Wir hatten es gerade in den Kommentaren: Kleine Kinder und Blitz. Ebenso wie beim Blitzen von Insekten ist auch das Blitzen von Neugeborenen und Kleinkindern im Prinzip kein Problem, wenn man drei simple Regeln einhält.
- Nicht zu nahe ran.
- Nicht zu oft.
- Nicht in dunkler Umgebung.
Zuerst zum Unterschied zwischen natürlichen Blitzen und Gasentladungen. Ein natürlicher Blitz (Hauptblitz) dauert zwischen 1/10s und 1/4s. Also zwischen 100ms und 250ms. Ein Systemblitz dauert zwischen 1/22000s und 1/150s. Also zwischen 0,0454ms und 6,7ms.
Beim Systemblitz ist die Helligkeit über die Leitzahl ablesbar. Wie hell ist nun ein natürlicher Blitz? Nach etwas Rechnerei und der Analyse verschiedener Blitzaufnahmen aus unterschiedlichen Entfernungen, die ich habe, bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Helligkeit eines üblichen Systemblitzes wie dem 900er Olympus in einem Meter einem natürlichen Blitz in etwa 100 Meter Entfernung entspricht. (Nur ist halt die Blitzdauer deutlich geringer und die Lichtquelle ist nur wenige Zentimeter lang. )
Und nun vom Sender zum Empfänger, dem Auge. Das Auge hat einen fünfstufigen Helligkeitsregler.
- Die Pupille. Kann den Durchmesser zwischen 1 und 8mm variieren und benötigt dazu 0,3 bis 0,8 Sekunden. (viel zu langsam für Blitze)
- Die Rezeptoren (Zapfen und Stäbchen), Die funktionieren, indem der Sehfarbstoff zerfällt und einen Reiz auslöst.
- Die Neubildung des Sehfarbstoffs. Je stärker der Lichteinfall, desto geringer ist die Farbstoffkonzentration. Bei Dunkelheit wird mehr Farbstoff produziert, also ein empfindlicherer Film „eingelegt“. Eine solche Anpassung dauert bis zu 40 Minuten. Die Adaption an helles Licht dauert dagegen wenige Sekunden. (viel zu lange für Blitze)
- Der regelbare Widerstand in der Signalleitung ins Hirn. Gegen Blitze in nächster Nähe hat das Auge eine schnelle „Reizleitungsbremse“. Innerhalb von 50ms wird der Signalpegel am Ausgang der Nervenzelle stark begrenzt. Nach dem Ende des Blitzes dauert es dann bis zu einer Sekunde, diesen Signalpegel wieder hochzufahren.
- Der Lidschlussreflex. Der dauert etwa 250ms, hängt von vielen Faktoren ab und bei 17% der Menschen kommt es überhaupt nicht zu einem Lidschlussreflex. Vor allem bei Laserexposition ist der Lidschlussreflex oft zu langsam oder tritt gar nicht ein.
Wir sind also auf Gewitter pyhsiologisch ziemlich gut vorbereitet. Nicht aber auf technische Lichtbogenblitze. Aus der Tatsache, dass sich ein Kleinkind ein Gewitter ohne Schäden ankucken kann, auf die Reaktion auf Systemblitze zu schließen ist also ein Irrtum.
Was für Schäden können nun also durch die Blitzerei auftreten?
Da kann man sich mal an die Gegebenheiten beim Lichtbogenschweißen halten. Die Hornhautentzündungen beim Schweißen kommen vor allem von UV bis 400nm. Diese Wellenlänge sieht man normalerweise bei Bildern aus Digitalkameras nicht, weil die einen UV-Filter drin haben. Xenon-Blitzröhren emittieren aber nicht zu knapp UV und die Augen haben eben keinen UV-Filter. Bindehauteinzündungen, Trübung der Augenlinse und Grauer Star sind ebenfalls eine Folge von Strahlungen im UV-Bereich. Schädigungen der Netzhaut werden meist durch „Blue Light Hazard“ im Wellenlängenbereich von etwa 430nm hervorgerufen.
Wie machen sich verblitzte Augen bemerkbar? Innerhalb von etwa vier Stunden treten auf: Augenschmerzen, Fremdkörpergefühl im Auge, Augentränen, Blendempfindlichkeit, gereizte und gerötete Augen, Augenjucken. Eingeschränkte Sehschärfe.
Der Sicherheitsabstand für Systemblitze zu Personen beträgt einen Meter. Das sollte man auch bei Studioblitzen einhalten, auch wenn diese aufgrund der längeren Abbrenndauer und der meistens gesofteten Lichtführung nicht so kritisch sind. Mehr Abstand ist immer besser.
