Es gab vor kurzem von einer japanischen Kamerafirma einen Livestream, bei dem sich zwei Influencer und der zuständige “Technische Experte” über Makrofotografie unterhalten haben. In den Kameras dieser Firma gibt es beim Fokus Bracketing einen Wert für die Schrittweite, den man von 1 bis 10 einstellen kann. Leider haben alle drei erklärt, der Wert sei total undurchsichtig, keiner wisse, was er bedeutet.
Eventuell haben sie vorab eine Mitteilung bekommen, das sei eine interne Information oder ein Betriebsgeheimnis und deshalb dürften sie das nicht ausplaudern. Oder es hat ihnen wirklich niemand gesagt.
Ich verfüge natürlich auch nicht über interne Informationen über Produkte dieser Firma. Kann dazu also nichts sagen.
Aber ich verfüge über Informationen, wie das bei Olympus-Kameras gehandhabt wird. Und die darf ich ausplaudern.
Der erste Punkt ist, dass das Objektiv die Fokusentfernung exakt ermitteln können muss. (Das ist auch ein Grund, warum das Stacking nicht mit allen Objektiven funktioniert , mit denen das Bracketing funktioniert. Es würde im Prinzip schon gehen, aber halt mehr so semi)
Aus Fokusentfernung und Blende ermittelt die Kamera die Schärfentiefe. Und genau hier kommt der Parameter ins Spiel. Denn für die Ermittlung der Schärfentiefe muss ich einen zulässigen Zerstreuungskreisdurchmesser angeben. Je größer ich diesen ansetze, desto weniger Bilder brauche ich. Soweit easy.
Der Defaultparameter von “5” liefert für das Bracketing einen zulässigen Zerstreuungskreisdurchmesser von 1/1500 der Bilddiagonale. Das passt für 5MP-Bilder. Ausschnitte oder Pixelpeeping is nicht. Betrachtungsabstand = Bilddiagonale.
Wird der Parameter weiter angehoben, werden die “unscharfen Lücken” zwischen den Bildern immer Größer, bis man bei 10 gerade noch Briefmarken für’s Web bauen kann.
Bei 3 ist man bei 16MP in dem Bereich in dem die scharfen Bereiche sich knapp überlappen und man keine Probleme mit unscharfen Streifen hat. Bei 20MP (kleinerer, zulässiger Zerstreuungskreisdurchmesser) ist das noch knapper, da müssen die Objektive 100% genau anfahren können. Je größer der Abbildungsmaßstab wird, desto kritischer wird das.
Hat man nun ein Objektiv, das den Fokusabstand nicht genau ermitteln kann, dann ist das Objektiv vielleicht der Meinung, dass man nicht auf 60cm, sondern auf 85cm fokussiert hat, die Schärfentiefe ist dort größer – und entsprechend wird die Schrittweite von der Kamera vergrößert. Zack, unscharfe Streifen.
Soweit in der Theorie.
In der Praxis sind Objektive aber immer noch mechanische Gerätschaften – und da kann was schief gehen. Die Fokusentfernung wird falsch ermittelt, der Motor hüpft einen Kick zu kurz oder zu weit. Und schon sind bei Schrittweite 3 – die ja sowieso ein knappes Höschen ist – unscharfe Bereiche im Stack.
Abhilfe: auf 2 stellen. Da die Schärfentiefe und die Entfernungseinstellung immer kritischer wird, je größer der Abbildungsmaßstab wird, gibt es für Leute, die eher keine Stacks in der Kamera machen, sondern auch 50 oder 100 Bilder durch die Software laufen lassen, auch den Parameter 1. Vorteil: Es kann auch zwischendrin mal ein verschubstes Bild dabei sein, bei dem der Fokus daneben lag, weil die Überlappungen bei 1 so groß sind, dass man auch mal ein Bild rauswerfen kann. Ist ja nichts lästiger, als wenn man einen tollen Stack macht, und mitten drin ist ein wichtiges Bild unscharf.
Also: Bracketing sollte man, wenn möglich, mit stackingfähigen Objektiven machen, die sind genauer. Wenn man gerade keines hat, den Parameter runtersetzen.
Übrigens: auch bei MF wird die Fokusentfernung ermittelt. Wenn eben das Objektiv die falsche Entfernung zurückmeldet, geht die Sache auch bei MF schief.
Wow, das ist hilfreich. Es war mir klar, dass ich mit dem Parameter die Schrittweite bestimme aber nicht wie der Zusammenhang mit dem Zerstreungskreis und der dazugehörigen nutzbaren Auflösung / Überlappung ist.
