Die ersten Birder stellen erschrocken fest, dass die G9II “Rolling Shutter” hat. Überraschung. Ein Sensor, der kaum schneller ist als der E-M1II-Sensor. Hat natürlich Rolling Shutter. Synchronzeit beim elektronischen Verschluss etwa 1/60s. Die OM-1 hat die Hälfte. Und selbst da kann man den Rolling Shutter noch provozieren. Wenn man ausreichend Aufwand betreibt, dann kann man das sogar noch bei 1/300s provozieren.
Die Abhilfe ist einfach: mechanischen Verschluss verwenden.
Ach ja, dann kann man nicht mehr mit 60fps C-AF ballern. Deswegen hat man sich die Kamera ja gekauft.
Ja. Genau. Da gibt’s doch ne neue Kamera, die Alpha 9 III. Mit 120fps und Global Shutter. Die jetzt sogar auch ProCapture drin hat. Die kostet zwar ein bisschen mehr als die G9II oder OM-1, aber global gesehen ist der Unterschied zwischen 2000 und 7000 Euro marginal. Und natürlich muss die Kamera für 2000 Euro das Gleiche können, wie die für 7000 Euro, die es noch gar nicht gibt.
Klar doch.
Ich glaube, ich verstehe das alles nicht mehr.
Kaum haben die Techniker wieder irgendwas besser gemacht, kommen Leute daher und zeigen “Da, kuckt mal, das geht nicht. ”
Ich nehme mich da nicht aus. Als die E-M1X mit der Objekterkennung rauskam, habe ich das ausprobiert, beschlossen “zu langsam” und die Sache ad acta gelegt. Bei der OM-1 gleiches: Ich habe ne Viertelstunde Tauben mit der Objekterkennung verfolgt und dann mit C-AF und dann war die Objekterkennung für mich erledigt und mein Respekt vor dem C-AF gewaltig.
Ich habe mehrere Jahre hauptsächlich mit dem elektronischen Verschluss der E-M1II fotografiert und ich habe nicht ausreichend Rolling-Shutter-Bilder bekommen, um in meinen Büchern das demonstrieren zu können, ich musste meine Zuflucht zu LKWs und Propellerflugzeugen nehmen, die an der Kamera vorbeibretterten. Denn von Weitem war der Effekt gar nicht zu provozieren.
Der Sensor der G9II ist schneller als der Sensor der E-M1II und auf einmal ist Rolling Shutter ein Thema. Es gab massenweise analoge Kameras, deren Tuchverschluss war langsamer als der elektronische Verschluss der G9II – hat das wen gestört? Handys haben Rolling Shutter. Wie Sau. Trotzdem knipsen und filmen alle damit. Wir haben mit der E-P2 komplette Konzertfilme gemacht. Rolling Shutter war da kein Thema.
Was ist jetzt mit dem Wagner los? Jetzt verteidigt er auf einmal die G9II? Wird der jetzt von Panasonic bezahlt? Nein. Und natürlich hat die OM-1 den schnelleren Sensor. Aber es ist vermutlich mit allen Kameras so: irgendwas ist immer. Irgendein Haar kann man immer in der Suppe finden.
Was mich an Kameras nervt ist, wenn Features, die im Vorgänger drin waren, entfernt werden. Da bin ich nicht zu beruhigen und kotze im Strahl – simpel, weil es mein Job ist, die Features der Kamera zu nutzen und ich es nicht ausstehen kann, wenn jemand mein Handwerkszeug kastriert.. Aber wenn ein Hersteller was gut macht – und ein anderer Hersteller auf einem anderen Gebiet was besser macht, dann ist das für den anderen Hersteller gut, stört mich aber nicht weiter. Sonst bin ich mit egal was ich kaufe, unzufrieden und wenn ich mein Werkzeug nicht mag, dann gibt’s keine guten Bilder.
Ja, es gibt Motive, die kommen mit der G9II nicht so prickelnd. So what? Schmeißen jetzt alle ihre E-M1II/III/X, OM-5 was nicht noch auf den Müll weil die nooooooch langsamer sind als die G9II? Nope.
