Dinge: Osterbrunnen

Beim FolyFos war ich dann doch etwas erstaunt, als das Publikum mit dem Begriff „Osterbrunnen“ so gar nichts anfangen konnte. Für einen Mittelfranken ist das so bekannt wie eine Nürnberger Bratwurst oder Elisen-„Lebkoang“. Das Titelbild ist übrigens von einem Usertreffen 2012 in Kloster Maulbronn – was gar nicht in Franken liegt, sondern in Baden-Württemberg. (Lensbaby 2.0)

Tatsächlich kam die Sitte, zu Ostern die Brunnen zu schmücken, von den fränkischen Hochflächen. Die Brunnen dort waren lange Zeit die einzige Möglichkeit an Wasser zu kommen. Es gibt da so gut wie keine Bäche, keine Quellen – und die Flüsse sind natürlich unten im Tal. Entsprechend wichtig waren die Brunnen. Und die wurden auch gepflegt. Die wurden nach dem Winter gereinigt, da wurden die Mechaniken überholt, die Brunnenabdeckungen erneuert und eben alles wieder schick gemacht – es ging ja um die Trinkwasserversorgung. Wer selbst einen eigenen Brunnen hat, der weiß, dass man da dran bleiben muss, sonst treiben sich relativ schnell eklige Viecher im Wasser rum. Und die Holzabdeckungen faulen schneller zusammen als man sie erneuern kann.

Osterbrunnen in Frauendorf, Oberfranken

Hier ist ein sogenannter „Laufbrunnen“ abgebildet. Die Laufbrunnen hatten gegenüber den Schöpfbrunnen den Vorteil, dass das Wasser immer frisch war, man brauchte allerdings irgendwo einen Hochbehälter, der für Druck in der Leitung sorgte. Und im Winter mussten sie abgestellt werden, weil sonst Becken und Leitungen geplatzt wären. Aber auch diese Brunnen wurden nach dem Winter gesäubert, denn es ist ja nicht so, dass man da den Eimer unter die Wasserleitung gestellt und gewartet hat, bis er voll war. Da hätte sich ne Schlange gebildet und es wäre vermutlich irgendwann zu zünftigen Keilereien gekommen. Man nahm seine zwei Eimer und schöpfte aus dem Becken. Dafür musste das Becken aber sauber gehalten werden. Heftiger Bewuchs, wie er heute in solchen Becken überall zu sehen ist, war ein NoGo und ruinierte auch den Stein.

Berching, 2014, Oberpfalz

Hier ein eiserner Laufbrunnen in Berching. Berching liegt im Tal und hatte nie Wasserprobleme – außer gelegentlich zu viel Wasser mit Überschwemmungen. Warum wird der geschmückt?

Da sind wir nun bei der geschichtlichen Entwicklung. Auf den trockenen Hochebenen in Franken war die Wasserversorgung überlebenswichtig, die Brunnenpflege war demzufolge eine Aufgabe der Dorfgemeinschaften. Da latschte ein Putztrupp durchs Dorf und wienerte die Brunnen. Das ist nämlich a) nicht so easy und b) auch nicht ungefährlich. Wer mal einen zehn Meter tiefen Schöpfbrunnen ohne technisches Gerät geputzt hat, weiß, dass das ein Job für Leute ist, die haargenau wissen, was sie tun. Und damit der Rest der Dorfgemeinschaft wusste, welche Brunnen bereits geputzt – und damit safe für die Trinkwasserentnahme – waren, wurden die markiert. Der Dorfpfarrer segnete die dann und dann ging’s wieder ins neue Jahr. Aus praktischen Gründen wurde die Putzerei in der Fastenzeit erledigt, so dass zu Ostern, wenn der Winter relativ sicher rum war, die Brunnen alle wieder in Betrieb waren.

Und entsprechend bekamen die Brunnen Osterschmuck. Wegen des Pfarrers. Und weil die Putzkolonne heile wieder aus dem Loch rausgekommen war.

