Habecks Fotograf – krass ey Alter

Es ist seit Wochen der Aufreger: Das Wirtschaftsministerium sucht einen Fotografen. Und da steht 350.000 Euro ohne Mehrwertsteuer. Also macht die Presse da flugs 416.500 draus. Über 400.000 Euro für nen Fotografen? Krass ey. Einige Journalistenkollegen behaupten gar einen „privaten Fotografen“ für Gott Habeck himself.

Hier mal die Ausschreibung. Nur um sich mal selber zu informieren. Kurze Zusammenfassung:

Die Rahmenvereinbarung läuft zwei Jahre und kann jeweils 12 Monate verlängert werden. Wenn man vier Jahre schafft, sind das 87500,- pro Jahr.

Aber jetzt kommt’s: da wird niemand für eine Festanstellung gesucht, sondern ein Selbstständiger, der in den letzten drei Jahren mindestens 30.000 Euro Umsatz pro Jahr mit der Knipserei (und zwar nur PR und Portrait!) gemacht hat. Natürlich Mitglied der Handwerkskammer. (Die ganzen Hobbyknipser und „Fotodesigner“ fallen also schon mal raus.) Natürlich sollte man nicht vorbestraft sein oder mit Geldwäsche zu tun gehabt haben. Eine Sicherheitsüberprüfung ist obligatorisch. (In der Freizeit Hateposts auf Facebook abgesetzt? Verloren.)

Man ist verpflichtet, während des gesamten Auftragszeitraums zu leisten. Krank sein gibt’s nicht. 8-Stunden-Tag auch nicht. Der Backupfotograf wird natürlich auch überprüft.

Wer sich bewerben will: Hier sind die Unterlagen.

Im Anschreiben zur Angebotsaufforderung steht dann der kleine, aber entscheidende Absatz:

Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die in den Vergabeunterlagen genannten Kriterien erteilt.

Und damit ist diese ganze Nummer mit „Alda! Isch werd raisch!“ schon erledigt. Man muss als Selbstständiger einen zweiten Mann/Frau/Divers beschäftigen um die 365/24/7-Knipserei bewältigen zu können. Selbst dann ist es noch was für Männer/Frauen/Divers ohne Nerven. Und nach Ende des Auftrags steht man als Selbstständiger vor dem Nichts, weil die ganzen Stammkunden – die man ja haben muss, damit man mehr als 30k Euro Umsatz im Jahr macht – dann weg sind.

Wenn die Haushaltsmittel des Ministeriums für den Auftrag wegfallen, kann der Vertrag jederzeit gekündigt werden. Dann steht man mit dem eingestellten Mitarbeiter da. Der muss übrigens vom Ministerium genehmigt werden.

Jeden einzelnen Auftrag im Rahmen der Vereinbarung muss der Fotograf vorher kalkulieren und zur Genehmigung einreichen. Also viiiiiel Papierkram, die Anstellung einer Teilzeitsekretärin wäre angebracht. (Die vom Ministerium überprüft und genehmigt werden muss.)

Spesen gibt’s zusätzlich, muss man aber vorher auslegen. Bahnfahrt 2.Klasse, Hotel maximal 100 Euro pro Nacht. Reisezeiten sind keine Arbeitszeit. Wenn Du Rabatte aushandelst, kannst Du die nicht in die eigene Tasche stecken – die gehören dem Bund.

Bezahlt wird 14 Tage nach Rechnungseingang (Ja! Du musst für alles ne Rechnung stellen!) mit 2% Skonto.

Die Bilder gehören dem Bund. Alle. Alles. Nix auf Homepage stellen und Fame abgreifen. Auch nicht hinterher. Archivieren muss man die Bilder allerdings. Unbegrenzt. Alle. Man ist also für seine bisherigen Kunden zwei Jahre – wenn man Pech hat, vier Jahre – von der Bildfläche verschwunden. UND der Fotograf muss das Ministerium von allen Ansprüchen Dritter freistellen. Wenn also jemand sich beschwert, dass er mit Habeck auf einem Foto ist – dann ist das nicht das Problem von Habeck, sondern vom Fotografen.

Bildbearbeitung ist natürlich im Preis mit drin.

Und natürlich, alles ist unbegrenzt lange geheim zu halten.

Wer noch Lust hat, kann sich noch die weiteren Vereinbarungen durchkucken.

Es geht also nicht um ein Gehalt von 87.500 im Jahr für ein bisschen mit Habeck in der Gegend rumdüsen und hübsche Fotos machen. Das ist der Etat, der für mindestens drei Leute zur Verfügung steht, die ernsthaft reinklotzen müssen. Der ganze Kack muss auch noch versteuert werden und wenn man sich dann genau ansieht, was da gefordert wird, dann kann sich im Endeffekt nur eine große Agentur das leisten, sich da zu bewerben.

