
Vor ner Woche habe ich drüber geschrieben und beim FolyFos habe ich es noch mal kurz angesprochen. Und natürlich kamen jetzt Nachfragen. Wie sinnvoll ist das? Muss ich lauter neue Objektive kaufen?
Fangen wir mal prinzipiell an:
Wozu 100MP?
Für ein beliebig großes Bild, das mit einem Betrachtungsabstand = Bilddiagonale betrachtet wird, reichen 5MP. Das ist ne Binse. Wenn ich ein Bild vollflächig auf einem 4K-Monitor ankucken will, werden 10MP benötigt, weil die Monitore 16:9 sind und deshalb oben und unten was verloren geht. Wenn man höher auflösende Bilder ansehen will, werden diese skaliert und je nach Algorithmus kann es passieren, dass das Bild unschärfer wird als ein Bild in niedrigerer, aber passender Auflösung. Für den Druck reichen 10MP bereits für eine A4-Doppelseite. (Haalt, da ist doch diese 300dpi-Regel! A3 braucht 17MP! Theoretisch ja, praktisch habe ich in meinem ersten Buch ein 7,5MP-Bild auf A4-Doppelseite veröffentlicht und es war überhaupt kein Problem. Man sehe sich mal einen Bildband der Olympiade von 1972 an. Da stellt man fest, dass Bildschärfe offensichtlich ein Problem heutiger Zeiten ist. Damals war das den Leuten piepegal.)
Also wozu Auflösungen jenseits der 20MP? Man kann ausschneiden. Rein fotografisch ist das ein Armutszeugnis, denn Bilder sollten natürlich zuerst im Kopf und dann in der Kamera entstehen und nicht hintendran am Rechner. Aber: wenn ich nur 20MP brauche, hat mein Objektiv bei 100MP auf einmal reichlich die doppelte Reichweite. Das bedeutet, mit einem 150-400 komme ich auf einmal am langen Ende auf eine “Brennweite” von 894mm. Und da die Objektive in der Mitte die beste Auflösung haben, hält sich der Verlust da meist in Grenzen.
Und, so seltsam das klingt, es gibt Kunden, die wollen 100MP. Da gibt es eine Sportartikelfirma, die will Fotos haben, bei denen man nicht nur den Läufer auf dem gegenüberliegenden Bergkamm erkennen kann – sondern auch das Logo auf den Schuhen. Kannst Du das? Auftrag. Kannst Du nicht? Loser.
Und, natürlich, 100MP ist die ultimative Waffe im Kameraquartett. Und ich gestehe, in ein 100MP-Bild reinzoomen ist schon krass. Kann sich noch wer erinnern, als die ersten Gigapixel-Panos rauskamen? Als da jemand 2010 Paris fotografiert hat und man in die einzelnen Blumentöpfe reinzoomen konnte? Mit einer 100MP-Knipse macht man ein Dutzend Bilder und hat sein eigenes Gigapixel-Pano. Das Gigapixel von Paris, das seinerzeit das größte Digitalbild der Welt war, ist offline, aber man kann das hier haben. Auch 20Gigapixel und auch Paris mit Blumentöpfen. Und ja, da sind Stitchingfehler drin und bei ein paar Bildern hat er die Belichtung und die Schärfe verhaut. Irgendwas ist halt immer.
Also, 100MP ist lustig, manchmal braucht man, meistens nicht. Haben ist besser als brauchen?
Schaden 100MP?
Ja. Der Speicherbedarf auf der heimischen Festplatte geht radikal nach oben. Die Folgekosten – weit größere Festplatten, leistungsfähige Rechnerhardware, Backuplösungen – sind nicht wegzudiskutieren. Die RAWs sind auf einmal irgendwo bei 100MB angesiedelt, die JPGs bei 50MB. Ein Hochzeitssshoot mit 3000 Bildern belastet das Heimnetz auf einmal mit 450GB. Das ist natürlich alles überhaupt nicht mehr über SD-Karten zu stemmen, da ist eingebauter SSD-Speicher gefragt, der dann entweder über ein High-Speed Funknetz oder mindestens USB 3.2 an einen PC liefert, der das dann auch verarbeiten kann.
Schaden sie fotografisch? Sie verderben eventuell die “guten Sitten”. Und nun zur Frage aller Fragen:
Wie ist das mit den Objektiven??
Es gibt ja immer diese Bedenken, dass ein hochauflösender Sensor und ein niedrig auflösendes Objektiv im Wesentlichen Matsch produzieren und man dann die Objektive austauschen müsste. Das stimmt so in etwa. Wenn man ein Bigma 50-500 mit 10MP betreibt, dann ist das ganz OK. Bei 20MP sollte man sich eine 100%-Ansicht verkneifen oder extrem nachschärfen. Und bei 100MP ist das – klar – bei 100% nur Matsch. Aber, wenn man die Fotos halbwegs intelligent auf 10MP skaliert, dann kann man mehr rausholen, als beim 10MP-Sensor. Schlicht weil die Reserven für die Bearbeitung größer sind.
