Kameramarketing 1955-Style

Lieber Photofreund!

Als mich gestern mein Vater zu sich rief und wir dann über Sie sprachen, mußte ich feststellen, daß wir nicht einig werden konnten. Wir berieten nämlich, warum Sie bisher auf keines unserer Angebote eingegangen sind. Mein Vater meinte, Sie hätten ihre Kamerawünsche zurückgestellt. Ich aber behaupte, daß man Ihnen bisher nicht die richtige Kamera angeboten hat.

Ich stütze meine Angaben insbesondere darauf, daß ein Warten auf die Erfüllung der Photowünsche doch schon allein wegen der Ihnen angebotenen günstigen Teilzahlungshilfe kaum in Frage kommen könne. Die Anzahlung ist wirklich so nieder gehalten, und die Raten werden so angenehm verteilt, daß es hier gewiß keine Bedenken geben kann. Warum als – so frage ich mich – sollten Sie ihre Photowünsche zurückgestellt haben? Wo doch jeder Tag und jede Begebenheit, die man ohne Kamera zubringen muß, im wahrsten Sinne des Wortes Unwiederbringlich verloren sind!

Wenn ich Ihnen nun heute das berichte, so nicht ohne gleichzeitig ein besonderes Angebot zu unterbreiten, mit dem ich Ihnen eine meiner preiswertesten Kameras vorführe. Es handelt sich dabei wiederum um eine echte Photo-Porst-Schöpfung, nämlich um die

elegante HAPO 66
mit vergütetem Haponar 3,5/7,5 cm
im Pronto-Verschluß mit den Zeiten
1/25, 1/50, 1/100, 1/200 sec + B
und eingebautem Selbstauslöser zu 78,–

Der Verschluß der Hapo 66 ist mit einem Synchronkontakt versehen, so daß Sie eines der sich immer mehr einführenden Blitzgeräte anschließen können. Damit können Sie – ganz wie ein moderner Reporter – unabhängig von allen Lichtverhältnisse knipsen.

Bitte entnehmen Sie dem beligienden Sonderprospekt die weiteren interessanten Einzelheiten dieser neuen Kamera. Ich möchte nur noch auf die vorzügliche Einrichtung der sprechenden Sonnenblende hinweisen. Dieses kleine Instrument macht die Hapo 66 besonders wendig.

Wenn Sie sich die Mühe machen wollen und die Hapo 66 mit anderen Kameras auf dem Markt vergleichen, so werden Sie unschwer feststellen, daß die Kamera bei dieser optischen und verschlußtechnischen Ausstattung von PHOTO Porst zu einem ganz außergewöhnlich günstigen Preis geliefert wird. Und dazu dann noch die bekannte Teilzahlungshilfe!

Nun bin ich wirklich gespannt, wer recht hatte: mein Vater oder ich. Ich glaube, ich brauche nicht noch besonders zu erwähnen, daß Sie die Hapo 66 in Ruhe zu Hause überprüfen können, da sie für 5 Tage völlig unverbindlich zu Ihnen kommt. Bitte füllen Sie beiliegenden Bestellschein aus und senden Sie ihn an mich persönlich. Ich werde dafür Sorge tragen, daß Sie sofort und mit besonderer Sorgfalt bedient werden.

N.S. Ich habe auf dem Bestellschein vermerkt:
Zur unverbindlichen Ansicht bei 17.- Mark
Anzahlung und mit 10 – Mark – Monatsraten.

3 Replies to “Kameramarketing 1955-Style”

  1. Erinnert mich spontan an zwei Dinge – dass ich als Heranwachsender immer mal in einer umfangreichen Sammlung von „Hobby“-Heftchen aus den Fünfzigern und Sechzigern (mit viel Reklame in genau diesem Stil) stöbern durfte, die einem Brand zum Opfer fielen, bevor ich sie hätte erben können, und dass ich den Unterzeichner jenes Werbebriefleins gerne mal kennengelernt hätte.

    Aber was zur Hölle ist eine „sprechende Sonnenblende“??

    1. Mit der Hapo 66 von Photo Port habe ich das Fotografieren gelernt. Sogar spitzwinklige Bilder von fahrenden Zügen sind mir gelungen. Der „Fernrohrsucher“ war eher mäßig, links fehlte dann oft mal was im Bild. Und die „sprechende Sonnenblende“ war entweder weg oder blieb in so einem runden ledernen Behälter, der an der ledernen Schutztasche der Kamera hing, die von unten im Stativgewinde festgeschraubt wurde. 78 Mark muss damals gut ein halber Wochenlohn gewesen sein. Die Rollfilmnegative habe ich noch.

  2. Wer weiß, ob ich ohne diese Werbung zur Fotografie gekommen wäre. Mein Vater hatte als einfacher Arbeiter in den 50ern die Möglichkeit per Ratenkauf seine Fotoausrüstung bei Photo-Porst zusammen zu stottern. Ich erinnere mich gut an seine Hapo66, seine Duka-Ausstattung, den grauen Metz Reporterblitz zum umhängen und nicht zuletzt an die Praktica IV F mit etlichen Objektiven ( zwei davon nutze ich noch heute)
    die später dazu kam. Das prägendste für mich war allerdings der leinengebundenen „Große Porst Photohelfer“ den ich regelrecht verschlungen habe. Das meiste was ich über Fotografie weiß hab ich aus diesem knallorangen Buch, das ich auch heute noch manchmal zu Rate ziehen, weil sich manche Dinge auch mit fortgeschrittener Technik nicht ändern.
    Die Geschichten zu den Bildern, die Tipps und Tricks… großartig!
    Früher war zwar nicht alles besser, aber vieles war schon ganz schön gut… Zumindest für mich im Fall des Photo-Porst Versandhandels.
    Ich glaube ich blättere gleich noch’n büschen im Photohelfer…
    Gruß aus HH Achim

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