Der Ablagekorb

Das ist ein Ablagekorb. Nicht so ein stapelbares Plastikdingens, wie man sie heute hat, sondern ein richtiger Korb. Mit innen rotem Kunstleder. Glaube ich zumindest. Darin liegt ein KPD-Mitgliedsbuch mit den eingeklebten Beitragsmarken 1926 und 1927. Da das Büchlein mal im Wasser gelegen hat, haben sich die Marken teilweise abgelöst.

Kann sich noch wer an die mutige Rede des SPD-Abgeordneten Otto Wels vom 23.3.1933 erinnern? “Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!” Wels hat dann Fersengeld gegeben und ist zuerst nach Prag und dann nach Paris geflohen, schon bevor die SPD im Juni 1933 verboten wurde.

War halt blöd, dass sich die SPD nicht rechtzeitig mit der KPD verbündet hat, um Hitler aufzuhalten, als das noch möglich war. Die SPD bezeichnete die KPD als “Komminazis” und die KPD die SPD als “Sozialfaschisten”. Die inflationäre Bezeichnung des politischen Gegners als Nazis und Faschisten hat also Tradition.

Was hat nun das KPD-Mitgliedsbuch mit dem Ablagekorb zu tun? Es gibt ein altes Foto genau dieses Ablagekorbs:

Das hier ist das Büro der Nürnberger Gestapo ca. 1944. An der Wand Gauleiter Holz und Bürgermeister Liebl, dazwischen der Gröfaz. Links der Ablagekorb. Die Dame ist die damalige Sekretärin, die die Verhörprotokolle schrieb. Ein ganz normaler Job damals für Mädels aus gutem Hause, deren komplette Verwandtschaft in der Partei war.

Das Mitgliedsbuch der KPD war nicht notwendigerweise eine Fahrkarte ins KZ. Man wurde verhaftet und verhört, und wenn jemand aus der Partei ausgepackt hatte, dann war es zu spät, das Testament zu machen, aber wenn die Genossen dicht gehalten hatten und man die Codes für die Briefe gut versteckt hatte – und man irgendwie wichtig für die Nazis war – dann kam man heile aus diesem Büro raus. In dem Fall war das KPD-Mitglied als Dachdeckermeister wichtig, weil es dauernd irgendwas zu decken gab. Vor allem nachdem die Briten und Amerikaner dauernd Bomben auf die Altstädte warfen.

Ich habe in den Ablagekorb noch etwas gelegt.

Das war ein Flugblatt der Amerikaner, das zusammen mit den Bomben abgeworfen wurde. Die Flugblätter mussten abgeliefert werden, wer mit einem erwischt wurde, wurde entweder verhaftet oder gleich erschossen. Das Flugblatt ist vermutlich von Oktober 1944, weil dort bereits die Übergabe von Kornelimünster am 14.9.1944 erwähnt wird.

Der Text ist zu lang, als dass ich ihn hier komplett zitiere. Er fängt an mit

Fast jeder Deutsche weiss, dass der Krieg verloren ist – und dass es an Deutschland selbst liegt, das Ende zu beschleunigen. Viele fragen sich aber, was man unternehmen kann. Man kann allerhand:
Man kann sich zusammenschließen – mit gleichgesinnten Nachbarn und als Arbeiter mit anderen deutschen und fremden Arbeitskameraden. …

Im Kasten steht:

Man kann selbst für den Frieden kämpfen. Dazu ist Mut erforderlich – und straffes Zusammenhalten gegen Gestapo und SS. Aufträge und Befehle kommen von den Führern der Widerstandsgruppen.

4 Replies to “Der Ablagekorb”

  1. Aktuell wiederholt sich alles Verwerfliche erneut.
    Haben die Menschen etwas aus der Vergangenheit gelernt?
    Konsequenzen gezogen?
    Können die heutigen Menschen überhaupt richtig Denken?
    Egoismus und Nächstenliebe )Enno das heutzutage noch jemand?
    Oder muß die aktuelle Menschheit in den Ablagekorb und vier Jahre auf gutgemeinte Flugblätter aus Nordamerika warten…

  2. Wichtige Zeitzeugen!
    Also der Ausweis und das Flugblatt. Und dein Wissen dazu.
    Der Ablagekorb ist auch ein „netter“ Zeitzeuge, allerdings eher optisch und politisch nur symbolisch….
    Übrigens: auch diese Körbe waren stapelbar. Zumindest manche. Und dein Bild sieht so aus, als wäre das einer, für den das zutrifft.

  3. Vielen Dank fürs Zeigen; dem Martin W. schließe ich mich an. Je stärker der Einfluss derer, die jene Zeiten am liebsten aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt sähen, umso wertvoller und notwendiger das beständige Wiederauffrischen der Erinnerung. Sowas Gegenständliches kann die Zeit überbrücken, und es waren ja tatsächlich auch nicht mal 100 Jahre.

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