Als ich vor einem halben Jahr die Abmahnung bekommen habe, habe ich ein halbes Hundert Artikel bei Pen-and-tell entfernt und fast genausoviele FolyFosse auf “privat” geschaltet. Ich war dazu nicht verpflichtet, weil die meisten Artikel und Videos mit den beanstandeten Äußerungen nichts zu tun hatten. Ich habe es trotzdem gemacht, weil ich schlicht Angst hatte. Unsicherheit und Existenzangst – damit hält man Kritiker im Zaum und sorgt für die “Schere im Kopf” oder eben den “Vorauseilenden Gehorsam”.
Gerade hat Telepolis sein Archiv mit 50.000 Artikeln geplättet – weil sie Angst haben, dass “NewsGuard” ihnen das Prädikat “nicht vertrauenswürdig” verleiht, was dazu führen würde, dass Suchergebnisse, die auf Telepolis verweisen, entsprechend markiert werden. Nicht weil in dem gefundenen Artikel Mist drin steht – nein, NewsGuard ist der Meinung, dass da irgendwann mal vor zwanzig Jahren, da war mal was. Und deswegen ist es besser, Telepolis nicht zu lesen. Und damit das nicht passiert, hat Telepolis sein Archiv geplättet.
Das ist so ähnlich wie hier. Vor vielen, vielen Jahren habe ich mal gedacht, ich würde was Schlaues sagen, weil ich dachte, die seltsamen Unschärfen, die bei manchen Kameras bei 1/250s auftauchten, hätten was mit den Händen der Menschen zu tun, die die Kameras halten. Ich habe den Artikel dringelassen obwohl ich von den “Wir haben schon immer alles gewusst” – Forenten seitdem wegen dieses Artikel verhöhnt werde. Der Wagner ist nicht vertrauenswürdig. Peng. Stempel drauf. Und wenn das nicht reicht, erfindet man noch andere Dinge, die ich verbrochen habe oder die ich geschrieben haben könnte. Oder dass ich eine Angestellte von Olympus gestalkt hätte und deswegen ein Strafverfahren gegen mich anhängig sei. (Die einzige Angestellte von Olympus von der ich gerne die Privatadresse hätte, ist Elisabeth Claußen-Hilbig. Und nur deshalb, weil ich ihr ne Kiste Lebkuchen zu Weihnachten schicken will, mit ner kleinen Karte “Du warst die Beste!”. Leider ist die am 31.12.2020 bei Olympus raus und hat alle SM-Accounts abgeschaltet. Verstehe ich, denn Elisabeth war bekannt wie ein bunter Hund. Und Journalisten sind nervig und respektieren keine Privatsphäre. ich habe ihr nie hinterherrecherchiert. Ich respektiere das nämlich, wenn jemand seine Ruhe haben will.)
Also: Ja, ich bin vor einer Drohkulisse eingeknickt. Wer mich in den Tagen damals erlebt hat – weia. Da hatte ich dünnes Fell und habe alles angepflaumt, was mir über den Wege gelaufen ist.
Aber im Unterschied zu Telepolis, die einfach vorsorglich ihr komplettes Archiv plätten, werde ich so nach und nach alles wieder hochschalten – allerdings natürlich darauf achten, dass ich die beanstandeten Textstellen entferne. Da ja sowieso irgendwer alle paar Wochen meine komplette Site saugt – ich seh das an den Zugriffen, denn der Bot sorgt für einen deutlichen Peak – hat irgendwer sowieso tausende Seiten Beweismaterial.
Das wird aber eher gemütlich vor sich gehen, weil ich mich im Augenblick um das Lichtbuch kümmere.
Titelbild: Das hat mir Excire zum Thema “vorauseilender Gehorsam” gefunden. Und ganz viele Tropfenbilder und Bilder von farbigem Wasser, das aus Schüsseln spritzt, Murmeln und Blubberblasen. KI ist bisweilen überraschend. BTW: Ich hab’s schon angedeutet: Excire ist am Bugfixen. Wartet mit dem Update auf 2025 noch.
