
..er kommt jetzt selber. Hat Dieter Hildebrandt vor 38 Jahren gesagt, als ein Bergsturz das Dorf Morignone verschüttete. Jetzt existiert Blatten nicht mehr. Und die Dörfer im weiteren Verlauf des Tales sind gefährdet, wenn den Schweizern nicht sehr flott etwas einfällt, wie man den ungeplanten Stauseee oberhalb von Blatten verhindert, der im Augenblick 30 Kubikmeter Wasser pro Minute Zufluss hat. Immer noch kommen Felsen und Geröll herunter. Im Augenblick ist jede Intervention unmöglich. Großen Abstand halten ist derzeit die beste Idee.
Die Schätzungen über die Geröllmassen, die heruntergekommen sind, schwanken zwischen 3 Millionen und 6 Millionen Kubikmetern. Um das mal zu illustrieren: Das reicht aus, um eine Fläche von einem Quadratkilometer (Etwa die Altstadt von Nürnberg) sechs Meter hoch mit Geröll zu bedecken.
Niemand weiß derzeit, was wird. Man kann derzeit nicht mal Hilfe anbieten, nur Daumen drücken.
2011 bin ich mit der Bahnverladung von Kandersteg nach Goppenstein gefahren. Das ist die Bahnstation wenige Kilometer talabwärts von Blatten. Wenn der Damm bricht und das komplette Tal verwüstet wird, wird Goppenstein nicht direkt betroffen sein, weil das sehr weit oben am Berg ist. Als ich seinerzeit in Goppenstein runtergefahren bin, habe ich erst im Rhonetal wieder zum Fotografieren angehalten, man weiß halt immer erst hinterher, was man vorher hätte fotografieren sollen.

Die Bahnverladung hat sich nicht geändert, die Waggons dürften noch die gleichen und mit der Ente mit offenem Verdeck da durchzufahren immer noch ein besonderes Erlebnis sein.
In Kandersteg ist das hier aufgenommen:

Da rechts oben ist so eine markante Felszacke. Der „spitze Stei“. Der Abhang darunter rutscht. Es ist nicht eine entfernte Möglichkeit, dass der rutscht. Der rutscht bereits. In etwa 18 Tagen 10 Zentimeter. (Stand Mai 2025) Das sind 20 Millionen Kubikmeter Gestein. Wenn das alles runterkommt, was zwar als unwahrscheinlich, aber als möglich angesehen wird, dann wird der Bergsturz den Auffangbereich, der eine halbe Million Kubikmeter auffangen kann, mit Leichtigkeit überwinden. Die Gemeinde Kandersteg hat eine eigene Website zu dieser Problematik eingerichtet. Die entsprechenden Abgänge sind im Sommer häufiger als im Winter.
Fotografiert eure Welt.
Morgen kann es passieren, dass eure Fotos das Einzige ist, was an diese Welt erinnert.
Die Worte fehlen. Ein ganzes Dorf ausradiert. Und die Häuser, die die Katastrophe überlebt haben, innerhalb von Stunden metertief unter Wasser. Alles weg. Die Evakuierten haben die wichtigsten Dinge dabei, ja, aber der Rest des Lebens ist unter meterhohen Schuttmassen für immer begraben.
Vor einigen Jahren hat mir eine Wissenschaftlerin am WSL ( Institut für Schnee-und Lawinenforschung) in Davos in einem Privatvortrag die Disziplin alpiner Permafrost samt entsprechenden Ergebnissen erklärt; die Schweiz ist hier führend. Arktischer Permafrost ist ein anderer Forschungszweig, alle internationalen Messreihen sind relativ jung.
Neben der Freisetzung von CO2 und Methan in zirkumpolaren Gebieten sind zunehmend Bergstürze in höhergelegenen Gebirgsgegenden eine Folge der Klimaerwärmung.
Die Aussichten in allen Szenarien sind erschreckend.
