeld, meine Standardeinstellung an allen Kameras seit Jahren, ist auf einmal nur noch für Einzelfälle brauchbar. Stills. Landschaft, Makros, Architektur, Food. Sobald es hektisch wird oder sportlich ist der Einzelfeld-S-AF am Ende. Klar, man kriegt noch Fotos, aber die Ausbeute sinkt.

Also alles Mist?

Nö. Olympus hat nämlich allerhand Grips in seinen AF gesteckt, sie erklären nur nirgends so ganz genau, wie das nun funktioniert.

Während früher die Auswahl für 9er oder gar “Alle AF-Felder” wirklich nur für Vögel vor blauem Himmel taugten, ist das auf einmal die sinnvollste Einstellung überhaupt. Bei der Auswahl eines einzelnen AF-Feldes ist die Zuweisung zur Fokuslage “erratisch” – kommt eben auf die Qualität der Kontrastkante an. Je mehr AF-Felder nun aktiv sind, desto genauer kann die Kamera entscheiden, welches Motiv nun am “Nächsten” ist. Und – siehe da – darauf wird scharf gestellt.
Gerade bei FT – Objektiven funktioniert das sauschnell und mit einer ungeahnten Zuverlässigkeit und Präzision.
Bei mFT-Objektiven ist das mit “Allen AF-Feldern” nicht ganz so perfekt, denn – siehe oben – hier wird nicht nur die Entfernung, sondern auch die Kontrastkante ausgewertet. Zudem wird ein Motiv in der Mitte des Suchers gegenüber Motiven am Rand als wichtiger angesehen und deshalb bevorzugt scharf gestellt. Es kann also sein, dass bei mFT-Objektiven der Fokus eher mal auf einem guten Motiv in der Mitte liegt als auf einem näheren Motiv am Rand des Bildes, obwohl das eventuell näher ist. In so einem Fall: 9er-Feld aktivieren oder simpel per Touchfokus auf dem Display scharf stellen.

Aktiv: “Alle Fokusfelder”, Gesichtserkennung “Aus”. FT 35-100. Der Fokus liegt jedesmal auf der Stativplatte des 40-150. Beim 40-150 2,8 wechselt der Fokus von der Stativplatte zum 135er in der Mitte und zurück.

Natürlich gibt es Grenzfälle, wenn es nur um wenige Zentimeter geht, dann kann es auch passieren, das mal auf das hintere Feld scharf gestellt wird, aber im normalen Betrieb ist die Betriebsart “Alle Fokusfelder” verblüffend treffsicher.

C-AF
Für den C-AF gilt im Prinzip gleiches, nur dass man hier mit dem “Clustering” bei “Alle Felder” einen Modus hat, der einem auch noch gleich anzeigt, welche Fokusbereiche gerade in die Ermittlung des AF-Punktes eingehen. Achtung! Beim Cluster werden NICHT die Bereiche der Schärfe angezeigt, sondern die Bereiche, die für die Ermittlung der Schärfe herangezogen werden. Man sieht also, wenn sich der AF zu vergaloppieren droht und kann reagieren. Bei echten Bewegtmotiven ist der C-AF ziemlich zuverlässig, bei Stills kommt es vor, dass der C-AF bei mFT-Objektiven auch mal danebenhüpft, wenn die dort angebotene Kontrastkante besser ist.

Vom Verhalten her gilt beim C-AF gleiches wie beim S-AF – die FT-Objektive halten zuverlässiger am “Nearest is Best” fest, die mFT-Objektive wandern da gerne auch mal davon. Wichtig ist auch hier: So viele Fokusfelder wie möglich aktivieren. Ein Einzel-Fokusfeld bei C-AF ist die falscheste Strategie. Bei entsprechenden Versuchen ist meine Trefferquote selbst mit dem prähistorischen FT 40-150 3,5-4,5 bei gut 95%. Eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang, bewölkt, also bei miesem Licht. Und zwar völlig ohne Anstrengung. Draufhalten, auslösen, fertig. Nur in jeder dritten Serie ist mal ein Fokusausreißer dabei. Wer den Ausschuss am Beginn noch minimieren will, schaltet die Auslösepriorität auf “Aus”, dann kann es halt passieren, dass die Kamera eine halbe Sekunde braucht, bis sie loslegt.

45mm 1,8, Alle Fokusfelder. Wiederholbar legt die Kamera den Fokus korrekt auf das vordere Motiv.

Dadurch, dass der AF extrem von Kontrastkanten abhängt, hängt die Geschwindigkeit des AF sehr stark von gerichtetem Licht ab. Diffuses Licht macht mehr Probleme als gerichtetes, aber schwächeres Licht. Aus diesem Grund tut sich der AF bei einem gleichmäßig ausgeleuchtetem Studio härter, als an einer Bühne mit Scheinwerfern, obwohl die Beleuchtung im Studio eigentlich viel besser und heller ist.

