Rockwell: Fauxtografen

Olysseus hat in einem Kommentar gestern den Artikel über „Fauxtografen“ von Ken Rockwell verlinkt. Den kannte ich noch nicht. Ich habe oft selbst gesagt „Wenn ein Typ, der Workshops gibt, behauptet, er sei ein „Pro“, dann lügt er, weil ein Pro keine Zeit für Workshops hat.“ Ein YouTube-Kanal frisst so irre Zeit, dass kein Profi-Fotograf ernsthaft einen YouTube-Kanal betreiben kann. Und Rockwell definiert einen Profi als jemand, der 100% von der Knipserei leben kann.

Ich schreibe fast jeden Tag einen Blog. Ich bin Autor und Journalist. Das habe ich schriftlich, weil ich nämlich sonst nicht in der Künstlersozialkasse sein könnte. (OMDS hat zwar behauptet, ich wäre das nicht, aber das ist eine der gefühlt zwanzig anderen blödsinnigen Behauptungen, die ich von denen amtlich habe. ) Und außerdem bin ich Fotograf. Steht auf meiner Handwerkskarte drauf. Ich zahle den ganzen Versicherungskram, Berufshaftpflicht, Betriebshaftpflicht, Journalistenrechtsschutz, Vermögenshaftpflicht und den ganzen Kack.

Rockwell sagt: Das Kennzeichen eines Fauxtographen ist, er hat kein Portfolio. Ich habe so was ähnliches auf meiner Fotografen-Website, aber mein Portfolio ist hier. Wer Fotos von mir sehen will – hier gibt es rund 8000 Bilder und rund hundert Videos zu sehen. Keine Standard-„Nudes“, keine Babys in Blumentöpfen, keine Schwangerenbäuche und nur selten ein romantisches Pärchen. Weil ich meine Bilder an meine Kunden verkaufe und nur dann hier Models zeige, wenn ich die bezahlt habe, und damit das Recht habe, die Bilder für mich zu verwenden.

Ja, ich bin Autor. Ich schreibe Bücher. Und erkläre Menschen, wie sie mit diversen Kameras knipsen. Aber ich habe erst professionell fotografiert und dann erst Bücher drüber geschrieben. Dass ich jeden Tag dazulerne, gestehe ich gerne. Ich will jeden Tag besser werden.

Ich habe ein paar Jahre Seminare gemacht. Diese Seminare haben gerade die Unkosten gedeckt und ich hätte sie nicht zu dem Preis machen können, wenn ich nicht ein abbezahltes Haus hätte, in dem ich diese Seminare machen kann. Mittlerweile mache ich keine mehr, weil die Nachfrage zu gering ist und ich ja nie mein Geld mit Seminaren verdient habe. Es gibt andere, die ihr Geld mit sündteueren Fotoreisen machen. (Das ist eine tolle Sache. Man stellt den Leuten ein Motiv vor die Kamera, sie müssen nur noch draufdrücken und fertig. Win-Win für alle. Die Leute lernen da natürlich nicht besser fotografieren, aber sie haben geile Fotos, die sie daheim rumzeigen können.) Fauxtographen machen Seminare.

Und sie arbeiten für Kamerahersteller und erzählen, wie geil die Knipsen sind. Allerdings gibt es auch Fauxtographen, die das Gegenteil machen. Nämlich Kameras verreissen. Das gibt mehr Klicks.

Und von einem Fauxtographen würde man laut Rockwell nie hören „Die Kamera spielt keine Rolle“.

Also bin ich wohl doch einer. Denn ich bin sehr wohl der Meinung, dass die Kamera eine Rolle spielt. Gear matters. Sag doch mal einem Kunden, dass Du seinen nächsten Auftrag mit der C3030 machen willst. Und liefer das dann ab. Habe ich einmal gemacht, darauf habe ich einen Anruf vom Chefredakteur bekommen, ob ich noch alle Latten am Zaun habe. Geh mal mit einer Canon-D30 auf ein klassisches Kammerkonzert und mach Fotos vom Pianisten. Es kann Dir passieren, dass Du schneller den Saal verlässt, als Du gedacht hast.

Wolfgang Müller und Michael Arnold spielen Grieg vor einem überschaubaren Publikum von elf Personen im großen Musiksaal des Willibald-Gluck-Gymnasiums. 9.4.2008. E-3 mit 14-54. Metz 54 MZ4i. Blitz ist kacke, also habe ich es mit ohne probiert. ISO 3200 um irgendwas scharf zu bekommen – denn die Zeitung hätte gerne scharfe Bilder. Bewegungsunschärfe ist nicht so das Ding von Lokalbildredakteuren. Heftiges Spiegelgeklapper und darauf folgender Rauswurf. Heutzutage mit der OM-1 und einem 14-35 f/2 überhaupt kein Thema mehr. Gear matters.

Der Musiksaal ist mittlerweile abgerissen worden. Hat aber wohl nichts mit dem Konzert zu tun.

Also wieder wie üblich: Alle Pauschalisierungen und Typisierungen treffen natürlich nur auf andere zu – nicht auf mich.

Selbst Rockwell muss zugeben, dass auch „echte“ Fotografen gelegentlich Workshops machen. (Annie Leibovitz z.B.) Aber höchsten ein- oder zweimal im Jahr. Spätestens beim dritten Workshop ist man dann aber sicher ein Fauxtograph.

Safe.

Titelbild: Michaela als Fauxtographin….

6 Replies to “Rockwell: Fauxtografen”

  1. Ja, ja der gute Ken. Schon lange vor YouTube betreibt er gefühlt seit den Anfängen des Internets seine Webseite um mit affiliate links und Kaffespenden Geld zu machen. In all den Jahren hat sich hat sich das Layout der Seite kaum geändert. Sein dortiges Portfolio besteht aus wenigen schrill übersättigt bunten Bildern, die seinen Einstellungsempfehlungen wohl entsprechen. Vermutlich hat er eine große Reichweite und glückliche follower. Sie seien ihm für seinen Fleiß gegönnt.

    1. Kann man genauso sehen, inkl. der „schrill übersättigten Bilder“. Trifft es nicht schlecht.
      Andererseits war ich schon viele Male froh, bei ihm Informationen zu finden, über ein altes Objektiv.
      These: Seine „Datenbank“ ist vielleicht attraktiver als das Portfolio.

  2. Nicht zu vergessen, hier mal Butter bei de Fische:
    Education
    „A real photographer has an MFA (Masters of Fina Art) from Yale or Art Center. “
    Awards
    „Real awards are Pulizers, grants from arts institutions or winning open juried art competitions. Winning is first place or grand prize, not an honorable mention or second place.“

    …Die Zahl der wirklichen PROs dürfte recht überschaubar sein….

    Btw: Afsteck-Blitz ist grausam, aber auf dem Bild irgendwie auch sehr clever.

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