
Ich habe irgendwann aufgehört, Akt zu fotografieren. Ich finde es langweilig, fotografisch wenig herausfordernd und buchstäblich ausgelutscht. Eine Zeit lang habe ich versucht, Plastikpuppenakt zu knipsen, das ist aber auch nicht viel spannender, das Posing der Schaufensterpuppen ist halt sehr begrenzt, vor allem wenn die Puppe gar keine Arme hat.
Es gibt ein paar Fotografen, die die Messlatte für Aktfotografie auf eine Höhe gesetzt haben, an die ich nicht rankomme – Newton zum Beispiel. Und Newton oder einen anderen Meister nachzuknipsen ist bezüglich der Lichtführung vielleicht lehrreich, aber die großen Meister haben es verstanden, Licht, Model, Thema und Umgebung zu einer Einheit zu komponieren.
Selbst wenn man nun die Gelegenheit hat, am gleichen Ort zu fotografieren, wird man niemals die Ausstrahlung des Models kopieren können. Das Bild wird ein Krampf.
Seit etwa 20 Jahren gab es im Bewusstsein der Menschen zudem einen Wandel. Ich bin der Meinung, der Grund liegt in der digitalen Welt. Als die Pornos noch in den hinteren Ecken der Videotheken oder in den 24-Stunden-Bahnhofskinos zu bekommen waren, stand da jemand davor und hat aufgepasst, dass da keine Kinder ihre Finger dranbekommen haben.
Seitdem die Pornoindustrie das Internet entdeckt hat – also etwa drei Millisekunden nach der Erfindung des Internets – gibt es keinen wirksamen Jugendschutz mehr.
Es kam zu einer Gegenbewegung. Um Porno von Nacktdarstellungen abzugrenzen gab es auf einmal die wildesten Konstrukte. In Japan war die Darstellung von Schamhaar verboten. Und Facebook und Co konzentrierten sich auf Nippel und zensierten Rubens und Courbet. Entsprechend wurde Nacktheit auf einmal wieder als „verboten“ begriffen. Mittlerweile ist eine ganze Generation herangewachsen, die einen blanken Busen wieder als „verboten“ begreift aber gleichzeitig mehr harte Pornos konsumiert als jemals zuvor. Zwiedenk halt.
Wer in der Model-Kartei noch einen Account hat, wird mit Angeboten von ukrainischen Nackt-Models nur so zugeschissen, Models, mit denen man tatsächlich arbeiten kann, haben sich längst mit Grausen abgewandt.
Als ich das oly-forum noch moderiert habe, gab es klare Anweisung von Olympus: sexualisierte Frauendarstellungen sind nicht erlaubt. Also Hintern mit Stringtanga geht nicht. Und auch ziemlich viel anderes nicht. Es gab dann Fotografen, die die Grenzen ausgetestet haben und ich musste den Wachhund spielen und bekam natürlich die Schläge ab. Aber ich habe sozusagen selbst an der Etablierung der neuen Prüderie mitgemacht. Denn wenn man von oben gesagt bekommt „Das und das geht nicht.“ dann kriegt man die Schere im Kopf und löscht in vorauseilendem Gehorsam. Auf oly-e habe ich dann dem einen oder anderen Asyl angeboten, aber nachdem der blanke Busen dort erlaubt war, war das dann relativ schnell auch wieder uninteressant.
Was kann man nun tun, um den Korridor des Zeigbaren wieder auszuweiten? Und ist das überhaupt notwendig? Jeder kann doch alles jederzeit sehen.
Man kann zu Plattformen wechseln, bei denen die Zensur anders funktioniert. Bei denen man sich mit Personen über Kunst auseinandersetzt, die zum gleichen Kulturkreis gehören. Man kann anfangen, wieder die Einheit von Person, Licht und Ambiente zu produzieren. Bilder, bei denen eine Aussage im Vordergrund steht, die nicht „Arsch und Titten“ lautet, auch wenn diese sichtbar sind. Dazu gehört auch, nicht durch vermeintlich philosophische Bildtitel Pornografie zu adeln, sondern Bilder zu machen, die funktionieren, weil darauf Menschen sind.
Klaus Tiedge hat gesagt „Macht Bilder, die berühren“. Nicht „Macht Bilder, die erregen.“

Das ist ein sehr schwieriges Thema. Ich habe mich selbst an die Aktofotogrqfie erst relativ spät rangewagt und war dann mit meinen ersten Ergebnissen eher nicht zufrieden und heute finde ich diese Bilder grauslich…
Für mich ist der Unterschied zwischen Akt- und Nacktfotografie unglaublich schmal. Außerdem muss man sich selbst immer wieder den Spiegel vorhalten, weil was subjektiv akt ist, kann mit einer objektiveren Brille schon wieder nackt sein.
Ich gebe Dir komplett recht, was die Abstimmung von Modell-Licht-Location betrifft, dazu die Idee und das Auge des Fotografen. Auch hier meine eigene Einschätzung, das richtig gute Bilder in Wohnungen, Hotelzimmern oder anderen Locations nochmal eine fette Steigerung des Schwierigkeitsgrads bedeuten.
Ich bin der Meinung, dass gerade Location wichtig ist. Akt bedeutet, dass ich eine Informationsebene aus dem Bild nehme: nämlich die Kleidung. Location kann mir eine Informationsebene wieder dazugeben. Die meisten „Studioakte“ enthalten keinerlei Informationsebene außer dass da eine mehr oder weniger verrenkte nackte Frau auf oder an einem Würfel aus irgendeinem Material ist. Im Prinzip kann man diese Frau auch durch eine Gliederpuppe aus Stahl und Silikon ersetzen. Der Informationsgehalt bleibt gleich.
Und genau hier ist das Problem: man muss ein Bild imaginieren, bei dem nichts austauschbar ist. Das nur genau so funktioniert. Mit genau dieser Person, in genau dieser Situation mit genau diesem Ausdruck, mit genau diesem Drumherum und genau diesem Licht.
Und da eben die Kleidung als Informationsträger wegfällt, muss der Rest Information liefern. Dazu ist es aber notwendig, dass man überhaupt eine Information transportieren will. Und genau hier hapert es eben meistens.
Eben auch bei mir. Die Situationen, in denen ich für die Verdeutlichung der Situation eine nackte Person brauche, sind sehr beschränkt und deren Abbildung ist mir nur selten den Aufwand wert. Die großen Meister haben eben die meisten sinnvollen Anlässe längst abgefrühstückt und die ganzen sozialkritischen Anlässe sind dann von der zweiten Riege geknipst worden.