… in seinen Werken nicht zu erkennen ist, dann ist entweder der Mensch nichts wert oder seine Werke sind nichts wert.
Hermann Albert Otto Maximilian Feige aka Ret Marut, aka Bruno Traven.
Nie gehört von dem Mann? Ein bisschen was steht hier.
Mir geht’s aber hier nicht um den Traven – da gibt’s andere Plattformen, die sich mit Literatur und Politik beschäftigen. Es geht um die Aussage, die er vordergründig vor allem darum getroffen hat, um Fragen nach seinen Pseudonymen abzubügeln. Es ist aber eben auch eine Aussage, die bei der Fotografie noch weit essentieller ist als bei Text. Denn es ist weit einfacher jemanden aufgrund seines Schreibstils zu erkennen, als aufgrund seines Bildstils. Denn einen bestimmten Troll erkennt man im Internet oft schon nach ein paar Dutzend Sätzen. Der braucht noch nicht mal besonders elaborierten Code schreiben. Da liegt die Herausforderung im Gegenteil darin, anders zu schreiben, als man denkt.
Bei Bildern ist es andersrum. Auf den Auslöser drücken kann jeder. Aber wie kann man einen Menschen an seinen Werken erkennen und wenn man es tut – welche Rückschlüsse lässt das auf die „Wertigkeit“ eines Menschen oder seiner Werke zu?
Lassen wir mal die Diskussion um „unwerte“ Menschen oder überhaupt den Ansatz, Menschen in „wertvoll“ und „nicht wertvoll“ aufzuteilen. weg.
Hat die Möglichkeit, eine Persönlichkeit hinter einem Werk zu erkennen etwas mit der Wertigkeit eines Werkes zu tun?
Oder: Ist ein Bild „besser“ wenn man dahinter den Fotografen erkennt? Oder, ein ganz anderer Ansatz: spielt es vielleicht überhaupt keine Rolle mehr, ob ein Bild handwerklich „gut“ ist, wenn man dahinter den Menschen sieht?
Es gibt Künstler aller Sparten – Regisseure, Fotografen, Autoren, Maler – die schon zu Lebzeiten dafür bekannt waren, ausschließlich Grütze abzuliefern.
Nach Travens Meinung sind diese „was wert“. Weil die Person hinter dem Werk erkennbar war oder ist. „Nichts wert“ sind Werke, die selbst handwerklich einwandfrei sind, die aber von jedem sein könnten – zum Beispiel auch von einer KI. Gerade deshalb wird die KI ja auch trainiert um Bildstile von Personen zu imitieren.
Ich finde das einen interessanten Ansatz, gerade auch in der endlosen „Kitschdiskussion“.
Manchmal sehe ich hinter Werken einen Menschen, der mir nicht gefällt – weil die Bilder menschenverachtend sind, weil sich da jemand auf Kosten seines Motivs in den Vordergrund drängelt. Nach Traven sind auch diese Werke „wertvoll“ – auch wenn ich sie nicht „gut“ finde. Aber vielleicht ist das genau der Unterschied. Kunst ist Wahrnehmung des Künstlers, Kunst hat keine moralische Komponente. Oder ist auch das wieder sprachlicher Bullshit – ein Spruch, der nur schlau klingen will, aber es nicht ist?
In der Kunst hat man eben alle Freiheiten um sich selbst zu definieren, auch über (subjektiv und/oder objektiv) schlechtes Handwerk. Oder anders gesagt: Macht doch was Ihr wollt, hauptsache Ihr habt Spaß. Das Marketing von OM System würde vielleicht noch ergänzen „aber macht es am besten mit der OM1, das macht am meisten Spaß und liefert die besten und individuellsten Ergebnisse“ 😉
Traven kennt wohl jeder etwas Ältere, allein von der wirklich guten Verfilmung von „Das Totenschiff“ mit Buchholz und Adorf. Ich habe den Roman viel zu früh gelesen, später aber nochmal und damit Traven schätzen gelernt. „Der Karren“, „Der Schatz der Sierra Madre“ – von John Huston verfilmt u.a. Alle haben mich beeindruckt.
