Seit Jahren kriege ich böse Kommentare, dass meine Bilder „Amateurknipsbilder“ seien. Das ist eine coole Methode, den anderen platt zu machen, weil sich über Geschmack nicht streiten lässt und mit dem pauschalen „Amateurknipsbilder“ ist man auch der Notwendigkeit jeglicher konkreter, konstruktiver Kritik enthoben.
Erstmal habe ich wahrscheinlich von meinen Amateurknipsbildern mehr verkauft als all die „Fachleute“, die mit diesem Ausdruck um sich werfen, jemals gezeigt haben. Irgendjemand scheint sie also so gut zu finden, dass er/sie mich dafür bezahlt und die Fotos teils noch nach weit über einem Jahrzehnt in der Firmenkommunikation verwendet.
Und dann komme ich aus dem Journalismus. Tagesgeschäft. Da wird nicht RAW geknipst, sondern JPG. Da wird nicht bearbeitet. Da muss das Foto aus der Kamera sofort verwendbar sein. Auch in der Produktfotografie wird nach Möglichkeit OoC geliefert. Warum? Weil die Nachbearbeitung Zeit und Geld kostet. Wenn der Kunde die Wahl hat zwischen einem Fotografen, der die Bilder sofort druckfähig aus der Kamera liefert und einem, der da an hundert Bildern drei Tage sitzt, dann nimmt er den, der im Studio sauber produzieren kann.
Ganz viele Influencer gefallen sich in endlosen Schattenaufhellungen, Composings, HDRs, ausgetauschten Himmeln und Entrauschungsorgien. Das ist nicht professionell, das ist Hobbyistenkram zum Beeindrucken von schlichten Gemütern. Bilder, die „falsch“ sind, weil es solche Lichtverläufe nicht geben kann, erwecken Aufmerksamkeit. Boah Alter, was kann der fotografieren. Nein, das hat mit Fotografie nichts zu tun und niemand zahlt was dafür, außer Firmen, die denken, sie müssten von ihren Produkten ablenken. (Es gibt eine sehr zuverlässige Regel: Wenn ein Model im Katalog direkt in die Kamera kuckt, ist entweder das Produkt oder der Fotograf Mist. Manchmal beides. Gelegentlich hat auch nur der ArtDirector seinen Titel in der Schießbude als Trostpreis gewonnen und der Fotograf kommt nicht aus seinem Vertrag raus.)
Ich zeige 99% meiner Bilder OoC. Weil meine Leser dann an der gleichen Stelle mit der gleichen Kamera und den gleichen Einstellungen das gleiche Bild machen können. Und nicht erst noch extra Kohle für Photoshop-Einstellungen abdrücken müssen. In meinem allerersten Buch zur E-520 habe ich zu jedem Bild die kompletten EXIFs abdrucken lassen. O Wunder, das gab Ärger, weil es Buchkunden gab, die von Betrug sprachen, weil einige Bilder nicht mit der E-520, sondern auch mit E-500 und E-3 gemacht worden waren. Seitdem steht die Kamera nicht mehr dabei.
Klar könnte ich meine Bilder mit EBV aufpeppen. Mit den aktuellen Tools kann das jeder Depp mit ein paar Mausklicks. Ich könnte meine Videos Colorgraden und SloMo bis zum Erbrechen einbauen. Nur, wozu? Damit Leute, die auf Plastik abfahren, mich hochjazzen und in zwei Jahren, wenn eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird, als von Gestern beschimpfen? Ich habe eines der Standardwerke zu HDR geschrieben – ich weiß also, wie das mit der Schattenaufhellung geht. Nur ist das halt von vor über einem Jahrzehnt gewesen. Jetzt machen sie nicht mehr so bonbonbunt und auf einmal ist das wieder „Cool“. Nein. Es ist immer noch die gleiche Nummer wie vor zwanzig Jahren. (Der letzte Schrei ist jetzt, die Bilder tagsüber zu machen und dann nur mit Luminar nen Abendhimmel und ne Sonne dranzuklatschen. Natürlich stimmen dann die Schattenverläufe nicht und der Himmel wirkt „falsch“ – aber es ist ein Hinkucker, weil es eben nicht „echt“ ist.)
