Wohl kein Zuiko-Objektiv hat in letzter Zeit dermaßen Aufmerksamkeit abbekommen wie das 300 vier-null. Zur Photokina 2014 gab’s die ersten Infos dazu, dann sollte es im Herbst 2015 rauskommen und nun haben wir Januar 2016.
Was gab’s nicht alles an Gerüchten dazu – und wenn man sich überlegt, wie viele die Linse dann tatsächlich anschrauben werden – aber das Objektiv ist nun mal ein Teil, das sich nicht jeder leisten wird – und über einen neuen 9-elfer wird auch mehr diskutiert als über einen neuen Zeh-3.
Die allermeisten Daten sind ja bereits bekannt – dankenswerterweise von Colorfoto vorab veröffentlicht – auch wenn sie aus dem Linearmotor einen Ultraschallmotor gemacht haben.
Das oben ist das gute Stück, und damit lass ich es dann auch mal bewenden. In der Hand hatte ich es nämlich noch nicht – sobald ich es habe, gehe ich dann hier auf die lokalen Bussarde und Eulen los.
Ein paar Erklärungen vielleicht noch dazu: Direkt unter dem Schalter für den IS ist eine einzelne Linse mit ziemlich viel Luft – das ist das Fokuselement. Der schwarze Raum dahinter dient dazu, dieses Element zu bewegen. Außen rum um diesen Raum ist ein ziemlich kräftiger Linearmotor gebaut, der das Fokuselement mit erheblicher Geschwindigkeit verschieben kann. Der Fokus des 300er ist nämlich schneller als der des 40-150ers. In den Specs steht was von unter 400ms.
Und nun zu dem Teil, wegen dem ich mich ungeheuer in die Nesseln gesetzt habe: Das drittletzte Linsenelement, das mit der Luft dazwischen, ist der neu entwickelte Stabi. Der war ursprünglich nicht vorgesehen und ist in den zuerst verteilten Schnittbildern auch nicht eingezeichnet. Dann gab’s Gerüchte, es würde einen O.I.S geben, wie bei Panasonic, das habe ich immer verneint und als dann feststand, dass es doch einen Stabi gab, hieß es … egal, siehe das Bild oben. Aber es ist eben doch kein O.I.S.
Auf dem Schnittbild sieht man deutlich, dass die Linse verschiebbar ist. Das ist trotzdem eine Vereinfachung, in Wirklichkeit steckt da ein ziemlicher Apparillo dahinter: Das ist ein Gerät wie der Sensorstabi in der E-M5II oder E-M1, nur eben statt mit einem Sensor, mit einer Linse in der Mitte.
(Ich warte bereits jetzt auf die ersten empörten Meldungen in den Foren: Wenn ich mein 300er schüttele, dann klappert es!)
Diese beiden Stabis – in Kamera und Objektiv – arbeiten nun zusammen und erreichen eben die in der Werbung erwähnten 6 Blendenwerte Stabilisierung.
Warum hat man nicht einfach den Stabi in der Kamera leistungsfähiger gemacht? Das ist relativ simpel: Geht nicht. Die Begründung ist komplexer. Der Weg, den der Sensor zurücklegen kann, ist aus mehreren Gründen begrenzt – einmal durch das Gehäuse und andererseits auch durch den Bildkreis der Objektive. Man kann den Sensor natürlich nur solange verschieben, wie er nicht aus dem Bild hinausfährt, das das Objektiv liefert. Der Bildkreis ist vom Standard vorgeschrieben und mehr geht nun mal nicht.
Der Stabi im Objektiv sorgt nun dafür, dass der Stabi in der Kamera nicht mehr so lange Wege hin und herfahren muss und eben auch, dass eine größere Stabilisierung ermöglicht wird, weil der Stabi im Objektiv den Bildkreis selbst verschiebt.
Normalerweise sagt man, optische Bildstabilisatoren sind des Teufels, weil sie die Optik absichtlich dezentrieren. Das ist völlig korrekt, das Bild wird dadurch nicht besser. Nur wird eben auch durch eine vergrößerte Auslenkung des Sensors das Bild nicht besser, selbst wenn der Bildkreis groß genug ist – jede Optik wird zum Rand hin schlechter, auch die Zuikos, und wenn der Sensor am Rand des Bildkreises herumfuhrwerkt, um die Verwacklung auszugleichen, dann tut das dem Bild auch nicht gut.
Also hat Olympus nun eine trickreiche Kombination gebaut, die es ermöglicht, Optik und Kamerastabi im optimalen Bereich zu betreiben. Derzeit funktioniert das schon mit der E-M1 und der E-M5II, in den jeweils neuen Firmwareständen..
