Vor kurzem habe ich eine Mail bekommen, von einem Kollegen, der mit manuellen Objektiven Streetfotografie in „S“ macht. Mit AutoISO. Mit der E-M1.
Die Kamera kann also die Belichtung nur über die schlechteste Möglichkeit regeln: nämlich die ISO. Und gerade bei der E-M1 bedeutet das nicht allzuviel Spielraum.
Wie kommt man auf so eine Idee?
Gegenüber M mit AutoISO hat das Vorgehen einen unbestreitbaren Vorteil: Man kann eine Belichtungskorrektur festlegen, was bei der E-M1 in M nicht geht.
Aber warum nicht simpel A? Die Kamera kann dann die Belichtung wie gewohnt über die Belichtungszeit regeln, die Blende legt man je nach gewünschter Schärfentiefe am Objektiv fest und dann gib ihm. Wenn man Bammel hat, dass die Belichtungszeiten zu lang werden, stellt man die ISO halt auf ISO 400. Dann kommt man bei Blende 5,6 und maximaler Belichtungszeit von 1/125s bis zu 10EV – und das ist schon ziemlich schattige Straße. Nach oben ist erst bei 16EV und 1/8000s Schluss, und 16EV hat man in praller Sonne.
Stellt man bei S auf 1/125s, dann hat man von ISO „Low“ bis ISO 3200 einen Bereich von 12EV bis 7EV. 7EV ist Bühnenbeleuchtung. Davon ist ISO 3200 bei der E-M1 eher zweifelhaft, mit brauchbarer Qualität hat man also gerade 5 EV Stufen: 8,9,10,11,12 und wenn sich irgendwas schnell bewegt- ein Skateboarder zum Beispiel, dann hat man mit 1/125s schon Pech.
Bei der Version mit „A“ hat man einen Range von 7 Stufen: 10,11,12,13,14,15,16. In besserer Qualität.
Natürlich kann man durch die entsprechenden Einstellungen von Blende und Belichtungszeit und ISO die jeweiligen Bereiche nach oben oder unten verschieben, aber der Unterschied im Range ist immer gleich. Mit A kann ich einen weit größeren Bereich abdecken, als mit S. Wenn man langbrennweitige, lichtschwache Objektive hat, wie das 75-300, das im Endeffekt nur mit Offenblende und Blende 8 Freihand sinnvoll zu betreiben ist, wird S sowieso zu M.
Ich sehe immer wieder, dass Fotografen gerne S verwenden, also Zeitvorwahl. Und zwar in ganz normalen Fotosituationen. Ich verstehe es bei Mitziehern, denn da ist die Zeit wichtig und die Blende ziemlich egal weil die Hintergrundunschärfe durch den Verwischer erzeugt wird. Aber in den anderen Fällen?
Vielleicht kann mir das jemand erklären….
Das Titelbild? Nicht von mir. Das ist Hamburg am 12.12.1924. Damals haben Fotografen immer alle Passagiere beim Ablegen abgelichtet und bei der Rückkunft konnten Sie dann das Bild als Erinnerung mitnehmen. Auch eine Art „Street“.
Vielleicht weil ich als Hobbyfotograf zwar schon davon gehört habe, dass A mir einen „größeren“ Spielraum gibt, aber dann in der Praxis nicht wirklich auf dem Schirm habe – in dem Moment der Aufnahme selbst wieder den Nutzen nicht erkenne? Das ist das Problem bei vielen Amateurfotografen, man konsumiert das Fotowissen aus Büchern, verinnerlicht es aber nicht wirklich. Ich bin da keine Ausnahme, vielleicht bei anderen Themen, aber ich erwische mich dann doch nicht selten, dass ich in Situationen wo es schnell gehen muss, dann doch wieder den einen oder anderen wertvollen Ratschlag nicht berücksichtigt habe.
A – Die Grundeinstellung für meine „Urlaubsknipserei“
S – Die 1/500s als längste Verschlusszeit für den Zug schräg von vorn. Weil ich dann immer „schußbereit“ bin und auch nicht das Problem mit der Änderung von Verschlußzeiten während der Aufnahme habe
M – Für einzelne, tatsächlich gestaltete Aufnahmen wie z.B. Architektur, Landschaft
Street – ich habe bis heute nicht wirklich begriffen, was das überhaupt ist. Wenn ich aber hier und da mal Zugang zu Archiven erhalte, um meinem Hobby – Verkehrstechnik – nachzugehen, zerreißt es einem schon das Herz, wenn man auf einigen historischen Aufnahmen halt nur noch ein paar verwischte Spuren von dem Vehikel wahrnehmen kann, nach welchem man vielleicht schon seit Jahren sucht. Den Rausch der Geschwindigkeit darzustellen, war ja z.B. in den 20igern fast unvermeidlich. Ich könnte den von Dir zitierten Fotografen also schon ein gutes Stück verstehen, wenn er unverhofft und zuverlässig einen Großteil der möglichen Situationen einfrieren können möchte.