Ich sehe es in der Immobilienfotografie. Da werden – weil die Sensoren es hergeben – Innenraum-HDRs gemacht. Die Software schafft es mittlerweile, da die natürlichen Farben zu bewahren. Beeindruckend. Nur leider geht es hier um Produktfotografie. Wenn die Besenkammer im Exposé so aussieht, als wäre Licht im letzten Winkel und die Wirklichkeit ein Kabuff mit 1 Watt-LED-Funzel ist, dann kommt sich der Kunde halt verarscht vor. Das war’s dann mit dem seriösen Immobilienmakler. Kommt davon, wenn man einen engagiert, der im Netz total tolle Pics postet und ne halbe Million Follower hat.
Vielleicht sollte man jemand fragen, der sich mit sowas auskennt.
Zu guter Letzt noch der übliche Disclaimer: Ja, es gibt Amateure, die hervorragend fotografieren und Profis, die Mist abliefern.
Diesmal muss ich Dir leider in vielen Punkten Wiedersprechen.
Besonders bei „Auch in der Produktfotografie wird nach Möglichkeit OoC geliefert.“
Produktfotografie, Werbefotografie ist und war schon immer etwas anderes als Journalismus oder PR.
Und mein Respekt gehört sicher den Fotografen die für Journalismus fotografieren. Und gerade deshalb bitte keine Aussagen von Dir über Bereiche treffen in den man nur „Mitläufer“ ist.
Und dieser Satz „Es gibt eine sehr zuverlässige Regel: Wenn ein Model im Katalog direkt in die Kamera kuckt, ist entweder das Produkt oder der Fotograf Mist. Manchmal beides. Gelegentlich hat auch nur der ArtDirector seinen Titel in der Schießbude als Trostpreis gewonnen und der Fotograf kommt nicht aus seinem Vertrag raus.“ ist sowas von daneben, und zeigt mir, dass Du leider keine Ahnung von der Materien hast.
Und das was Du bei der Immobilienfotografie als „Produktfotografie“ verkaufen möchtest, ist Werbefotografie, was ganz sicher nochmals ein anderes Thema ist.
Reinhard ist schätze Dich, schreibe normalerweise nichts öffentlich über Deine Artikel/Bilder, aber diesen Artikel von Dir kann und will ich so nicht stehen lassen. Denn Deine hier auf den Seiten gezeigten Bilder, sind vielleicht für Amateure und Semi-Profis als professionell anzusehen, aber gelernte Profi in der Werbe- und Produktfotografie würden sich damit nicht gerade rühmen.
Man kann die Diskussion auch am Beispiel des Olympus Lensbook aufmachen. Toll anzuschauen, aber wenn Kinder auf Nashörnern durch die Großstadt reiten ist das für mich keine Fotografie mehr sondern Fotodesign / EBV. In einem Katalog der mir Objektive verkaufen soll, wären dann die „amateurhaft“ wirkenden Brennweitenvergleiche aus den Broschüren des analogen Systems hilfreicher, vertrauenserweckender.
Die beiden Bilder hier im Beitrag sind für mich als Amateur zum Beispiel sehr hilfreich. Das ist das Niveau, was ich mir zutraue erreichen zu können, mit dem Unterschied in der Zuverlässigkeit zum Berufsfotografen. Der Bildausschnitt passt, die Bildränder sind auch perfekt/ angeschnittene Objekte wirken nicht störend, technisch einwandfrei OOC, Lichtstimmungen geben die Situation glaubhaft wieder und der Arbeiter im oberen Bild wurde im richtigen Moment erwischt. Den Schatten beim Innenarchitekturbild der Meisterschülerin hingegen hätte ich sogar als Betrachter nicht als „falsch“ erkannt, geschweige denn in der analogen Fotografie – ohne Probebild beim Blitzen – vorhersagen können. Das Wissen um solche Situationen macht einen ausgebildeten Fotografen mit langjähriger Berufserfahrung aus.