Ich selber wohne in einem kleinen Dorf in einem Mittelgebirgstal, wo der nordseitige steile Berghang zunehmend in Bewegung gerät, Steinschlag und kleine Murgänge häufen sich. In unserem Fall ist nicht tauender Permafrost das Problem (Ort liegt auf 700 Hm), sondern die gelegentlich sintflutartigen Gewitterereignisse, die es in dieser Form früher nicht gegeben hat.
Nun wird ein bereits vorbestehender Schutzdamm abermals erhöht, die Gefahrenlage ist völlig klar. Dieses Projekt ist vor kurzem in einer Bürgerversammlung vorgestellt worde, bei der auch die Kandidaten für eine nahende Gemeinderatswahl ihr politisches Programm präsentiert haben. In diesen Präsentationen war das ganze Spektrum an politischen und wirtschaftlichen Visionen vertreten, darunter auch ein noch höherer Damm und gigantische Auffangbecken.
Was in keinem einzigen Wahlkampfprogramm der 22 Kandidaten vorkam, waren die Wörter Klima und Umwelt.
Ich verstehe, dass die Generation der Lebensmitte, die (nicht nur bei uns )vorwiegend die politische Deadline bestimmt, den Knall noch nicht gehört hat.
Es ist aber offenbar ein größeres Projekt, weltanschauliche und geistige Dämme einzureißen als technische in absurden Dimensionen zu bauen.
„Es ist nicht so, dass morgen die Welt untergeht“ (Merz, Blackrock, zum Thema Klimawandel, 2023)
Stimmt, sie geht – für viele Menschen – schon heute unter, durch Dürren, Fluten, Bergstürze, Feuer, Hitzewellen (am unspektakulärsten aber am tödlichsten).
Blatten? Ich habe auch keine Bilder von Blatten, vor 20 Jahren waren wir dort. Lumpige 300 Bewohner. Evakuiert, selbst Kühe und Autos mit dem Hubschrauber ausgeflogen. Kleinigkeiten, Ouvertüren im großen Endspiel, dass wir nun aufführen. 10.000 Hitzetote pro Jahr in Deutschland allein. Egal, Hauptsache die Autoindustrie läuft wieder.
Mir könnte es egal sein, ich habe keine Kinder. Egal ist es den Nachbarn, die haben Kinder und Enkel.
Mit Menschenschutz (Klimaschutz) gewinnt man keine Wahlen, man verliert sie. So krank das auch ist.
Als wir noch eine Ampel-Regierung hatten gab es eine Talkshow, da hat ein gelber Politiker einem grünen Politiker an den Kopf geworfen, Umweltschutz/Klimapolitik wäre ja „gut und schön“, aber nütze nichts, „wenn es der Wirtschaft dadurch schlechter geht“.
Niemand in der Diskussionsrunde oder im Publikum hat gelacht oder Aua geschrien.
Niemand hat protestiert.
Kann sein, dass ich alleine bin mit der Einstellung „Wirtschaft ist ja gut und schön, nützt aber nichts, wenn es der Umwelt / dem Klima dadurch schlechter geht“.
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Eigentlich könnte es mir auch egal sein, denn ich habe auch keine Kinder. Aber statistisch noch etwas mehr als zwei Jahrzehnte auf diesem Planeten. Und irgendwie auch ohne Kinder und Enkel ein gewisses Verantwortungsgefühl für die Welt nach uns/mir…
Auch ich habe keine Kinder. Ich vermute, dass Kinderlose sich leichter tun mit einem unbefangenen Blick auf die Zukunft; viele meiner (absolut intelligenten) Bekannten mit kompletter Familie sind mittlerweile in einer Art politischen Lähmung gefangen, die Sorge um eine mögliche Zukunft in Klimaapokalypse und wirtschaftlichen Tagesnöten paralysiert.
Die Route ist klar; seit „Grenzen des Wachstums“, Club of Rome 1972, liegen die Fakten auf dem Tisch. Die Ursache, warum tatsächlich nichts passiert, um das alles aufzuhalten, ist eine genetisch/psychologische und wurde vom Verhaltensforscher Irenäus Einl-Eibesfeld in seinem Buch „In der Falle des Kurzzeitdenkens“ 1998 völlig klar analysiert.
