
Murphy’s Law, e-commerce-version:
Wo beschissen werden kann, wird beschissen werden.
Brushing ist ein Ausdruck für verschiedene Methoden, Bewertungen und Rankings im Internet zu manipulieren.
Amazon-Bewertungen, Tripadvisor, YouTube usw.
Gerade bei Amazon war es eine Zeitlang üblich, dass der Hersteller selber Zeug von sich bestellt hat, an irgendeine Adresse geschickt hat, dann war das ein „verifizierter Kauf“ und schon konnte er bewerten. Als das dann in der Presse aufkam und die Leute, die da gratis irgendwas bekommen haben, als „Brushing-Opfer“ geframed wurden, haben sie es einfach wieder an sich selber geschickt.
Dass man für ein paar Euro tausende Follower bestellen kann, die dann sogar mehr oder weniger intelligente Kommentare auf die eigenen Posts absetzen, ist ja mittlerweile schon Mainstream. Aber es wird immer abgedrehter.
Der neueste Trick ist, hundert LiveStreams zu starten, jeden mit einem anderen Account, die alle die gleiche Produktpräsentation zeigen. Dazu werden ganze Batterien von Handys aufgebaut, die alle streamen. Der Algorithmus merkt, da ist ernsthaft was los, anscheinend irgendwas wichtiges. Überschwemmung, Flugzeugabsturz, irgendsowas. Und spült diese Produktpräsentation nach oben.
Muss man drauf kommen.
Die Paranoia vor Brushing kann aber auch lustige Folgen haben. Im Juli 2020 wurden tausende Pakete in den USA abgeliefert, die angeblich Ohrringe oder anderes Zeug enthielten – in Wirklichkeit waren aber Samen drin. Nein, nichts Illegales. Blumensamen. Gemüsesamen.
Es gab akribische Untersuchungen der Pakete auf Viren, Giftstoffe, genveränderte Gefährlichkeiten. Es war nichts zu finden. Der Vorgang wurde bekannt als der „Seed-Incident“. 2021 hat dann eine Zeitung herausgefunden, dass die meisten Personen, die solche Pakete bekommen hatten, tatsächlich Samen bestellt hatten – sie hatten es nur bereits wieder vergessen, weil die Lieferung aus China kam und aufgrund der katastrophalen Lieferprobleme in Amerika Monate unterwegs war. (Wer sich erinnert: Damals waren sogar die Container knapp geworden, weil es keine LKW-Fahrer mehr gab, die die Container wieder zurück zu den Häfen gefahren haben.) Andere hatten eine „Wunschliste“ Online gestellt und Bekannte hatten ihnen einfach diesen Wunsch erfüllt.
Überraschung.
Wie immunisiert man sich nun gegen Brushing?
Produkte von Firmen, für die es keine objektiven Tests gibt, sondern nur „Paid Content“, ignorieren. Die gute alte Mundpropaganda kommt wieder zu Ehren – und nein, Influencer tun zwar so, als wären sie „beste Kumpels“ – aber sie sind es nicht. Diese Typen, die da in YouTube so freundlich daherkommen, die kennen Dich nicht. Auch wenn Du der Meinung bist, sie zu kennen.
Und ich nehme mich da nicht aus. Von den hunderttausend Leuten, die meine Bücher gekauft haben, mir beim Fotografieren über die Schulter geschaut und mich in Urlaubsreisen begleitet haben, haben mir vielleicht zweihundert die Hand geschüttelt. Und vielleicht von einem Viertel würden mir spontan Klarnamen, Forumsname und Mailadresse einfallen. Vom Rest nur irgendeines der drei.
Nein, ich manipuliere keine Bewertungen. Weder nach oben, noch nach unten. Das ist mir zu blöd. Und ich bezahle auch keine Follower. Aber es ist gut, wenn man weiß, wie das geht. Denn dann sieht man, wenn man für dumm verkauft werden soll.