Verblüffenderweise gibt’s kein Gejammere ob des Menüs der Panasonic, das mich sehr an die alten Oly-Menüs erinnert, nur dass halt alles anders heißt. Anscheinend ist der Textbaustein “unübersichtliches Menü” bei der Panasonic nicht im Angebot.
Mein Plädoyer ist: Keine Kamera ist perfekt für jeden Zweck. Und wer eine Kamera für Dinge verwendet, für die sie nicht gebaut ist, darf sich nicht wundern, wenn das Ergebnis nicht zufriedenstellt. Den Motorsegler kann ich ja simpel mit mechanischem Verschluss knipsen – und schon ist Frieden.
Den Rolling Shutter Effekt kannten wir schon, als wir noch gar nicht wussten, was ein Schlitzverschluss ist, aus diversen Comics. Das war dort ein beliebtes Stilmittel zur Darstellung von Bewegung. Es gab ja schon vor hundert Jahren Schlitzverschlüsse, die noch viel langsamer waren. An der Leica 1/25s, an größeren Formaten wahrscheinlich noch gemütlicher.
Der Rolling Shutter Effekt der EM10ii war letztlich der Grund, warum ich mir eine EM1ii zugelegt hatte (neben der anderen Vorteile). Ausschlaggebend waren aber weder Mitzieher noch Vögel im Flug (die sind bei mir sowieso meist nicht vor schnurgeraden Linien unterwegs), sondern einer, der vielleicht nicht sofort ins Auge springt: Handheld-Stacking bei Macros. Egal ob Fokus-Bracketing oder Serienbild mit “händischem” vor-zurück-Schieben: die Bilder waren untereinander häufig auch durch minimale Bewegungen um wenige Pixel verzerrt, dass es erst beim Stapeln auffiel. Leider war damals kein Stacker in der Lage die Bilder brauchbar zusammenzufügen und das war eine elende Handarbeit. Seit der EM1ii habe ich hier keine Probleme mehr.
PS: Der klar bessere IBIS sowie die schnelle Bildrate helfen da natürlich auch.
PPS: Bis auf solche speziellen Anforderungen und herausragende Profis sind doch schon seit Jahren alle Kameras besser als 95% der Personen hinter dem Sucher *duckundweg*.
Es ist schon beeindruckend, was Sony mit der A9III auf die Beine gestellt hat. Mein erster spontaner Gedanke war: Das wäre doch eigentlich eine typische Olympus Entwicklungsleistung gewe … – ach ne, die gibt es ja nicht mehr.
Spaß beiseite: Das High-Speed-Feature der A9III erkauft man sich ja mit Kompromissen an anderer Stelle. Meines Wissens liegt die Base-ISO bei 250 und Sony hebt nicht mehr, wie eigentlich sonst immer, den dramatischen Dynamikumfang der Kamera hervor (weil wahrscheinlich nicht so herausragend). Dann hat der Sensor ja auch “nur” 24 MP, was zwar nicht schlecht ist, aber klar weniger als das, was Käufer der aktuellen Einsteiger- und Mittelklasse-Modelle A7 IV und A7C II mittlerweile gewöhnt sind. Und dann kostet das Teil schließlich auch 7000 Euro.
Man kann halt nicht alles haben …
naja. Das ist ein neuer Sensor und die kommen nun mal für fast alle Kamera Marken von Sony.
Sony wird sich hüten den ersten für Sport Fotografie nutzbaren Sensor an Nikon, Fuji oder OMDS zu geben…
Ich fotografiere Züge, die mit 80 bis 160 km/h ab etwa 8 Metern Entfernung schräg bis rechtwinklig an mir vorbei fahren, durchweg mit dem elektronischen Verschluss. Bei der E-M1 war Rolling Shutter bei 90° sichtbar, bei dem OM-1 und der E-M1X sieht man nichts, weder bei 1/400 noch 1/1600. Und auch das Zugtracking funktioniert mit beiden gut bis sehr gut. Flugzeugpropeller sind mit dem elektronischen Verschluss aber auch bei 1/2500 verbogen.