Warum nun der Riesenbohei, den die Journalistenkollegen darum machen? Liest von denen keiner die Unterlagen? Vielleicht doch – und sie stellen fest, dass sie die Kohle gerne hätten, die Leistung aber nicht bringen können. Und dann verkürzt man effektvoll und haut nen Knaller raus.

Oder warum auch immer.

10 Replies to “Habecks Fotograf – krass ey Alter”

  1. Hallo, ja der Öffentliche Dienst weiss was er will und bestimmt die zu erbringende Leistung. Ist in jeder Vergabe so. Nicht immer passen die beschriebenen Anforderungen, tatsächlich nötige Anforderungen und das was sinnvoll ist zusammen. In dem Fall haben wir ein Offenes Verfahren, ist also europaweit ausgeschrieben. Wenn keiner teilnimmt…..mal beobachten was draus wird ;-).

  2. Das mit der Zahlung innerhalb von 14 Tagen kannste auch grad vergessen! Meine eigenen Erfahrungen mit öffentlichen Auftraggebern sagen: ob kommunal, Kreis oder Landesministerium: Zahlungsverzug ist die Regel! Mein Zahlungsziel liegt bei 10 Tagen, wenn vom kommunalen oder Kreis-Auftraggeber innerhalb von drei Wochen die Zahlung vorliegt, freue ich mich. Meist muss ich erinnern und hab dann innerhalb von 4-6 Wochen das Geld. Den Rekord hält aber dieses Jahr das Hessische Kultusministerium: die haben sich im eigenen Vertrag zu 30 Tagen nach Rechnungseingang verpflichtet, nach drei Monaten war mein Honorar dann da. Fotograf:innen werden bestimmt genauso behandelt und dürfen ihre Mitarbeitenden entsprechend lange vorfinanzieren..

  3. Hallo Reinhard,
    Danke für die Klarstellung! Diese öffentlichen Aufträge sind das, wovon ich (nicht als Fotograf) lebe – und genau die echte Kalkulation zu machen, führt häufig dazu, solche Aufträge ablehnen zu müssen, weil sie bei genauerer Betrachtung unterbezahlt, nicht auskömmlich und eigentlich eine Frechheit sind. Dein Beispiel ließ bei mir gleich den Begriff der Leibeigenschaft aufblitzen. Und dabei ist gar nicht Herr Habeck der Sklaventreiber, sondern ein System der Medienarbeit, das in den Führungsetagen gut bezahlt ist aber mit ihren sogenannten „Dienstleistern“ umgeht wie … siehe oben!

    Was in der Berechnung möglicherweise noch fehlt, ist dass öffentliche Auftraggeber ihre Aufträge mit Bruttohonoraren ausschreiben, also man getrost nochmal bis zu 19 % Mehrwertsteuer von der Honorarsumme abziehen kann – denn zumindest nach meinem Verständnis handelt es sich um handwerkliche und nicht um ausschließlich künstlerische Leistungen, die dort abgefragt werden.

    Kurzum: große Zustimmung zu den Einordnungen der Honorare, die dort aufgerufen werden. Schließlich, und auch das hast du beschrieben, ist man dem Wohlwollen der Medienchefs ausgeliefert, und wenn die möglicherweise die Chance sehen, durch den Rauswurf eines Fotografen Ärger von sich selbst abwenden zu können, endet die Solidariatät schneller, als man es erahnen kann.

    Danke Reinhard, für die Klarstellung!

    Alfred

  4. Kleine Korrektur: nach Durchsicht der Angebotsaufforderung nehme ich meine Anmerkungen zur Mehrwertsteuer/Umsatzsteuer zurück! Bei den genannten Beträgen handelt es sich tatsächlich um Nettosummen!
    Sorry und beste Grüße
    Alfred

  5. Hallo Reinhard, danke fürs Zurechtrücken der Dimensionen. Mir war das so auch nicht bewusst. Auf der anderen Seite frage ich mich aber: Sind diese 87.500 Euro im Jahr eine sinnvolle und notwendige Ausgabe? Wir haben ja nicht nur einen Wirtschaftsminister, sondern noch einen Kanzler, eine Außenministerin, einen Finanzminister … – über deren Fotografen mir jetzt nichts bekannt ist. Ich gehe nun aber davon aus, dass Habeck nicht der einzige mit Leibfotograf sein wird.
    Wenn den Damen und Herren 24/7 tolle Bilder wichtig sind, können/sollten sie sie nicht aus eigener Tasche finanzieren? So eine Summe triggert mich dazu an, zu überlegen, was für horrende Ausgaben noch für anderen (überflüssigen?) Kram von uns Steuerzahlern finanziert werden müssen.