Um sinnvolle Zukunftsstrategien zu entwerfen, müsste das Genom des Homo sapiens, der aggressivsten und zerstörerischsten Tierart, die jemals auf diesem Planeten aufgetaucht ist, umprogrammiert werden.
Auch das wird noch passieren, fragt sich nur, in welche Richtung.
Irenäus Einl-Eibesfeld und sein Buch „In der Falle des Kurzzeitdenkens“ haben sich mir noch nicht vorgestellt. Allerdings leuchtet mir das von dir vorgebrachte Argument der Paralysierung angesichts einer Multikrisen-Situation durchaus ein. Dies beobachte ich auch bei vielen Menschen in meinem Umfeld. Und dass diese jünge Menschen mit Kindern vielleicht sogar stärker befällt, als uns „alte kinderlose Säcke“, die wir eine gewisse Gelassenheit entwickeln können, weil wir zwar den Anfang vom Ende gerade erleben, aber das ganz dicke Ende u.U. aus Altersgründen verpassen (bzw. schlicht den größeren Teil unseres Lebens schon gelebt haben).
Für mich macht es unser Handeln dafür um so wichtiger! Wenn andere vor Schreck gelähmt sind müssen die nicht-gelähmten die Rettungsaktionen organisieren…
Psychologie jein, Genetik nein, würde ich sagen. Die jüngeren Humanwissenschaften einschließlich der Neurologie gehen nach meinem Eindruck davon aus, auch wenn um die Großfrage „Nature vs. Nurture“ weiterhin gestritten wird, dass z.B. in der Problemstellung, ob Menschen eher zu Kooperations- oder zu Konkurrenzverhalten tendieren, in jedem Menschlein eigentlich die ganze Bandbreite angelegt ist, und sich das erst im Laufe des Heranwachsens aufgrund individuell Erlerntem und Erlebtem ausprägt, was wiederum von den Anreizen und Belohnungen und Bestrafungen durch die Umgebung abhängt und diese wiederum durch die materiellen und immateriellen Anreizsysteme und Strukturen dieser Umwelt.
Anders gesagt, ich denke nicht, dass die Welt einen grundsätzlich anderen Menschen braucht, damit beide überleben. Ich denke vielmehr, dass sie andere Anreizsysteme für menschliches Handeln und Wirtschaften benötigt, die eben nicht in einem weltumspannenden Zwang zur Profitmaximierung münden, an dem der einzelne Mensch überhaupt nichts ändern kann. Es braucht faktische globale Rahmenbedingungen, die nicht von ihren unsichtbaren Mechanismen her auf Weltzerstörung (und auf vieles kaum weniger Problematische, das ich hier gar nicht aufzählen will) hin ausgerichtet sind, Rahmenbedingungen, die alle Player vom kleinen Bürger und Konsumenten bis zum Captain of Industry und Head of State nicht mit negativen ökonomischen Folgen bestrafen, wenn sie das Richtige für Menschheit und Planeten tun, sondern belohnen.
Und der vielleicht größte Fehler ist, dass es (nach meinem Überblick) immer noch (fast) keine Wirtschaftswissenschaft gibt, die sich mit solchen Fragen beschäftigt.
Ich weiß nicht, ob es an den fehlenden Wirtschaftswissenschaften liegt oder daran, dass gewisse Menschen immer noch glauben, sie wären dank ihres Reichtums immun gegen die Probleme, die da auf uns zukommen.
So lange diese sehr reichen Menschen ihren Reichtum noch weiter mehren wollen und entsprechend ihren Einfluss (Reichtum als Druckmittel auf Politik und den Rest der Wirtschaft) einsetzen, um noch mehr Reichtum anzuhäufen, können auch die Wirtschaftswissenschaften nichts ausrichten. Siehe den oben schon angeführten „Club of Rome“…
Guter Einwand. Die Wissenschaft immerhin könnte, wenn sie wollte, moglichst weltweit vernetzt, um verschiedene Perspektiven berücksichtigen zu können (etwas, was von der US-Regierung an den eigenen Unis gerade mit Gewalt bekämpft wird, genau die Regierung ausschließlich die Interessen jener sehr reichen Menschen im Sinn hat, ihre Kumpels, die Partei und Wahlkämpfe finanzieren), dann hätten die Teile der Politik, denen die ökonomische Problematik bewusst und auch nicht egal ist, immerhin Fakten an der Hand, auf deren Basis sich Positionen besser vertreten ließen. Nicht dass ich die Illusion hätte, dass sowas die sofortige und vollständige Rettung der Welt bringen könnte, aber es könnten wenigstens mal zaghafte Anfänge in die richtige Richtung entstehen…
Die Wissenschaft IST weltweit vernetzt und die Fakten sind längst bekannt.