S habe ich erst bei meinem Wechsel von den analogen OM zur E-M1 nutzen können – und mache das in Situationen wo mir die Zeit eventuell etwas knapp erscheint schon relativ häufig.
Gerade bei der Bahnknipserei würde ich auf M umstellen. Warum? Weißt Du, welche Farbe die Lok hat und wie gut die gewaschen ist? Wenn Du eine weiße Lok hast, hast Du eine andere Belichtung als bei einer schwarzen Lok – und Du hast keine Möglichkeit, in der kurzen Zeit die Belichtungskorrektur anzupassen, vor allem weil sich die Belichtung ändert, wenn die Lok einen größeren Bereich des Bildes einnimmt. (Abhängig von Deiner AEL/AFL-Konfiguration und Deinem Auslösemodus….)
„Damals haben Fotografen immer alle Passagiere beim Ablegen abgelichtet und bei der Rückkunft konnten Sie dann das Bild als Erinnerung mitnehmen.“
Das ist heute mehr denn je ein ziemlich großer Bereich des Broterwerbes von Fotografen…
Das geht vom Abi-Ball über Gala-Events anderer Art bis hin zu den hier angesprochenen Schiffstouren (kurz wie lang).
Ein Kollege von mir hat ein halbes Dutzend Freelancer „unter Feuer“, die jedes Wochenende bei solchen (mehr oder weniger peinlichen) Gala-Dinner-Eventshows die Leute beim Reingehen in ihrer „Ausgehuniform“ knipsen und ihnen beim Rausgehen die Bilder verkaufen. Und das in mehreren Städten. Das ist nach wie vor ne ziemliche Goldgrube. Trotz der ganzen Handy-Knipserei kaufen die Leute diese Bilder…
Allerdings bin ich mir sehr sicher: die Kollegen fotografieren in M!
😉
Als passionierter „Bahnknipser“ fotografiere ich grundsätzlich RAW und meist mit A bei Blende 5 bis 5.6. In seltensten Fällen habe ich mal eine zu lange Belichtungszeit, weil ich nicht aufgepasst habe und bei schwächerem Licht bei 200 ISO geblieben bin. Die Foolformat-Kollegen greifen da eher zu über 1000 ISO und Blende 11…
Dank RAW kann ich problemlos abgesoffene Fahrwerke aufhellen oder bei sich plötzlich ergebenden Gegenlichtaufnahmen korrigieren. Ob die Lok hell oder dunkel ist, spielt nicht wirklich eine Rolle, denn die Umgebung füllt ja einen erheblichen Teil des Bildes. So muss man den lichtgrauen ICE eben etwas dunkler machen und beim schwarzen MRCE-Vectron ein wenig aufhellen, wenn er nicht knallig in der Sonne fährt. Und mit RAW lassen sich zusätzlich wunderschöne Schwarzweißbilder entwickeln.
Entscheidend ist wie immer, was hinten rauskommt. 🙂
Ich warte immer noch auf die Kamera, bei der ich die Parameter beidseitig einschränken kann. (Bei den ISO gehts ja schon ‚immer‘).
Also Vorwahl für schnelle Motive zB
ISO 100-6400
Blende 1.0-4.0
Verschluss 1/200s bis 1/32000s
Und für langsameMotive , Verwischer etc vielleicht
ISO 100-2000
Blende 1.0-11.0
Verschluss 1/2s bis 1/20s
Das ganze in M einstellen und auf eine freie C-Position legen.
So ähnlich arbeite ich mit den beschränkten Bordmitteln der Olys, ich habe 2 bis 3 Male eine A-Priority auf eine C-Position gelegt, mit jeweils unterschiedlicher längster Verschlusszeit. Kommt so nahe wie möglich.
Erinnert mich an wiederkehrende Diskussionen zu Analogzeiten welcher Ansatz der bessere ist. Meine Canon AE1 setzte auf Zeitvorwahl – also S – mit Blendenautomatik, die meisten Mitbewerber wie Nikon, Minolta auf Zeitautomatik in ihren Halbautomatischen Kameras bei Vorgabe der Blende. Nur ganz manuell ist halt M.
Aber ISO-automatik bringt vielleicht den körnigen RauschRetrolook wenn man ihn trifft.