Um es so zu sagen: Die Datenqualität bei 10MP ist weit höher als bei 100MP. Nehmen wir mal an, wir haben bei 10MP 80% Nutzdaten und 20% Matsch. Bei 100MP haben wir nur noch 15% Nutzdaten und 85% Matsch. Dann sind die 15% von 100MP mehr Nutzdaten als die 80% von 10MP. Man muss sie nur rausgraben. Aber wie kann das sein? Die Auflösungsreserve ist immer der “Sweet Spot” in der Mitte des Bildes. Das 150-600 ist eigentlich ein Kleinbildobjektiv, das eine gute Auflösung bietet. Für einen 25MP Kleinbildsensor. Nun wird das gleiche Objektiv für ein Viertel der Fläche eingesetzt. Kann man daraus folgern, dass das Objektiv also auch einen 80MP Kleinbildsensor bedienen könnte? Nein. Es geht immer nur um den “Sweet Spot” in der Mitte. Dort hat man höhere Linienauflösungen.
Die Objektive werden also nicht schlechter, nur weil man einen höher auflösenden Sensor hintendran schraubt. Es wird nur eben alles rausgeholt, was im Objektiv drin ist.
Wie sieht das nun mit den Objektiven aus, die in der Kamera digital geometrisch korrigiert werden? Auch nicht anders als bisher. Die Korrektur hat die gleichen Probleme wie bisher: sie sieht “technisch” aus. Durch die größere Auflösung des Sensors sind auch mehr Daten da, die korrigiert werden können und müssen, am Ende ist das ein Nullsummenspiel. Wenn die Auflösung an den Rändern vor der Korrektur bereits zusammenbricht, dann kommt es auf den Algorithmus an, dass der das bei der geometrischen Korrektur ausgleichen kann, das sollte aber kein Problem sein, schließlich hat der Algorithmus auch eine Verdoppelung der Auflösung zwischenzeitlich problemlos weggesteckt.
Also: schlechte Objektive werden nicht schlechter, sondern meistens zumindest in der Mitte besser. Und je besser das Objektiv ist, desto mehr hat der Fotograf dann vom 100MP-Sensor. Wer seine Bilder nachbearbeiten will – und wenn es nur eine Horizontkorrektur ist – kann vom 100MP-Sensor profitieren, weil dann mehr Daten für die Manipulation vorhanden sind.
Computational Photography
OMDS findet das Schlagwort geil, bei mir verknotet sich regelmäßig die Zunge. Was hat das mit 100MP zu tun? Über KI-Bildanalyse ist es mittlerweile sehr weitgehend möglich, Auflösungsverluste durch das Objektiv zu kompensieren. Bei den Handys sieht man längst, was mit winzigen Objektiven geht. Wenn man nun also nicht die Spitze der Entwicklung im Merge von zwei RAWs zu einem “LiveGND” sieht, sondern beim Stand der Entwicklung auf dem PC oder auf Android, dann reden wir hier über völlig andere Dinge. Über die Entfernung, Brennweite und Blende kann die Kamera die Schärfentiefe berechnen – und wenn eben nicht nur am AF-Punkt die Entfernung berechnet wird, sondern im ganzen Bild, dann hat die Kamera ein dreidimensionales “Verständnis” des Bildes und kann zum Beispiel problemlos die Schärfentiefe manipulieren. Sie wollen den Schärfeverlauf eines 250mm Objektivs mit f/2 an Mittelformat mit einem 75mm 1,8 an mFT? Kein Problem. Unschärfer geht immer.
Meinung
Vor einigen Jahren waren 100MP auf mFT ein Hirngespinst. Physikalischer Blödsinn. Science Fiction. Und auch ich habe mich nach Kräften darüber lustig gemacht. Aber wie heißt es so schön: Seeing is believing. Wenn man mal gesehen hat, was da geht, dann ändert sich die Perspektive.
Ich würde vorschlagen, sich jetzt nicht von irgendwelchen verrückten Gerüchten ins Bockshorn jagen zu lassen. Niemand muss sich jetzt einen neuen Objektivpark zulegen. Im Objektivbuch steht drin, was taugt und das wird es auch noch an einem Monstersensor. Ja, wenn man da am Rand peept, dann kann es sein, dass da der Siemensstern nicht mehr toll aussieht. So what? Wer auf 100MP bis zum Rand angewiesen ist, der muss dann halt tatsächlich die Monsteroptiken mitschleppen und zahlen. Aber da sind wir wieder am Anfang: Der Turnschuh, auf dem das Logo erkennbar sein soll, ist in der Mitte. Nicht rechts oben im Eck.