Ich glaube Du gehst zu sehr mit Dir ins Gericht. Von vorauseilendem Gehorsam kann nicht wirklich die Rede sein. Pat, FolyFos, die Olypedia und sogar wieder oly-e.de waren nahezu stets verfügbar. Für die meisten Nutzer mit kaum wahrnehmbaren Einschränkungen. Ich denke nicht wenige von uns hätten in solch existenzbedrohender Lage einfach den Stecker gezogen. Dafür hätte wohl jeder hier Verständnis gezeigt und das wäre auch der Rat, dem man einem guten Freund in dieser Situation geben sollte. Dass Ihr das durchgestanden habt, dafür habt Ihr meinen Respekt und die Freude über den Fortbestand dieser einzigartigen Community ist natürlich groß. Lasst das Jahr ruhig ausklingen, nehmt Euch Zeit für Familie und Freunde. Im nächsten Jahr darf es dann gerne beschaulicher zugehen, denn das was wirklich zählt ist doch die gemeinsame Freude an der Photographie und dass uns der Spaß daran nicht verloren geht.
Da kann ich Frank nur zustimmen.
Familie, Freunde, ein bisschen Fotografieren.
Manche Firmen in Zukunft nicht mal ignorieren. Sie haben es nicht verdient, es ist unsere Lebenszeit.
Ich mache gelegentlich Fotoberatungen. Deshalb suche ich hier immer mal wieder nach alten Artikeln zu Objektiven und Kameras. Sehr oft bin ich in den letzten Monaten nicht mehr fündig geworden. Für mich war die Einschränkung deutlich spürbar. Glücklicherweise war Olypedia nur kurz betroffen. Sehr erfreulich, wenn die Artikel wieder auftauchen. Meine Empfehlungsschwerpunkte haben sich allerdings weg von mft verschoben, denn andere Hersteller bieten mehr als Lagerräumung und die dauernde Rabattierung verdirbt mir meinen Verdienst.
Meine Suchbemühungen waren aber schon früher manchmal erfolglos, weil ich über die Suchfunktion zu wenige Treffer erhalten habe. Es blieb dann einzig das Archiv, das es monatsweise abzusuchen galt.
Heiwei – zu viel der Ehre. Schließlich schreibe ich hier ja nur so Zeug, was mir so auffällt. Und so, dass man das locker lesen kann. Entertainment. Nachschlagewerk ist da eher das Objektivebuch.
Das ist übrigens beim FolyFos ähnlich. Das ist ein Stammtisch. Wir versuchen Entertainment zu machen. Dass es da Leute gibt, die das todernst nehmen und jedes einzelne Wort auf die Goldwaage legen – zu solchen Leuten haben wir früher Spaßbremsen gesagt. Klar, wir haben versucht, Dinge, die wir erfahren haben, zu transportieren. Aber eben immer locker. Denn – es ist ein Stammtisch. Keine Werbeverkaufsveranstaltung.
Hallo Reinhard,
auch ich freue mich das es weiter geht, und eine vorauseilenden Gehorsam sehe ich jetzt bei Dir überhaupt nicht.
Ich stimme meinen “vorschreibern” in vollem Umfang zu.
LG
AndyD aus Stuttgart
Danke! Ich freue mich schon auf übernächsten Freitag …
Hallo Reinhard,
auch im Journalismus gilt die Divise “Wir irren uns vorwärts”. Wer sich öffentlich und zeitnah mit Problemstellungen beschäftigt, tätigt natürlich auch mal halbwahre oder auch schlicht falsche Aussagen. Das ist menschlich und Teil des kreativen Erkenntnisprozesses.
Vielleicht könnte man an ältere Beiträge noch vor den Kommentaren, bei bekannten Irrungen direkt auf einen neueren Beitrag verweisen. Mir fällt da zB der Beitrag “OM-1: Drehen geht nicht.” ein. heise.de lebt diese transparente Art der Fehlerkultur vor.