Es gibt Dinge, die sind so schräg, dass man sie fast nicht glauben mag. Vor einiger Zeit habe ich einen Artikel über einen unbekannten Maler geschrieben und einige Zeit später meldete sich sein Neffe und gab mir Hintergrundinformationen. Und nun hat sich auch noch sein Sohn aus Schottland gemeldet.
Beide haben natürlich überhaupt nichts mit Olympus oder OMDS oder Fotografie zu tun. Aber ganz offensichtlich ist meine Reichweite größer als ich dachte. Nun habe ich zwei Cousins zusammengebracht, die 70 Jahre lang keine Ahnung von der Existenz des anderen hatten.
Ganz nebenbei haben mir beide sehr viel über Peter Cürlis erzählt – das oben ist übrigens das einzige, existierende Foto von ihm, sein Hochzeitsfoto. Die Stories hätten für einen ganzen Roman gereicht – aber ich nehme hier nur ein paar kleine, nette Anekdoten. (Die Namen der lebenden Personen habe ich geändert.)
Sohn Georg war bis 1971 in der Fremdenlegion. Als er dort entlassen wurde, hat er 8 Monate seinen Vater in Nürnberg besucht. Dieser wohnte damals in einem Haus in der Breiten Gasse und hatte dort auch ein schönes Atelier. Er war damals Stadtrat von Nürnberg, das ist er aber nur geworden, weil er Stadtrat einer kleinen 200-Seelen-Gemeinde war, die von Nürnberg eingemeindet worden war.
Er war damals mit Hildegard Krost zusammen, einer Schauspielerin. Angeblich waren Sie auch tatsächlich verheiratet.
Der Besuch muss recht beeinduckend gewesen sein, weil in der schönen Altbauwohnung alle auf dem Boden auf Kissen herumsaßen. So richtig Künstler-mäßig. Georg Cürlis wanderte dann nach Schottland aus, und änderte seinen Namen in „Curlis“. Wird fast genauso ausgesprochen, nur fehlen halt die Pünktchen.
Cürlis war damals gut in Nürnberg vernetzt und kannte natürlich alle möglichen Honoratioren, die sich anscheinend gerne mit dem Künstler-Stadrat schmückten. Cürlis soff und erzählte dann die unglaublichsten Geschichten.
Er habe seinerzeit an der Westfront mit einer Panzerfaust den ersten amerikanischen Panzer abgeschossen, deshalb hätten die Amis einen Umweg machen müssen.
Er wäre U-Boot-Kapitän von U74 gewesen und habe damals den Hafen von Valletta auf Malta angegriffen. (U 74 war nie vor Malta und die Kommandanten von U74 waren Eitel-Friedrich Kentrat und Karl Friederich. Da Karl Friederich den Untergang von U74 nicht überlebte, Eitel-Friedrich Kentrat aber erst 1974 in Barmbek starb, kann man annehmen, dass er sich an Kentrat anhängen wollte.)
Tatsächlich war er im Krieg beim Wiesbadener Tagblatt (ab 1943 nach dem Zusammenschluss mit dem Nassauer Volksblatt – Amtliches Organ der NSDAP für den Gau Hessen-Nassau- als „Wiesbadener Zeitung“) als Reporter tätig. (Gustav Schellenberg, der Herausgeber, erhielt 1945 Berufsverbot, seine Druckerei wurde beschlagnahmt. 1952 erhielt Schellenberg dann das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.)
Nach dem Tod von Peter Cürlis beanspruchte Frau Krost, seine zeitweilige Lebensgefährtin alle Bilder von ihm. Obwohl sie den Sohn, Georg Curlis, noch aus Nürnberg kannte, behauptete sie, er sei nicht der Erbe, weil er eben Curlis und nicht Cürlis hieß. Da der damalige Lebensgefährte von Frau Krost dem Sohn „unangenehme Mails“ schrieb, hat der klein beigegeben.
Eine von Pitt Cürlis‘ Geschichten: Er habe in Spanien gewohnt und dort ein Bild einer Maria mit Zigarette gemalt. Das habe Franko nicht gefallen, worauf er aus Spanien fliehen musste. Das Bild habe aber den großen Preis von Puerto Pareiso in Höhe von 200.000 Peseten bekommen. Leider konnte er den Preis nicht abholen, also habe er den Preis einem kleinen Fischerdorf vermacht, die daraufhin zwei Wochen lang Fete gefeiert hätten. (200.000 Peseta Ende der 50er entspricht etwa 20.000 heutigen Euro, einen „Großen Preis von Puerto Pareiso“ habe ich nicht ausfindig machen können.)
Laut verschiedener „Biografien“ von Auktionshäusern war er Schüler von Braque und Chagall und hatte längere Zeit in Paris gelebt. Da er kein Wort Französisch sprach ist die Geschichte, dass er Unterricht von den beiden hatte, wohl eher ebenfalls eine Story. Es ist anzunehmen, dass er in Wirklichkeit die beiden Maler lediglich kopiert hat. Die Bilder waren „rauh“ gemalt und hätten den Ansprüchen der Meister nicht standgehalten.
Cürlis überwarf sich mit den beiden Schwestern, die von dem Bruder mit der brotlosen Kunst nichts hielten.
Cürlis hatte Binnenschifferkumpel nach dem Krieg. In Lorsch gab es damals gerade kein Öl zum Braten. Also ist er auf den Trichter gekommen, von seinem Binnenschifferkumpel einen großen Kanister leichtes Maschinenöl zu organisieren, das er dann abfüllen und verticken wollte. Das hat seine Schwiegermutter mitbekommen und verlangt, dass sie das „Bratöl“ bekommt. Cürlis hat das Öl abgegeben, die Schwiegermutter hat ein Feuerchen geschürt und wollte die Bratpfanne anwerfen. Leider ist das Leichtöl fast sofort in Brand geraten….
Peter Cürlis hat an der Uni studiert und jede Menge Feten veranstaltet – Bohemien-Leben eben. Als er eines Tages von der Uni wiederkam, war die Wohnung leer und nur noch eine einzelne Tasse stand am Fenster. Seine Schwager hatten seine Frau und seinen Sohn eingepackt und woanders hin transportiert.
Eine Zeitlang war er in Köln. In einer Wirtschaft am Hohenzollernring gab es 1968 ein tolles Mosaik von Peter Cürlis. Eventuell hieß die Kneipe „Senftöpfchen“, die aber in der Pipinstraße war. Hausnummer unbekannt. Es ist nur bekannt, dass die Kneipe relativ dunkel war.
In der Sparkasse Düsseldorf an der Berliner Allee hing mal ein Bild eines Pierrot von ihm in der Eingangshalle.
Eine Zeitlang hatte er ein Atelier in einem umgebauten Bauernhof in Kalkar.
Schließlich starb er 2008 in der Nähe von Düsseldorf und damals fand dann auch Postum seine letzte Ausstellung in einem Museum in Kalkar statt. Wo seine Bilder abgeblieben sind, ist unklar. Auch sein Grab ist unbekannt.
Diese Biografie beruht auf Erzählungen aus unterschiedlichsten Quellen. Einiges konnte verifiziert werden, anderes nicht. Im Zweifel ist alles mehr oder weniger gut erfunden. Ich fand’s trotzdem spannend.
Spannend, interssant und unterhaltsam auf jeden Fall.
Mein eigenes Leben kommt mir angesichts dieser „Biografie“ gerade unglaublich grau und langweilig vor …