Von einem Fotografen mit Nikon 800E bekam ich Fotos eines Eisenbahnmodells, mit PC-E Nikkor Micro 85/2.8 und Blende 29 bis 32 aufgenommen. Die Beugung ist heftig sichtbar, man muss das Bild mit Topaz Sharpen AI bearbeiten, damit es scharf wird. Solche Fotos mache ich mit der E-M 1 II mit dem 60er Makro und maximal Blende 9. Die sind erheblich schärfer und ohne sichtbare Beugungseffekte. Notfalls mit Focus Stacking. Ganz ohne Sharpen AI.
Es kommt eben immer aufs richtige Werkzeug an. Keine Kamera kann alles. Aber unsere Kameras können mehr als die meisten von uns, mich eingeschlossen.
Ich fotografiere seit Jahren praktisch nur noch mit EV. Sollte ich mal Lust verspüren, einen ICE oder einen Propeller knipsen, schalte ich um auf den MV….
Eher habe ich beim elektronischen Verschluss Probleme mit Streifen im Bild, wenn ich vergessen habe, bei Neon- oder LED-Beleuchtung auf mechanischen Verschluss umzustellen. Und ja, verbogene Flugzeugpropeller hatte ich auch schon (bei Fotos im Flug über die Tragfläche hinweg bei einer JU52) und ein abgehacktes Stück Flügel bei Fotos der extrem schnell flatternden Taubenschwänzchen. Ich habe fast immer den EV an.
Ich halte den rolling shutter der G9.2 für ein schönes Beispiel, wie komplex die Zusammenstellung einer “universellen” Kamera ist. Endlich hat Panasonic auch im MFT-Segment PDAF implementiert und dann bleibt die Kamera trotzdem nur beschränkt brauchbar für Birder. Persönlich halte ich das ja auch beim Filmen für nicht egal, aber das entscheidet ja eh jeder für sich.
Die Entscheidung der Produktverantwortlichen der OM1 für einen gestackten Sensor und nicht für einen Sensor mit mehr Pixel war meiner Meinung nach klug (beides wäre auch ok gewesen, aber nicht gestacked wäre für mich nicht akzeptabel). Es war jedenfalls keine populäre Entscheidung, da hat sich jemand etwas gedacht dabei. Das macht mich zuversichtlich.
Natürlich kann man auf mechanischen Verschluss umstellen (bei z.B. der Z8 und Z9 mangels Hardware nicht – für Birder wahrscheinlich nicht dramatisch, für Stadionfotografen vielleicht eher doch, v.a. im Vergleich zur A9.3 – wird man bei den Olympischen Spielen in Paris beobachten können, ob das ein Thema wird, oder nicht). Was man mit mechanischem Verschluss jedenfalls nicht kann, ist “black-out-free” zu fotografieren. Ein Sucherbild ohne “flackern” macht das Verfolgen von Objekten aber deutlich komfortabler. Aber, s.o., wenn der rolling shutter dann zu heftig ist, das Ergebnis nicht befriedigend ,weil scharf aber “schief”, macht das auch keinen Spaß.
Das heißt nicht, dass die G9.2 nicht trotzdem eine gute Kamera ist. Das war die G9 auch schon, halt so wie auch jetzt die G9.2, nicht für alles. Aber das ist ohnehin keine Kamera 🙂
Rolling Shutter ist für mich kein technischer Fehler, sondern ein Art Filter.
Die wunderbar bizarren Flügelbewegungen von Libellen, anderen Insekten und sonstigen Schnellflüglern wie Limikolen oder Kolibris etwas kreativer abzubilden als die dokumentarische Biologie vielleicht fordert, ist fotografische Kunst.
Die Ergötzung an einem technisch perfekten Propellerbild ist für mich etwas weit weg, ich bin kein industrieller Investigator.