Auch wenn man Travens Urteil folgte, ist der Umkehrschluss nicht zwingend: nicht jedes Werk mit Handschrift ist gut, nur weil ein Werk ohne persönliche Note schlecht (austauschbar) ist.
Die Qualität der handwerklichen Ausführung ist für mich ein Aspekt eines wertvollen Kunstwerks. Grütze bleibt Grütze, erst recht, wenn sich die Persönlichkeit des Kochs darin manifestiert, dass die Grütze angebrannt ist.
Ich persönlich verbitte es mir, meine Wertigkeit als Mensch aus meinen Fotos abzuleiten, nur weil das eine oder andere handwerklich gelungen ist und wegen des Fehlens meiner üblichen Fehler nicht ohne Weiteres mir zugeordnet werden kann.
Das ist eben alles nicht so einfach. Es gibt Performance-Künstler bei denen die „handwerkliche Qualität“ diskutabel ist, deren künstlerischer Wert aber außer Frage steht. Ist die gestische Fotografie von Herrn Teufel Kunst oder kann das weg? Die Fettecke von Beuys? Die Ready-Mades? Artist’s Shit?
Russ Meyers hat legendäre Filme gedreht, Tarantino galt lange als Trash, Barbarella, Angriff der Killertomaten oder auch Blairwitch Project. Alles eigentlich Grütze. Aber unvergesslich.
Dass Du empört bist, dass B. Traven Deinen Wert an Deinem „Werk“ misst – vielleicht solltest Du Dir überlegen, ob Du Deine Fotos als „Dein Werk“ definierst. Ich denke, Du bist eher Hobbyfotograf und wirst jetzt nicht Deine Lebensleistung in Deinen Fotos sehen. Oder irre ich mich da?
Hätte ich den Satz ohne Kontext bzw. Kommentar gelesen, hätte ich ihn anders interpretiert. „Der Mensch“ nicht als das jeweilige Individuum sondern der Mensch im umfassenden Sinn – Menschlichkeit, Menschsein, conditio humana… Evtl. auch nur das erste „der Mensch“ im Satz in diesem Sinne, das zweite dann ein Individuum. Sicher, dass es um das Erkennen des Menschen im Sinne seiner individuellen Unterscheidbarkeit von den Mitmenschen geht?
Traven soll das gesagt haben, als er persönlich nach seiner Identität und seinen Pseudonymen gefragt wurde. Wenn man den Menschen hier als Spezies begreift, kriegt das noch mal einen anderen Dreh. Denn ziemlich viele Werke der Menschheit lassen deutlich den Charakter der Menschheit erkennen – leider. Könnte ich gerne drauf verzichten.
Die Aussage könnte ich höchstens an einem Pressefoto festmachen. Krieg, Katastrophe, Menschen in Notsituationen.
Was hat den Fotografen bewogen auf den Auslöser zu drücken?
– Der Auftrag des Journalisten zu berichten
– Die Aussicht auf Auflage/ Quote
– Wie kann das Bild aus der Bilderflut an Grausamkeiten herausstechen bzw. den Betrachter berühren, ohne den Schockeffekt immer weiter zu erhöhen?
– Sind die Ursachen die Geschichte hinter dem Bild aufbereitet? Wenn notwendig auch mit umfassenden Text? Oder wird nur abgeliefert und die Sensationsgier des Betrachters befriedigt?
Zeichnen wir das Pressefoto des Jahres aus, oder das Engagement des Fotografen, der hinter diesem steht? Hat dieser nur draufgehalten oder ist hier soweit es die Situation zulässt noch Empathie für die Opfer erkennbar? Ging es ihm nur ums Bild oder ist es ein Teil seines persönlichen Bedürfnisses den Konflikt oder die Ursachen des Herganges zu vermitteln? Hat er vielleicht auch aus reiner Menschlichkeit heraus auch einfach das Foto nicht gemacht?