Leider ist Panasonic außen vor, die haben ihre eigene IS-Kombination angerührt, die ist allerdings nicht so leistungsfähig. Ohne diese Sync-Funktion kann man das 300er auch ganz normal an einer mFT-Kamera betreiben und dann ist der Objektiv-Stabi auch alleine funktionsfähig – halt eben mit den üblichen Einschränkungen, die ein optischer Stabi hat, auch in Bezug auf die Bildqualität.
Es ist übrigens NICHT möglich, den Stabi des Objektives an der E-M1 lahmzulegen und nur mit dem Kamerastabi zu arbeiten. Der IS-Schalter schaltet den IS komplett aus. Oder an. Eine Funktion, die zuerst absurd klingt – aber durchaus in der Situation sinnvoll ist. Das Objektiv ist im Wesentlichen ein Objektiv für’s „Birding“ also für die Vogelknipserei. Da beobachtet man einen Vogel am Baum und fotografiert ihn – dazu braucht man maximale Stabilisation. Dann fliegt er auf und über den Fotografen hinweg. In diesem Augenblick ist der Stabi das überflüssigste Bauteil in der Kamera. Mit dem Schalter kann man den IS blitzartig deaktivieren und dem Vogel mit dem Objektiv folgen – wenn man hat, auch mit dem Eagle-Eye Punktvisier.
Ein weiterer Gimmick des Objektives ist die Naheinstellgrenze von 1,4 Metern. Die Naheinstellgrenze des alten 300 2,8 liegt bei 2,4 Metern. Entsprechend ist der Abbildungsmaßstab grob 1:4, mit dem MC-14 1:3. Damit kann man was anstellen. Vor allem mit dem Stackingmodus der E-M1.
Die Optik wird 2600 Euro kosten. Viel Geld für jemand, der normalerweise mit einem 75-300 gute Ergebnisse erzielt. Wenig Geld für jemand, der die Preise eines 300 f/2,8 kennt. Und nun noch eine Kleinigkeit: Die MTF-Chart, also die Modulations-Transfer-Funktion des 300 f/4,0 ist bei 4,0 (Offenblende) in der Auflösungslinie etwa 6 Prozentpunkte höher als die des 300 f/2,8. und 10 Prozentpunkte höher, als die Linie des 300mm 2,8 bei Offenblende. Und im Gegensatz zur Linie des 100/400 von Panasonic läuft sie nahezu schnurgerade und ohne auffällige Buckel. Übrigens schlägt das „Neue“ das „Alte“ 300er auch mit Telekonverter bei 5,6. Zwar knapp, aber eindeutig.
Erwähnte ich schon, dass das 300 f/4 eine neue Vergütung hat? So eine für gar überhaupts keine Flares mehr? Nicht? Ist auch nicht so wichtig. Wen die massive Stativschelle stört, der kann sie runtermachen und durch einen glatten Ring ersetzen. Sogar Schutzfilter gibt’s für das Objektiv von Olympus.Und die Stativschelle ist – Heureka – ArcaSwiss-kompatibel. Snapshotring mit Entfernungseinstellung? On Board, die Nachtfotografen wird’s freuen. Fokuslimiter? Klar – 1,4m – 4m – Unendlich. Und eine eingebaute Streulichtblende. Staub- und Spritzwassergeschützt, Frostsicher…. und noch einen Gimmick hat es drin, den verrate ich aber nicht. Es soll spannend bleiben….
Kleiner Nachtrag noch: Im Netz ist ein Video zu finden, in dem Olympus die Funktion des Sync-Stabi zeigt. Da drin wird der Eindruck erweckt, dass der Objektiv-IS Priorität hätte, also zuerst der Objektiv-IS arbeitet, und erst dann, wenn der am Ende ist, der Kamera-Stabi. In einem anderen Video wurde diese Info aufgegriffen und weiterverbreitet. Das ist aber falsch – natürlich arbeitet der Kamera-Stabi von Anfang an mit – es geht gar nicht anders. Der Objektiv-Stabi kann ja die Wirksamkeit des Stabis nur in zwei Achsen verbessern. Die Stabis sind darauf optimiert, eine minimale Auslenkung zu ermöglichen. Je größer die Auslenkung, desto schlechter werden naturgemäß die Bildergebnisse – weil eben, siehe oben, die Randbereiche des Bildkreises genutzt werden. (Und zwar nicht nur beim Stabi im Objektiv, sondern auch beim Stabi in der Kamera).