Die obigen Bilder sind solche, die ich z.B. in Fotobüchern als positive Beispiele sehen will. Wenn man mir zusätzlich noch Bilder zeigt, die mir Fehler verdeutlichen ist das natürlich noch das Sahnehäubchen obendrauf. Nur leider muss dann für viele Leute das Bild – abgesehen vom besprochenen Fehler – vollkommenen sein. Da wird dann nicht mehr differenziert, welchen Zweck das Foto erfüllen soll und welcher Aufwand dafür gerechtfertigt ist.
Produktfotografie ist nicht nur das künstlerisch gestylte Foto eines Fertigmenüs, was beim Kunden nie so auf dem Teller erscheinen wird, das sind/ waren auch die Bilder in den dicken Wälzern der Versandhauskonzerne. Letztere waren wohl die sichere und lukrativere Einnahmequelle (wenn man sich nicht verzettelte), als das einzelne Bildchen für die Konservendose, wo die Herangehensweise sicher eine gänzlich andere ist.
Die lustige Amateur-Bezichtigung von Amateuren scheint es in allem Branchen zu geben. Unser Rechenzentrum wird auch gerne mal als Amateur-IT bezeichnet. Wenn das gerade im formalen Erwachsenenalter angekommene Jünglinge sind, ist das noch amüsant. Wenn aber ein ebenso praxisunerfahrener Akademiker plötzlich in einer Leitungsposition mitmischt und anfangen will, den Laden zu „professionalisieren“, dann wird es verdammt schwierig.
“Amateur” zu sein ist ja nichts Ehrenrühriges. Das sagt eigentlich nur aus, dass man sich mit etwas aus “Liebhaberei” (lat. amare = lieben) befasst und nicht als Brotberuf, und ist erst mal keine Wertung der Kompetenz. Es gibt auf allen möglichen Gebieten – nicht nur bei der Fotografie – ungeheuer fähige und erfahrene “Amateure”, denen viele sogenannte Profis nicht das Wasser reichen können. In der Wissenschaft wurden (jedenfalls früher) unzählige wichtige Entdeckungen von “Amateuren” gemacht. Deswegen würde ich sowas einfach an mir abprallen lassen.
Ich selber mache vermutlich seit fast 50 Jahren “Amateurknipsbilder”. Na und? Mir gefallen sie und den meisten Leuten, denen ich sie zeige, auch. Mehr will ich gar nicht. Miete und Essen verdiene ich “professionell” mit anderen Sachen.
Als Amateur hat man die Freiheit (den Luxus) dann kreativ zu sein wenn einem danach ist.
Ein Segen, dass ich mit der Fotografie nicht mein Geld verdienen muss. Das würde vermutlich meine kreative Fotografie (für mich) ersticken.
Die auf PAT gezeigten Bilder (und natürlich jene in den Büchern von Reinhard Wagner) sprechen mich gerade deswegen häufig an, weil sie massvoll oder gar nicht bearbeitet sind. Ich kann die allgegenwärtigen hyperrealistischen und auf Hochglanz polierten Bilder je länger desto weniger anschauen, weil sie so gar nichts mit unserer eigenen visuellen Wahrnehmung zu tun haben. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich wie viele hier Mitlesende aus der analogen Fotografie komme. Eigentlich war es wunderbar, dass uns damals durch das Medium enge (Belichtungs-)Grenzen gesetzt wurden. Heute kommen automatisch HDRs aus dem iPhone. Das verdirbt unsere Wahrnehmung.
Nur meine Amateur-Meinung… 😉