Herzlichen Dank für den Artikel – mehr Info, als ich erhofft habe.
Mit den Monstersensoren kann das Thema Objektivauswahl eventuell neu beleuchtet werden. Statt Wechselobjektive zu verwenden, wird einfach gecroppt, wie es die Leica Q 3 und die neue Fuji GFX 100 RF machen. Bei der Fuji hat man bei 30 mm (mft-Welt) dann noch 20 MB übrig, wie wir es schon lange kennen mit der Oly. Scheint aber sogar 100 MB-Käufern auch zu reichen (falls sie vor der Bestellung das Datenblatt lesen). Verstehe ich aber nicht: Wenn 20 MB reichen, wieso dann 5500 Eu ausgeben für 100 MB am untern Ende und Fotos in unterschiedlicher Auflösung aus einer Serie. Dann könnte man in die Fundgrube bei PAT.
Mit 100 MB entfällt die Spannung, ob die Curry nun ein 50-200 f2.8 oder 50-250 liefern können. Da kann man das alte 40-150 f2.8 nehmen und croppen. Das wäre ein 40-300 f2.8 unter 1000 g. Für die nicht schleppwilligen wäre das eine super Option, denn ein 50-100 f1.8 von Sigma wiegt schon 1490 g. Wenn es mehr Brennweite bei ähnlicher Blende werden soll, würde es noch schwerer und grösser.
Einen Vorteil hätten die grossen Bilddaten. Woanders hast du über die Problematik von Cloudlösungen geschrieben. Mit Raw von ca. 100 oder 200 MB (Hasselblad) wird eine Cloud schwierig, weil dann ein Tera rasch weg ist. Lokale Lösungen würden wieder mehr bevorzugt. Eine Trendwende?
Es muss in der Kamera nicht unbedingt eine interne SSD sein. Schnelle CF express reichen locker. Gleich schnell sind sie nicht, aber immer noch genug schnell. Kleiner Vorteil Karte: Wenn was mit der USB-Buchse ist, wird man nicht nervös, ob man noch an seine Fotos kommt. Dafür hat die SSD eventuell weniger Ausfallrisiko.
Bei 100 MB kann sein, dass die notwendigen Speicherkarten fast mehr als die Kamera kosten. 30 F/s bei 100 MB sind 3-6 GB pro Sekunde, da wird es schwierig, überhaupt eine Karte zu finden. Die Kellerfotografen haben es einfacher, weil sie nicht so hohe Bildraten brauchen.
Aber alles gut fürs FolyFos, egal wies kommt – so viele neue Themen, das es noch ganz viele Termine braucht, bis sie nur annähernd abgearbeitet sind.
Moin,
danke für den “erhellenden” Artikel.
Mein Fazit: Den ganzen HighMP-Quatsch kann ich mir (als Amateur) sparen. Sowohl meine Gehäuse, als auch meine Objektive reichen für meine Ansprüche mehr als aus. Wenn meine Bilder meine Ansprüche mal nicht erfüllen liegt das nicht an irgendwelchen Specs, sondern eher an mangelnder Geduld oder Unvermögen.
Gruss,
Dirk
Hab ich mich eh schon so lang gefragt. Warum wird die Horizontkorrektur immer immer nur digital gemacht und nicht, wenn man per Einstellung so will, nativ mit dem Bildstabi? Klar verliert man ein paar Blendenstufen an Stabilisation, aber wenn es eh hell ist, ist das auch kein Verlust. Und die Daten sind ja alle live da. Allein: die Option fehlt, meines Wissens leider überall.
Das Problem dabei liegt auf zwei Ebenen: a) Die digitale Wasserwaage ist nicht sonderlich genau. OK, kann man sicher genauer machen b) Die Korrektur beim Horizont, die durch das Verdrehen des Sensors realisiert werden kann, ist bei derzeitigen Stabis vergleichsweise gering. Wenn nun der Fotograf ein Zehntel Grad mehr scheps hält,. als der Stabi ausgleichen kann, funktioniert es nicht und der Kunde ist frustriert “Ey, voll der Kack das Feature…” c) Handlingsprobleme. Das Feature muss schnell an- und abgeschaltet werden können und man muss deutlich im Sucher sehen, dass es aktiv ist. Eine eingeblendete Wasserwaage tut im Endeffekt das Gleiche und hat weniger Nachteile.
Vielen Dank für den interessanten und erhellenden Beitrag! Und vor allem auch, dass du deine Ansichten immer wieder überprüfst und ggfs. aktualisierst. Ich konnte deine Kritik früher mit dem Pixelmatsch, Beugungsproblemen etc. von früher argumentatorisch immer nachvollziehen. Auf der anderen Seite stand meine persönliche Erfahrung, dass selbst mein iPhone mit 48MP-Mini-mini-mini-Sensor und Glasabdeckung anstelle eines richtigen Objektivs (bei gutem bis akzeptablem Licht) doch ziemlich gute 24MP-Dateien erzeugt.