Wenn ihr was ändern wollt, dann wählt andere Politiker.
Wirtschaftswissenschaften sind – leider – nach wie vor in großen Teilen von Ideologie und Kaffeesatzleserei dominiert. In Deutschland gibt es Wirtschaftswissenschaftler, die als extrem zuverlässig gelten, denn regelmäßig trifft genau das Gegenteil von dem ein, was sie voraussagen. McKinsey und ähnliche „Beratungsfirmen“ haben eine geradezu unglaubliche Liste von ruinierten Unternehmen hinter sich. Ein Sanitärbetrieb, bei dem 80% der Klos innerhalb von zwei Jahren rettungslos verstopft sind, würde buchstäblich in der Scheiße ersaufen. Beratungsunternehmen machen dagegen Schotter ohne Ende. Wenn es eine exakte Wirtschaftswissenschaft im Westen gäbe, hätten die alle keine Chance.
Hallo Rob.
Nature vs. Nurture ist die alte philosophische Diskussion, die aktueller ist denn je. Du hast die möglichen und notwendigen Lösungsansätze gut aufgezeigt, aber es sind mir darin zuviele Konjunktive. Jene Konjunktive, die schon Sokrates zum Schierlingsbecher gezwungen haben und die auch zwei Aufklärungswellen ( Buchdruck und Voltaire/Kant/Rousseau) andenken aber nicht umsetzen konnten (oder höchstens zur definitiven Plünderung des Planeten beigetragen haben).
Ich glaube nicht nur, dass die genomische Ausstattung einer Kreatur deren biologische Nische stringent definiert, sondern auch uns Sapiens keinen Spielraum lässt. Seit unsere Art Afrika verlassen hat, hat sie alle anderen Menschenarten ausgerottet ( Neandertaler, Denisova; mögliche Kokausalität mit Klimaschwankungen), die postglaziale Megafauna vernichtet (Kokausalität ebenso), endlose Genozide auf allen Kontinenten durchgeführt, Tausende von kriegerischen Konflikten angezettelt, den Planeten vergiftet und jetzt dabei ist, das nächste globale Massenaussterben zu Ende zu bringen.
Lösungsmöglichkeiten sind bekannt, sie werden aber nicht kommen oder viel zu spät. Uns als Individuum bleibt als Trost und Hoffnung der Seitenausgang in die Lutherische Allegorie mit dem Apfelbäumchen, es ist eine gute Einstellung.
Die Sprengung des genetischen Korsetts ist vermutlich die einzige Chance ( technisch oder darwinistisch); die von dir angeführten kulturellen Werkzeuge sind vermutlich zu schwach. Auch bleibt politisch nicht mehr viel Zeit (bis der nächste Verrückte auf den roten Knopf drückt).Das neue Fach Epigenetik könnte mehr Menetekel als Hoffnung sein; wenn die (jungen) Erkenntnisse der Epigenetik stimmen, werden deren Auswirkungen (Inputs einer traumatisierten Gesellschaft) den Untergang beschleunigen.
Wenn schon, dann richtig Eibl-Eibesfeldt
Leider vertippt, tut mir leid.
„N“ steht neben „B“ auf meiner Tastatur. Ich kenne den Namen.
Aber danke! „Wenn schon“ – denn schon; einer muß ja schließlich aufpassen. Meine Negligenz ist erschütternd.
Ein Viertel so schlimm, Werner 😉 und das t steht ja auch nicht weit weg vom d …