    1. Du solltest die Ausschreibung lesen. Es geht NICHT um einen privaten Fotografen für Habeck. Das ist ein Narrativ, das die Presse aufgebracht hat. Es geht darum, dass das Wirtschaftsministerium einen Fotografen braucht. Der die ganzen Pressefotos macht. Da muss nicht notwendigerweise Habeck drauf sein. Es kann auch sein, dass da der Auftrag lautet, eine Messe zu fotografieren, bei der die KfW eine Rolle spielt. Oder die Eröffnung eines neuen Bauabschnitts bei Tesla. Ein Windpark in Schleswig Holstein. Eine Biogasanlage in Bayern. Die 87500 Euronen pro Jahr sind ein lächerlicher Witz. Wenn das Ministerium einem Pressefotografen das Bildmaterial vergüten müsste, würden sie ein Vielfaches zahlen. Da geht es um Millionenauflagen, die wenn nach MFM-Liste vergütet würden, würde da richtig Schotter fließen. Angenommen, der liefert nur fünf Bilder pro Tag. Dann kriegt er pro Bild 47 Euronen. Das liegt auf dem Niveau eines Bildes für eine Mittelgroße Tageszeitung. Und dann haben die das nicht exklusiv.
      Die wollen aber nicht 5 Bilder, sondern alle. Und auch noch bearbeitet. Mit allen Rechten. Und während es im journalistischen Bereich ein Presseprivileg gibt – Du musst Dich also nicht groß um Persönlichkeitsrechte kümmern – hat das BMWi genau das nicht. Der Aufwand ist also heftigst. Habecks Beamte versuchen hier irgendeinen Dummen zu finden, der die Sache für nen Appel und ein Ei macht und sich dafür hinterher noch an die Wand nageln lässt.

      Ich hatte hier vor ein paar Wochen eine ähnliche Nummer: Die Tourismusbehörde braucht für ihre neuen Broschüren Fotos. Natürlich mit glücklichen Touris drauf. Aber es sollten natürlich nicht auf allen Fotos das gleiche Pärchen sein. Sowas kann ich, also Angebot mit Musterbildern geschickt, Pauschale pro Tag mit allen Bildern von einem Hotspot inklusive Modelhonorar zzgl. Spesen. Ja, die Fotos wären gut, aber sie haben sich eigentlich gedacht, dass ich ihnen die Fotos liefere und sie sich dann raussuchen, welche sie nehmen und mir dann so um die 30 Euro pro Bild zahlen. Wenn sie’s nehmen. Sie hätten da bisher immer einen Fotografen, der wäre da mit seiner Familie rumgefahren und hätte die Bilder geliefert wenn er gerade einen Wochenendausflug gemacht hat. So hätten sie sich das vorgestellt. Ich solle halt mal rumfahren, knipsen und liefern. Auf mein eigenes Risiko. Ernsthaft.

  6. Asche auf mein Haupt! Ich hätte die Ausschreibung wirklich erstmal lesen sollen. Ich kritisiere aber auch gar nicht, dass dieser Job zu gut bezahlt sei. Du hast mE mehr als ausreichend dargelegt, dass sich hier niemand „eine goldene Nase“ verdient.

  7. Habeck ist jetzt nicht der US-Präsident – aber der hat ja tatsächlich einen persönlichen Fotografen (der dann aber auch Bücher mit den Bildern herausbringen darf und so schon seinen Teil vom Fame hat).
    Hat jemand eine grobe Ahnung wie das dort vergütet wird?
    Also was z.B. Pete Souza für einen Präsidentschaftszeitraum möglicherweise bekommen haben könnte?
    Dann könnte man dieser Sache hier ziemlich schnell den Wind aus den Segeln nehmen denke ich…

    1. Der Wind, der hier gemacht wird, ist heiße Luft. In den USA ist die Situation völlig anders. Wir haben hier in Deutschland ein europäisches Vergaberecht. https://europa.eu/youreurope/business/selling-in-eu/public-contracts/public-tendering-rules/index_de.htm. Dazu kommt, dass in Amerika das Copyright nicht an der Person hängt und sehr viel über Agenturen und Verlage gearbeitet wird – die Fotografen als „Marken“ aufbauen, weil sie dann deren Fotos teurer verkaufen können. Das ist ein sehr komplexes Thema und kann hier nicht erschöpfend behandelt werden.

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