Und ja, natürlich ist „ein Blitz mal“ kein Drama. Aber die Schäden summieren sich. Das Auge hat ein verdammt gutes Gedächtnis. Gerade bei Kindern sind zwei Meter Abstand kein Luxus. Sieht auch besser aus. Noch besser ist immer indirektes Blitzen. Siehe „weiches Licht„.
Ein kleiner Hinweis noch: in letzter Zeit kommen LED-Blitze „In Mode“. LED-Blitze haben so gut wie keinen UV-Anteil. Das fängt erst mit 400nm an, geht dann aber steil nach oben und gerade der für die Netzhautschäden zuständige Anteil um 430nm ist ziemlich hoch. Auch LED-Blitze also mit Vorsicht handhaben.
Bei manchen Fotografen ist es üblich, den Pupillenreflex auszutricksen. Da dürfen die Models die Augen schließen und kurz vor dem Blitz die Augen wieder aufmachen. Das gibt „schöne dunkle Augen mit großen Pupillen“. Auch bei Bildern, bei denen den Models die Sonne oder der Reflektor voll ins Gesicht knallt: „Eins, zwei, drei, Augen auf“. Ich denke, was davon zu halten ist, sollte jetzt klar sein.
wie gewohnt sehr gut recherchiert und verständlich rüber gebracht.
Vielen Dank dafür.
Noch eine Sache zur Ergänzung; Durch Lichtreize wie sie beim Blitzen auf die Augen gegeben werden kann auch Epilepsie ausgelöst werden. Wer will diese Verantwortung bei Babys, Kleinkindern und Tieren übernehmen…
Vielen Dank für diese sehr interessanten Ausführungen. In dieser Form und so zusammenhängend, habe ich über dieses Thema noch nie gelesen oder gehört.
(Gibt es die genannten Zahlenwerte in einer einzigen „Quelle“ oder hast Du dazu viel recherchieren müssen ? )
Gruß Lutz
Eine Quelle habe ich verlinkt, einiges stammt aus der „Meisterschule“, da habe ich seinerzeit analoge Physiologie-Bücher gewälzt und dann noch einige andere Quellen.
Vielen Dank auch von meiner Seite für den interessanten Artikel.
die Gefahr von Augenschäden hängt sicher davon ab, ob man direkt in die Augen blitzt. Folglich sollte (müsste?) die Gefahr vor Augenschäden sinken, wenn man indirekt blitzt und/oder einen Blitzdiffusor verwendet, der die für die Augen wahrnehmbare Lichtquelle stark vergrössert (z.B. Lightsphere).
Ich habe keine Ahnung, ob die Abstrahlfläche irgendwelche Auswirkungen hat. Fakt ist aber, dass jeder Diffusor die Blitzleistung die auf den Quadratzentimeter im Zentrum trifft, drastisch reduziert. Das wäre mal ne eigene Untersuchung wert, wieviel Blenden das ausmacht.
Hm, Blitzlicht, Abstand und UV?
In der Forensik haben wir die transparenten Kunststoffabdeckungen vom Aufsteck-Blitzgerät abnehmen müssen, wenn wir ordentlich UV-Licht haben wollten (das geht auch nur, wenn die nicht Teil der Lichtverteilung ist). Hingegen hat man sich auch mit aufgesetzter Kunststoffabdeckung die Haare angesengt, wenn man das Blitzgerät unter 1cm auf den Arm hält. Einen Sonnenbrand hatte man davon nicht (dürfte Leitzahl 36 gewesen sein, war damals eines der leistungsstärksten).
Was ich sagen will: Der UV-Anteil ist bei (integrierten und Aufsteck-)Blitzgeräten eher kein Problem. Mit einem Studioblitzgerät habe ich das nie probiert – aber da hat man genug Leistung, dass man gar nicht in die Verlegenheit kommt, zu nah am Menschen zu sein.
Ich hätte da eher wegen der Energiemenge im sichtbaren Spektrum und der möglichen Epilepsie bedenken.
Der Ansatz „Lass, was nicht sein muss.“ ist generell nicht verkehrt – nicht nur beim Blitzen.
Die Leistung die direkt vor dem Blitz ist, ist heftig. Profis haben gerne mal die Kunststoffstreuscheiben geschmolzen. Und man kriegt u.U. Brandflecken auf der Jeans, wenn man den Blitz direkt draufknallt.
Wegen des UV-Lichtes. Ich bin beim Spektrum auf Untersuchungen anderer angewiesen. Und die haben nicht unterschieden, was die Kunststoffstreuscheibe ausmacht. Kann auch sein, dass das von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich ist. Better safe than sorry.