Fotografie hält Dinge fest. Hübsche, weniger hübsche. Witzige, spannende, skurrile. Die reine Fotografie wegen der „coolen Fotos“ hat eine Halbwertszeit von wenigen Minuten. Ich habe auf all den Reisen nach Skandinavien viele coole Fotos gemacht. Spektakuläre Fjorde, Pottwalfluken, Mitternachtssonne, die ganze Palette.
Aber nach einem Jahrzehnt oder länger sind genau diese Fotos die, die ich mir nicht mehr ansehe. Ich suche nach solchen Fotos:
Das ist das alte Hotel Botn. Damals hing auch noch das Schild dort:
Das Schild hängt nicht mehr, aber dafür ist die Fassade liebevoll restauriert:
Über dem Eingang kann man jetzt die Jahreszahl 1887 wieder lesen. Vor zwölf Jahren sah die „Eingangshalle“ noch so aus:
Man hat damals auch die Innenwände relativ simpel aus Baumstämmen gezimmert. Grün gestrichen. Fertig. Diese „Flickenteppiche“ die da liegen, sind übrigens in Norwegen ziemlich verbreitet. Die wurden früher auf den Bauernhöfen selbst gewebt und dabei eben alles an kaputten Klamotten verarbeitet, was so rumlag. Selbstverfreilich ist ein solches Bild heute nicht mehr möglich.
Oder ein anderer Punkt: Die Straße nach Urnes, die ich ja schon vor einem Jahrzehnt beschrieben habe und die sich kaum geändert hat. Die hat drei Tunnel. Alle ohne Licht. Mittlerweile haben sie zumindest die Wände weiß gestrichen, vor einem Jahrzehnt waren die innen schwarz. Da konnte man Licht einschalten, was man wollte, da drin war es zappenduster. Wie der Tunnel in die Drachenstadt.
Vor einem Jahrzehnt hatten sie an den Tunneleingängen diese Kästen, in denen Taschenlampen lagen, damit man zu Fuß oder mit dem Fahrrad durch den Tunnel kam. Am Ende des Tunnels gab man die Taschenlampe wieder ab. Natürlich waren die Taschenlampen immer leer oder geklaut. Klar. Mittlerweile haben sie die Kästen und Schilder abmontiert. Hat ja jetzt auch jeder ein Handy mit Taschenlampenfunktion dabei.
Manche Dinge habe sich auch kaum geändert. Wie dieses Haus kurz vor der finnischen Grenze. Auch das beobachte ich jetzt seit 15 Jahren, simpel weil ich halt jedes mal vorbeifahre, wenn ich in Finnland über die finnisch/norwegische Grenze komme.
Als ich das das erste Mal fotografiert habe, stand es verlassen rum, alles offen, im Inneren stand Trödel aufgestapelt. Die Nebengebäude verfallen.
Heute sieht es kaum anders aus:
Ein paar Bretter sind gerichtet, das war’s. Die Zufahrt blockiert jetzt ein massiver „Wegbom“, rechts daneben steht ein brandneues Wohnhaus, das Nebengebäude links ist wieder in Ordnung.
Auch hier: Da kümmert sich wer.
Solche Beispiele habe ich viele. Häuser, die vor zehn Jahren klassische „Lost Places“ waren, die erhalten werden, teilweise renoviert werden oder renoviert sind. Andere Häuser, die weiter verfallen, verlassen wurden, leerstehende Hotels, Wirtschaften, Läden.
Es ist ein Muster erkennbar.
Und je nachdem, wo und wie man hinsieht, findet man das wahlweise toll oder niederdrückend…
Fotografie hilft dabei, solche Entwicklungen, die über Jahrzehnte gehen, sichtbar zu machen…
Das Titelbild? Sognefjell 31.8.2011.
Nach einiger Zeit der „künstlerischen Fotografie“ bin ich FÜR MICH auch zum Schluss gekommen:
Dokumentation ist alles. Fotografie hält die Realität des Augenblicks fest. Jedes Foto ist ein Beweisfoto. Für Behörden, für später, für die Gesellschaft. Für mich.