Wer von euch kennt Jim Knopf – nicht? Ich hoffe, ihr habt nicht nur die Augsburger Puppenkiste gesehen, sondern auch beide Bände gelesen. Und zwar, natürlich, die der ersten Ausgabe mit der genauen Bauanleitung für das Perpetuum Mobile im Vorsatz. (Ernsthaft. Ich habe seinerzeit an meine Minitrix-Dampflok ne Leiste mit nem Magneten vorne dran geschraubt um das auszuprobieren. Als ich dann bei meinem Vater wegen einem stärkeren Magneten bettelte, hatte der zu tun, mir zu erklären, warum das nicht funktionieren kann. Beim Himbeersaftantrieb des Fliewatüüts wusste ich dann, was davon zu halten war…)

Es geht aber jetzt nicht um Weltliteratur. (Und nicht um die “politisch korrekte” Neuausgabe des Verlags.)

Es geht um Frau Mahlzahn. Den Drachen. Der dann, nachdem er von Jim Knopf, Lukas und Emma gefangen wurde ohne ihn zu töten, zum “Goldenen Drachen der Weisheit” wurde.

Gerade ist sowas ähnliches passiert, das in meinen Augen von der Bedeutung her gar nicht zu hoch einzuschätzen ist.

Ein großer chinesischer Hersteller hat mit einem großem japanischen Lieferanten einen Liefervertrag geschlossen. Die Japaner haben zur Bedingung gemacht, dass der chinesische Hersteller das gelieferte Zeug nicht dafür verwendet, um ihnen Konkurrenz zu machen. Die Chinesen haben unterschrieben und sich – wie das in den letzten Jahrzehnten üblich war – einen feuchten Kehricht drum gekümmert. Eine große chinesische Firma in China zu verklagen war ziemlich teuer und ziemlich aussichtslos.

Die Japaner haben davon Wind bekommen und trotzdem in Hongkong auf Einhaltung des Vertrages geklagt. Die Chinesen waren ziemlich entspannt, haben sich nicht weiter beeindrucken lassen und die Markteinführung vorbereitet. Man verließ sich, wie die letzten Jahrzehnte, auf die chinesische Justiz.

Fail.

Das Gericht urteilte zu Gunsten der Japaner. Der Vertrag sei eindeutig und auch chinesische Hersteller hätten sich an Verträge zu halten. Die Rechtsabteilung des Herstellers bekam Hals – und zwar mit Recht, denn die hatten ja ihrem Cheffe gesagt, das mit dem Vertrag sei Easy-Peasy, da könne man Flieger draus bauen. Und der bekam jetzt natürlich Blutdruck. Denn das Gericht ließ sich nicht auf Diskussionen ein. Die Zeiten, in denen man das Recht nach Belieben gebeugt habe, seien vorbei. Jetzt werde ehrlich gespielt. Und zwar auch mit dem Ausland.

Das bedeutet noch lange nicht, dass westliche Firmen jetzt nach Belieben nach China reinregieren könnten, aber wenn eine westliche Firma jetzt einen Vertrag mit einer chinesischen Firma abschließt, dann ist das in Zukunft ne Bank. Das bedeutet, dass die Verhandlungen jetzt härter werden. Denn die Chinesen haben auch festgestellt, dass Verträge im Westen öfter mal nicht das Papier wert sind, auf denen sie stehen, weil sich oft genug die westlichen Firmen auf den rechtlichen Beistand durch Gerichte und Politik verlassen können. Aber nachdem die Chinesen ihr Augenmerk sowieso auf andere Märkte richten ist es vor allem wichtig, dass sich die Chinesen als verlässliche, rechtssichere Partner präsentieren. (Europa ist derzeit kein Markt, bei dem sich langfristige Investitionen oder aufwendige Produktentwicklungen rentieren, denn wer weiß, ob China nicht morgen ganz oder teilweise Einfuhrverbot erhält. Die Berechenbarkeit der EU-Führung ist – sagen wir mal – nur in soweit gegeben, als es nur immer verrückter wird. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass einseitige Wirtschaftssanktionen im Völkerrecht nur dann erlaubt sind, wenn sie vom Sicherheitsrat angeordnet werden. Was die EU betreibt ist ein illegaler Wirtschaftskrieg – und im Rest der Welt wird das sehr genau wahrgenommen. ) Der Rest der Welt ist ausgesprochen interessiert daran, Verträge zu schließen, die auch eingehalten werden.

Dieses Urteil gegen einen sehr großen und wichtigen chinesischen Hersteller ist – natürlich – ein politisches Urteil. Eines, das weltweit die Karten neu mischt.

Hoffen wir, dass die EU rechtzeitig aufwacht, sonst bleibt ihr nur noch die Rolle des Kiebitz. Und die sind beim Skat normalerweise nicht erwünscht.