So haben für mich höhere Auflösungen vor allem einen Vorteil: Ich kann meine Kamera extrem klein, leicht und mobil halten, wenn ich sie einfach mit einer kleinen Festbrennweite (z.B. 12mm MFT bzw. 24mm Kleinbild) kombiniere und dann nachträglich (in Maßen) croppe. Apple bietet im iPhone z.B. vorauswählbare Crop-Modi – ich meine die nativen 24mm werden in mehreren Stufen zu 28, 36 und 50mm, bevor automatsich zur Telelinse gewechselt wird. Das hat den Vorteil, dass man schon auf dem Display in der Vorschau den fertigen Bildausschnitt sieht und beurteilen kann. Sowas fände ich auch in einer richtigen Kamera nett.
Bei den Sony “Vollformat”-Kameras gibt es immerhin eine Umschaltung von Kleinbild auf APS-C, damit man auch APS-C-Linsen nativ verwenden kann. Das geht aber auch mit den Kleinbildlinsen, so dass man in der Vorschau auch den gecroppten Bildausschnitt sehen/beurteilen kann. Richtig praktisch fand ich das bei meinem Test der sehr kompakten Sony Alpha 7C II mit 33MP. Aus dem draufgeschraubten 50mm 1.8 wurde im Crop-Modus ein 75mm 1.8, also eine sehr leichte und kompakte Porträt-Linse, die dann immerhin knapp 15MP große Bilddateien liefert. Die Fujis mit 40MP liefern dann noch ein Quentchen mehr Reserve, bevor es mit höheren Auflösungen richtig teuer wird. Das Spiel hat sicher auch seine Grenzen, aber den Bereich von 24 bis 50mm quasi in ein winziges Sony G 24mm 2.8 zu packen, finde ich schon sehr reizvoll.
Das Croppen mag vielleicht reizvoll erscheinen, aber der Bildwinkel ändert sich halt nicht im Vergleich zu einem Objektiv mit höherer Brennweite. Ich finde das am ehesten noch bei starkem Tele reizvoll, aber da kommen ja wieder andere Limits zum Tragen, wie Luftverschmutzung. Ich würde tatsächlich mein 25/1.2 oder 1.4 nicht durch ein 12 mm mit mehr Megapixeln und Croppen ersetzen wollen.
Doch. Beim Crop ändert sich genau der Bildwinkel. Was sich nicht ändert, ist die Perspektive. Die ändert sich aber auch nicht bei Verwendung einer anderen Brennweite. Perspektive ändert man mit den Füßen.
Habe ich was falsch verstanden? Wo ist da ein MFT-Sensor bei der Konkurrenz mit 100 MP?
Wurde das Thema hier durch diese Ankündigung ausgelöst?
https://www.heise.de/news/Xiaomi-Objektiv-verwandelt-das-Smartphone-in-eine-MFT-Kamera-10304049.html
Ich meine, irgendwo stand, dass diese 100 MP die “Subpixel” einzeln zählen, d.h. es wären netto nur 25 MP?
Wie ist das bei den Sensoren in den OM-D? Sind da 20 MP dann auch schon 80?
Ach Du liebes bisschen. Da hat irgendwer in einem Kommentar den Verdacht geäußert, die Pressemitteilung der Firma sei Fake – natürlich völlig beleglos – und schon heißt es “Den Sensor gibt’s gar nicht.” Xiaomi ist der drittgrößte Handyhersteller der Welt. Warum sollten die es riskieren eine solche Ankündigung zu machen um dann hinterher zurückzurudern? Die haben das nicht mehr nötig. 100MP auf FT ist längst überhaupt kein technisches Problem mehr. Canon hat schon vor Jahren 250MP auf Kleinbild entwickelt. Samsung entwickelt 500MP auf 1 Zoll. Auf 1/1,5″ sind 48MP Standard. Ich kann nur sagen: Guten Morgen, bitte einmal aufwachen. Wir sind in der Zukunft.
Ich will Korn statt Pixel!
Hier hast du Korn. 😉
https://german.wenyaocolorsorter.com/photo/pl95238968-wenyao_channa_dal_ccd_camera_sesame_seeds_wheat_sorting_machine.jpg
P.S.:
Das Foto stammt von einem Hersteller einer Sesamsamen-/
Weizensortiermaschine mit einer CD- oder CCD-Kamera:
https://german.wenyaocolorsorter.com/sale-13949681-8-chutes-ccd-camera-grain-color-sorter-512-channels-sesame-seeds-sortex-machine.html
OK, da gehe ich mit, solange es kein Apfelkorn ist. ;-))
Doppelkorn ist besser…