Diesen Blogbeitrag gibt es nicht auf Englisch, weil man dazu einen deutschen Blogbeitrag von Hauke Fischer kennen muss. Nämlich den hier. Ihr wisst ja, meine Kommentare zu seinen Blogbeiträgen beschränken sich im Allgemeinen auf zwei Worte: „Genau so!“.
Diesmal muss ich aber meinen Senf dazugeben. Gerade weil ich eben aus dem Journalismus komme und man da ein paar Dinge machen muss, um die sich ein Hobbyfotograf rumdrücken kann. Doch dazu später.
Es geht in dem Blogbeitrag um die grassierende Kreativitätslosigkeit, bei Autoren auch als „Angst vor dem weißen Blatt“ bekannt. Sein Vorschlag: Knipsen gehen und im Zweifel auch Grütze knipsen. Ausprobieren was ne Festbrennweite hergibt, was man mit Perspektiven und Licht ändern kann. Selbst einen banalen Mülleimer so lange aus allen Perspektiven mit allen Brennweiten und Blenden ablichten, bis er cool aussieht.
Guter Tipp, aber nicht ultraneu. Gerade für Olyfanten, die jahrelang mit mir Monats- und Wochenthemen bearbeitet haben. Wo es auch mal um „25mm schwarzweiß“ oder dergleichen ging. „Technische Themen“ haben wir das seinerzeit genannt. Das Lernziel dabei ist eigentlich gar nicht Kreativität – denn der Kick „neue“ Perspektive oder „neue“ Beleuchtung nutzt sich schnell ab – sondern Dinge im Kopf zu fotografieren. Also eine Situation zu sehen, und genau zu wissen: Da brauche ich jetzt 35mm, Blende 2,8, ich muss warten, bis die Wolke da oben noch etwas weitergezogen ist, dann muss ich mich dort hinstellen und wenn ich dann von der Bank runter fotografiere, habe ich den besten Hintergrund. Dann macht man das, drückt auf den Auslöser, fertig. Das ist das Endziel. Erst kucken. Dann knipsen.
Das Ziel ist, dass ich meine Augen und meinen Kopf wie eine Kamera benutzen kann. Dass ich die Szene dreidimensional sehe und mich in Gedanken in dieser 3D-Szene bewegen und Perspektiven und Licht ausloten kann, ohne mich einen Millimeter zu bewegen. Wenn ich dann auch noch Bewegungen von Licht, Gegenständen und Personen in dieser Szene antizipieren kann, dann bin ich so weit, dass ich dort stehe, wo man die beste Perspektive auf etwas hat, was noch nicht passiert ist. (BTW: Hauke fotografiert genau so. )
Und das ist genau das, was ein guter Fotojournalist kann. Der ist als Erster mit der richtigen Brennweite am richtigen Ort und fährt die Ellebogen aus. Es gibt sogar Journalisten, die genau wissen, welcher Kollege diesen „Riecher“ hat und stellen sich daneben oder auch rotzfrech davor.
Und Journalisten, gerade die Harten aus den Lokalredaktionen, haben noch etwas anderes drauf, was Hauke anspricht. Wildfremde Menschen auf der Straße fotografieren. Als Journalist, der einen Knipskasten bedienen kann, kriegt man nämlich fast jede Woche den Auftrag „Voxpop zum Thema XYZ“. Also zieht man los, macht sich zum Vollhorst, stellt Passanten grenzdebile Fragen, notiert Name, Alter und Antwort, macht ein Foto und weiter zum nächsten Opfer. Dabei lernt man eines: Antworten kriegt man problemlos, Fotos naja, und Name und Alter – das ist kritisch. Deshalb ist der richtige Weg nicht der, den Hauke beschreibt: Name und Mailadresse des Opfers erfragen, damit man ihm das Foto zusenden kann, sondern die eigene Visitenkarte übergeben und sagen „Wenn Sie haben wollen, Mail genügt, kriegen Sie gratis.“ Denn – Überraschung – das Erfragen von Name und Mail ist eine Erfassung von personenbezogenen Daten, die mit weiteren personenbezogenen Daten – dem Foto – verknüpft werden. Eigentlich müsste man da nun eine Aufklärung nach DSGVO vornehmen. Was so ziemlich die Garantie ist, dass man als komplett durchgeknallt wahrgenommen wird. Also eigene Visitenkarte abgeben. Ist für alle Beteiligten einfacher und unkritischer.
Und ja, 50% der mit Visitenkarten bedachten werden sich niemals rühren. Weil man nicht der Typ war. Oder die Leute ausreichend Fotos selber haben. Oder sie die Karte gleich weggeworfen haben. Warum auch immer. So what?
Hauke hat noch zwei andere neue Blogbeiträge rausgehauen – zum Beispiel den hier – da bin ich wieder mit Unterschrift komplett dabei…
Ich erinnere mich an meine erste Straßenumfrage. Was man sehr schnell lernt: zuerst fragen, ob die Bereitschaft besteht, mit Foto und Name genannt zu werden. Nichts ist ärgerlicher, als eine wunderbare Antwort zu bekommen – und dann möchte der Interviewte bildlich und namentlich anonym bleiben.