Und leider traue ich unserem politischen Personal nicht zu, eine Dampflokomotive zu besteigen, durch den Tunnel der Finsternis in die Drachenstadt zu kommen, sich mit einem Halbdrachen anzufreunden und dann einen Volldrachen gefangen zu nehmen und zu warten, bis er ein goldener Drache der Weisheit ist.

Wahrscheinlich scheitern sie schon in der Wüste. Turtur ist ja nicht mehr da, der spielt Leuchtturm und Scheinriesen sind sie ja selber.

5 Replies to “Frau Mahlzahn”

  1. Und jetzt? Die Chinesen müssen ja in die Sache massiv investiert haben. Ist das Projekt jetzt tot, oder werden die sich mit den Japanern zusammensetzen und irgendwie einigen? Immerhin gingen ja auch den Japanern Einnahmen flöten, wenn die Chinesen nicht damit weitermachen könnten, was sie machen wollen – und die Japaner dann ihr Zeug halt auch nicht an die Chinesen verkaufen könnten…

    (Verbindlichen Dank für den schönen Text und ein, zwei geopolitische Erkenntnisse, die ich so bewusst noch nicht hatte.)

    1. Die Frage “und jetzt ” kann niemand beantworten. Das Thema ist extrem groß, global und hat mehr Facetten als ein Bleikristallkrug. Fest steht auf jeden Fall, dass Lieferanten ersetzt werden können. Das dauert halt immer etwas, aber es wird passieren. Und es ist immer so das Problem mit Gerichtsprozessen. Sie hinterlassen selten allgemeine Zufriedenheit. Die beste Lösung ist immer, fair miteinander umzugehen. Wenn jemand Fehler macht, darüber reden und versuchen Lösungen zu finden. Das ist meistens weit lukrativer als sich die Schädel einzuschlagen.
      Nach allem, was ich mittlerweile aus den diversen Leitungsebenen mitbekommen habe, ist eine der schlimmsten Erfindungen des Menschen der Bonus am Jahresende. Der ist für immense Umweltschäden, Unmassen Pleiten und stapelweise Leichen verantwortlich. Schlimmer ist nur noch der Quartalsbonus.

  2. Dem kann ich nur zustimmen, wenn ich manchmal gesehen habe, was für Klimmzüge gemacht wurden Technik auf Kundenstandorte auszuliefern, nur um zum Quartalsende abrechnen zu können, die Technik wurde dann oft erst ein halbes Jahr später aufgebaut, weil der Kunde Standorte (Mobilfunk) nicht schneller realisieren konnte.
    Am Geschäftsjahresende manchmal aus Budgetgründen noch nachvollziehbar, unterjährig dann nicht. Der Aufwand das Zeug dann weiter zu transportieren, Garantiethemen, weil die Läuft dann ab Rechnungsdatum im Werk.

    1. Ich halte Boni generell für den falschen Weg. Sie entziehen der Firma Liquidität, sind immer ungerecht, weil sie die Leute, die dauernd gute Arbeit machen zugunsten von Dampfplauderern benachteiligen. Zahlt den Leuten fairen Lohn für ihre Arbeit und motiviert sie mit einer geilen Firma. Wenn Leute sich nur wegen der Boni den Arsch aufreißen, sind sie meistens nicht sehr überzeugt von dem, was sie tun. Boni wecken Neid und Missgunst. Und sorgen dafür, dass die eine Abteilung sehr gerne ihre Umsätze auf Kosten einer anderen Abteilung steigert. Und wenn die Firma gegen die Wand fährt, sucht man sich halt ne andere Firma mit Bonussystem.
      Hat man schon mal davon gehört, dass Altenpfleger Boni kriegen, wenn sie besonders schnell pflegen, bei der Essensausgabe sparen und Windeln doppelt verwenden? Nö. Den Bonus kriegt der Sesselfurzer oben, der “die Kosten gesenkt” hat.

  3. Die Michael Ende Bücher habe ich als Kind geliebt, und bis heute die einzigen Bücher der Oberkategorie Roman, die ich mehrfach gelesen habe (okey, Korrektur: Tom Sawer und Huckleberry Finn ausgenommen, das habe ich als Erwachener nochmals gelesen, und war schockiert, was für eine Parabel auf US-Kapitalismus das darstellt, nicht umsonnst war Autor dort verboten). Gerade heute fragt man sich, wie konnte er damals schon die Inspiration für solche Texte haben, die eigentlich ein Warnung für unsere Zeit darstellen.
    Der Hinweis auf diesen Kulturwandel im Osten finde ich interessant. Dabei fällt mir ein Gespräch ein, mit jemanden im Ruhestand über seine Erfahrungen mt dem Abschluss von Geschäften in verschiedenen Ländern. Dabei ist mir in Erinnerung daß er betonte, bereits zur Sowjetzweit waren Verhandlungen mit den Russen die härtesten. Dannach allerdings wurden diese immer verlässlich eingehalten. Etwas das man von etlichen anderen nicht so sagen kann.

    (P.S. – Off Topic: Schaue das neue Brandvideo von OMDS bitte nur im Beisein deines Arztes an.)

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