Die ovalen Patschen, die im Titelbild einen vermutlich asthmatischen Kabriokäfer kraftvoll nach vorne ziehen, sind Kultbotschafter; alles was schneller und optisch genauer ist, ist Fake !
Vielleicht ist irgendwann auch mal genug; genug mit Ansprüchen, Forderungen, technischem Rassismus und Minderwertigkeitskomplexen gegenüber dem eigenen fotografischen Libidoorgan.
Der Käfer ist nicht schneller als Fahrradgeschwindigkeit gefahren. Damit das Ding rasant aussieht, waren allerhand Tricks notwendig. E-M5II (langsamer Sensor) , f/5, damit die Schärfentiefe durchs Auto reicht, 1/1600s, damit die Sache trotz Verreissens scharf wird und 28mm, damit ich das Auto nicht nur von der Seite habe. Mit den neueren Kameras sind solche Bilder überhaupt nicht mehr möglich. Natürlich hätte man einen simplen Mitzieher mit geschlossener Blende machen können – aber das kann ja jeder…. und dann ist gerade dieser Comic-Style verloren…
Ach ja: der Trick ist, dass man schneller mitzieht, als das Auto fährt – und das Auto trotzdem komplett im Bild hat…
Eben!
Und genau das ist Können, Kunst, Art und gleichzeitig rasant düpierte Historik.
Actionfotografie anno Schnee und – wie Du schreibst – fast nicht repetierbar.
Rezeption von Originalität und Qualität ist nicht neurotisch fixierter Überholzwang, sondern Reflektion durch Sitzenbleiben.
Hallo Reinhard,
wenn man eine Kamera benutzt, die einen normalen CMOS-Sensor mit mechanischem Verschluss
benutzt, dann gibt es keinen “Rolling Shutter”-Effekt. Wenn man aber bei derselben Kamera
den elektronischen Verschluss einschaltet, dann entsteht der “Rolling Shutter”-Effekt.
Wie kann das sein?
Es handelt sich doch um denselben Bild-Sensor. Was verändert sich denn im Bild-Sensor,
wenn man den Vorhang (mechanischer Verschluss) ein-/abschaltet. Wird der Bild-Sensor
in solchem Fall etwa anders angesteuert?
Das wäre ein gutes Thema für den FolyFOS oder einen Techartikel bei Oly-E.de.
P.S.:
Ray Harroun am 30. Mai 1911 beim ersten 500-Meilen-Rennen von Indianapolis:
https://www1.wdr.de/stichtag/autorennen-indianapolis-stichtag-mai-100~_v-gseagaleriexl.jpg
Den Rolling Shutter Effekt gibt es auch beim mechanischen Schlitzverschluss immer, es fragt sich nur, ob das im Bild auffällt. Bei einer Blitzsynchronzeit von 1/250s oder kürzer ist der Effekt deutlich schwächer als bei den altmodischen Tuchschlitzverschlüssen. der elektronische Verschluss ist streng genommen kein Verschluss, sondern der Sensor wird zeilenweise ausgelesen. Bei der G9.II geschieht das 60 mal in der Sekunde, dauert also jedesmal etwa 1/60s. Der Effekt ist dann viermal so stark wie beim mechanischen Verschluss.
..zur Vervollständigung: schalte ich die spiegellose Kamera auf mechanischen Verschluss, dann bleibt dieser zunächst offen, um das Sucherbild zu liefern (das Bild wird aus dem Sensor zeilenweise ausgelesen). Drücke ich den Auslöser, dann schließt sich der Verschluss, der Sensor wird entladen, dann öffnet sich der Verschluss für die Dauer der eingestellten Belichtungszeit, dann schließt er sich wieder, und der Sensor wird mit dem -während der Belichtungszeit entstandenen- Bild zeilenweise ausgelesen. Dieser Auslesevorgang kann länger dauern als die eigentliche Belichtung! …. und dann öffnet sich der Verschluss wieder, damit man wieder was sieht im Sucher.
@ Albrecht
@ Achim
Vielen Dank. Jetzt habe ich es verstanden.