Im Bereich Kunst hingegen ist es schwer Handschriften zu erkennen. Die bilden sich mit den Jahren aus, wie die Persönlichkeit selbst. Die können sich auch durch Eindrücke, Erfahrungen und plötzliche Ereignisse relativ schnell ändern. Der Künstler hat nicht selten seine Phasen.
Bei einem Gemälde wird nicht häufig die Biografie des Malers betrachtet und sein Lebensabschnitt bei der Entstehung des Werkes berücksichtigt. Bei Fotografen findet das schon seltener statt. Ein Bild in einem Fotoforum steht meistens für sich selbst. Da gibt es kaum eine „erkennbare“ Verbindung zum Fotografen, selbst wenn dieser seinen Stil bereits entwickelt hat. Es bedarf zumindest, dass man sich mit ihm auseinandersetzt, seine Galerie anklickt oder er einem durch längere Forenaktivität bereits bekannt ist. Der im Ausgangszitat erhobene Anspruch kann dann vielleicht gar nicht vom Betrachter erfasst werden und ist dann eher nur der Anspruch den der Bildermacher an sich selbst stellen kann.
„An ihren Werken sollt ihr sie erkennen!“ ist der urchristliche Ansatz und Auftrag von Diakonie und Caritas. Vermutlich wird es auch bei anderen Religionen ähnliche Hintergründe für deren Sozialeinrichtungen geben.
Somit folgt unser staatliches Sozialsystem auch diesem Ansatz.
Die alten Ägypter haben ihre Unsterblichkeit über ihre Werke definiert und erreicht. Entweder die Werke der betreffenden zu Lebzeiten oder zu ihren Ehren nach ihrem Ableben.
Bis heute erreichen Schaffende jeder Art ihre „Unsterblichkeit“ über ihre Werke.
Dabei müssen die Werke eine gewisse handwerkliche Qualität aufweisen, damit sie überhaupt Bestand haben (meist im tatsächlichen physikalischen Sinne). Die „Unsterblichkeit“ wird dann tatsächlich erreicht, wenn der Schaffende (m/w/d) am Werk erkannt wird. Wenn dieses „Trash“ ist, dann wird der Schöpfer nur dann „unsterblich“, wenn der „Trash“ etwas bewegt hat. Beuys´ Fettecke ist erst durch ihr Verschwinden wirklich „wertvoll“ geworden. Sie hat eine Diskussion ausgelöst. Und damit war sie wertvoll – im Sinne der Anregung von geistiger Betätigung.
MMn geht es um das „wertvoll“ im Eingangszitat nicht um gut oder böse. Es geht um die Relevanz für die (Nach-) Welt.
jm2c, Martin
Kunst ist primär subjektiv und nicht obektiv mit Qualität gleichzusetzen. Und hat primär mit Emotionen zutun. Aber besonders bezogen auf diejenigen die richtig gross damit geworden sind (bekannt), ich habe im richtigen Moment, dass richtige „Marketing“ verwendet. Ich empfinde abseits der Fotografie, dass vieles was als Kunst definiert wird als Schrott. Aber wurde eben gut verkauft.
Das ist eine ziemlich verbreitete Herangehensweise an Kunst. (Gefällt mir nicht, ist deshalb Schrott.) Hat aber mit dem Ansatz von Traven nichts zu tun.
Nur weil es mit seinem Ansatz weniger zutun hat, macht meine Aussage nicht weniger falsch.
Hmm, gerade nochmal deinen Text gelesen. Travens ansatz klingt etwas schwülstiger als der standard, macht es aber nicht interessanter. Und wiederlegt meinen ersten Kommentar auch nicht.
Hallo Wolfgang, lies Dir Deinen Post hier mal genau durch. Und – ich schwöre – ich habe diesen Satz nicht editiert.
Hej Reinhard, ich kann bestätigen du hast nichts editiert. Auch wenn du meinst das Gefühl zu haben das schreiben zu müssen, dass tut mir leid. Ich glaube ich habe Reinhards Punkt nicht verstanden bzw. das Thema, ich bin bei dem Thema vielleicht auch etwas stumpf. Mein Fehler. grüße Wolfgang Unger