Was aber definitiv sicher ist: Rot ist immer noch böse. Monochrom rote Flächen und Stoffe machen dem AF Probleme. Auch hier ist die Abhilfe natürlich “Alle Felder”.

Bezüglich der verschiedenen FT- Objektive habe ich zwar Stunden in Tests versenkt, die aber nur eines gezeigt haben: Lichtstärke ist alles. Selbst vermeintlich kleine Unterschiede der Offenblende können den Unterschied machen. (Das 14-54 ist besser als das 12-60.) Und der Kontrast-AF der mFT-Objektive kann noch scharf stellen, wenn bei den FTs längst Feierabend ist.

Der Unterschied zur E-M1 ist fundamental:
Beim Einzelfeld ist die E-M1 in einigen Situationen überlegen. Da geht noch ein Fokus, wenn die E-M1II nichts mehr findet. Die E-M1II ist zwar schneller und mit FTs deutlich leiser, aber im Grenzbereich leistungsfähiger ist die E-M1. Sobald man mehr als ein Feld aktiviert, dreht sich das Verhältnis fundamental um. Da sieht die E-M1 kein Land mehr. Bei der E-M1II sitzt jeder Schuss.

45, 1.8 Und nochmal Kerzen. Alle Fokusfelder, die Kamera legt den Fokus auf den Docht der ersten Kerze. Nicht das Glas im Vordergrund liefert hier die beste Kontrastkante, sondern der Docht.  

Zur Praxis:
Solange man mit “Nearest is best” hinkommt, alle Felder aktivieren. In Situationen, in denen man durch irgendwelches Zeug hindurchfotografieren muss, (Schlagzeuger, Vögel im Gebüsch) Einzelfeld. Befindet sich das Motiv stark außermittig oder sind andere, gleich gute Kontrastkanten in der Nähe und auf gleicher Höhe: (Fußball, Handball) 9er oder 5er Feld. Sind einzelne Gesichter in vernünftiger Größe im Bild: Gesichtserkennung.
Nochmal: Die Tipps dienen dazu, bei schwierigen Situationen das Optimum aus dem AF herauszuholen. Es ist natürlich auch möglich, alles mit Einzelfeld zu fotografieren, aber da kann es eben bei schlechtem Licht bisweilen passieren, dass man unerklärlichen Fehlfokus bekommt oder das Objektiv anfängt zu pumpen. Mehr Fokusfelder und das Problem ist behoben. Und ja, es erfordert Umgewöhnung, der Kamera die Kontrolle zu überlassen. Aber probiert’s mal…..

Noch ein kleines Update zur Lichtempfindlichkeit des C-AF. Bei 4EV und Blende 4 ist die Grenze für den C-AF mit Clustering erreicht. Darunter reichen die Belichtungszeiten für den Sensor nicht mehr aus. Abhilfe:  lichtstärkere Objektive. Mit einem 1,8er funktioniert der C-AF entsprechend noch bei 2EV und darunter. Die E-M1 hat hier einen Vorteil. Da der Sensor langsamer ist, kommt sie bei lichtschwachen Optiken etwa einen Lichtwert weiter runter. Allerdings besitzt sie gar keinen C-AF mit Clustering….

Soweit erstmal dazu, für alle die, die in den nächsten Tagen ihre E-M1II bekommen und dann gleich loslegen wollen. Ich schreibe derzeit noch an einer ausführlichen Darstellung, die in das neue oly-e-paper kommen soll, das wird aber noch zwei Wochen brauchen.

Für alle die, die sich nun das Geld für die neue E-M1II sparen und lieber in die Firmware hinter der Kamera investieren wollen, gibt’s noch einen kleinen Tipp – im Januar sind bei einem ziemlich guten Kurs in Rocksdorf krankheitsbedingt wieder zwei Plätze frei. Als Model begleitet uns bei dem Kurs die ganze Zeit Tanja…

Update:
Wie immer – kaum versucht man, komplexe Zusammenhänge zu erklären, gibt es Leute, die das mit Gewalt falsch verstehen wollen. Oder gar nicht.
Dann hier für die, die kein Interesse daran haben, ihre Kamera wirklich zu verstehen, sondern einfache Schlagwörter brauchen:
Einzelfeld: E-M1II in 99% der Fälle besser als E-M1. E-M1 bei wirklich miesem Licht manchmal besser.
C-AF: E-M1II in allen Fällen besser als E-M1, kann aber mit richtiger Verwendung nochmal um mehrere Klassen besser.
Eine “Kontrastkante” ist nicht die Außenkante des Motivs.
Einen einzelnen AF-Punkt muss man genau aufs Ziel richten (wie bisher auch), je mehr AF-Punkte man gleichzeitig aktiviert, desto besser findet die Kamera das Ziel allein.
Ein Auge ist im Allgemeinen eine bessere Kontrastkante als Haut oder Fell
Wer die E-M1II wie die E-M1 verwendet, kann damit wie bisher arbeiten, verschenkt aber einen Großteil des Potenzials.
Jetzt verständlich?

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