Laufbrunnen in Abenberg, Mittelfanken

Ende des 19. Jahrhunderts kamen Touristen auf die fränkischen Hochflächen, nicht weil da Osterbrunnen standen, sondern weil es da massenweise romantische Burgruinen gab. Und die Touris – im fränkischen Volksmund „Kahlfresser“ genannt – standen da kopfkratzenderweise vor diesen bunt geschmückten, frisch polierten Brunnen und wussten nichts mit anzufangen. Also plünderten sie erst mal die örtliche Gastwirtschaft und erzählten am Abend im Tal, wo sie ihre Unterkunft hatten, dass es da oben bei den Hinterwäldlern so hübsches Zeug zu sehen gibt. Und dass sie bereits satt seien und da oben das Schnitzel nur zwofuffzich kostet.

Die Wirte im Tal, nicht faul, haben beschlossen, ihre eigenen Brunnen zu schmücken, so dass die Touris ihr Schnitzel in der „richtigen“ Kneipe bestellt haben.

Abenberg, Detail

Das gab ein bisschen Stress zwischen den Wirten im Tal und denen auf der Hochfläche, die dann erstmal versucht haben, ein paar mehr Eier und Grünzeug um die Brunnen rumzumachen, aber den Eierkrieg konnten sie nicht gewinnen und deshalb sind die am prächtigsten geschmückten Brunnen mittlerweile die, bei denen das eigentlich nicht viel Sinn macht.

Das Phänomen hat sich dann verbreitet, weil man dachte, man könne da nen Hype installieren und dann kamen die Nazis daher und vermuteten einen germanischen Fruchtbarkeitskult. Hat aber nicht viel geholfen. Denn als dann die Leute mit dem Auto unterwegs waren, waren die Osterbrunnen kein Touristenziel mehr. Man fuhr dran vorbei, „Ui, hübsch“ und spätestens beim zehnten Dorf konnte man keine bemalten Eier mehr sehen. Die bis in die 80er Jahre noch tatsächlich ausgeblasenen Eier wurden zunehmend die Zielscheibe von Vandalen, die die empfindlichen Schalen zerstörten und mittlerweile sind bei fast allen Osterbrunnen die Eier aus Plastik.

Hier ein „Brunnen“ in Rockdorf, der kein Trinkwasser zur Verfügung stellt, sondern einfach nur aus einem Tank immer wieder das selbe Wasser umwälzt. Der örtliche Obst-und Gartenbauverein verlustiert sich hier damit, den Betonring etwas aufzuhübschen.

Seine Funktion hat der Osterbrunnenbrauch natürlich längst verloren. Soweit mir bekannt ist mein Schwingbaumbrunnen der einzige in ganz Nordbayern, mit dem man tatsächlich Wasser schöpfen kann. Längst sind die Hausbrunnen – die es noch in Massen gibt – blanke Betonröhren, die fest verschlossen und mit Pumpen versehen sind. (Unabhängig davon, dass die durch Vorschriften immer weiter ausgerottet werden.) Die Brunnenreinigung ist nicht mehr Aufgabe der Dorfgemeinschaft, sondern jeder putzt selber, oder auch nicht. Und geschmückt wird meistens nur der „historische Brunnen“ – oder, mangels eines solchen, eben so ein Ding wie abgebildet.

Ach ja, Excire kennt keine Osterbrunnen.

9 Replies to “Dinge: Osterbrunnen”

  1. >Nürnberger Bratwurst oder Elisen-„Lebkoang“

    ..kannte ich wohl, jetzt aber auch dank des langen Beitrags auch diesen Brauch.

    Vielleicht sehe ich ja dann mal einen, wenn ich wohl kurz mal vor der Osterwoche in der Gegend bin.

    Siegfried

      1. Jein,
        interessant ist aber, das die Dame im Text schreibt, das sie die Idee ihren Osterbrunnen zu schmücken aus dem schönen Franken mitgebracht hatte.
        Das deckt sich also mit Reinhards Text.

        LG Andreas

  2. Danke für den Artikel und der Ursprungsidee einer Fotosammlung im FolyFos dahinter.
    Schön näheres zu erfahren und die ergänzenden Links von Helmi und Andreas.
    Gefällt, von den wertschätzenden Bräuchen zu erfahren. Wasser stand in der hiesigen Gegenden eher mit dem Thema Entwässerungstechnik in Verbindung.
    LG Thomas

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