Nur empirisch bin ich auch auf 3 gekommen.
Ganz nett fände ich es wenn OMDS einen die Möglichkeit gäbe auch mal nur den Stack zu behalten.
Mein Workaround: Stack kontrollieren und dann den Stack mit der Schloss-Taste schützen. Wenn ich fertig gestackt habe, “Alle löschen”. Dann ist alles weg, außer den Stacks.
Danke für diesen Tipp! Auf die einfachsten Lösungen kommt man manchmal nicht von selbst, weil der gewohnte Workflow natürlich so ist, dass die Speicherkarte erst mal auf den PC kopiert wird und ich normalerweise nicht schon in der Kamera Aufnahmen lösche. Aber beim nächsten Stacking wird das unbedingt probiert!
…oder zu kennzeichnen.
Ich mach das am PC in der Vorschau… da häng ich gleich ein fs im Dateinamen dazu.
@Reinhard
Danke, wie immer tolle technische Aufklärung.
Für meine Zwecke: Garten, 60er und meist Freihand für ein nettes Bildchen von Pflanzen bin ich auch bei 3 gelandet.
Siegfried
Vielen Dank Reinhard, endlich erklärt es mal jemand so, dass man sich was darunter vorstellen kann.
Also den beiden Influencern hab ich schon aufs Wort geglaubt das sie keine Ahnung haben wovon sie sprechen. 😉
Endlich mal was Genaues zum Thema, sehr schön. Die Vermutung war natürlich immer da, dass der Schrittweite irgendein System zugrundeliegt, nur welches? Ich bin dann auch meist im Bereich 1 bis 3 gelandet… Jetzt, wo ich lese, wie ausgefuchst und sinnvoll die Stufung tatsächlich ist, denke ich im Rückblick, ist es ja umso blöder, dass der Hersteller das nie dokumentiert hat…
Sehr aufschlussreich, vielen Dank.
Super Beschreibung.
Ich fand die Schreittweite 3 bei meiner M1.2 und dem 60/2.8 auch gut, Schrittweite 3 funktionierte meinstens., nicht immer. Hatte mal Versuchsreihen mit Schrittweite 2, 4, 6, 8 und 10 gemacht und “pixelgepeept”.
PS.: Die Querflöte ist ein schönes Motiv !
Eigentlich wollte ich mir den Livestrem nicht ansehen aber aufgrund dieses Artikels hab ich es doch getan.
Ich finde die Teilnehmer werden hier als zu sehr unwissend dargestellt, benutzen sie doch im wesentlichen die Einstellungen die hier beschrieben werden.
Die Frage die im Livestream aufkam wird weder dort noch hier beantwortet, nämlich was für Schrittweiten werden von der Kamera! angewendet. Von Flo wird angemerkt, das es anscheinend Unterschiede zwischen OM1 und Om1 Mark 2 gibt. Wer sich den Rest ersparen will ab 57 ster Minute.
Da alles von Abildungsmaßstab, Blende und anscheinend Kamera abhängig ist, bleibt meiner Meinung nach nur ausprobieren und kontrollieren übrig.
Die Frage “Was für eine Schrittweite wird von der Kamera angewandt” ist unsinnig. Die Kamera kommuniziert mit dem Objektiv in “Mikroschritten”. Das ist die kleinste Schrittweite, die der Motor des Objektivs kann. Überraschung – das hängt vom Objektiv ab. Und je nach Blende und AF-Entfernung und Objektiv werden dann eine größere oder kleinere Menge Mikroschritte ausgeführt. (Achtung! Fokusentfernung, nicht Abbildungsmaßstab. Die Kamera weiß den gerade anliegenden Abbildungsmaßstab nicht, weil sie nichts von der Größe des Motivs weiß.)
Was man zusätzlich zum von Dir Gesagten wissen wollen könnte, ist, das bei einer größeren Anzahl der Schritte beim 90/3,5 bei Abbildungsmaßstab 2:1 die Brennweitenverkürzung schon signifikant wird. Da wird dann aus ABM 2:1 hinten auch schon mal 1:1. Nur als Ergänzung…
…wollen könnte, ist, dass… (sorry, stört mich unheimlich)
So wie du das hier beschreibst, ist jede Schrittweite oberhalb 5 nicht brauchbar. Es muss doch aber Anwendungsfälle geben, bei denen eine höhere Schrittweite auch Sinn macht, sonst wäre die Option in der Kamera doch nicht gegeben.
Ja klar doch, wenn Du Stacks für winzige Bilder machst. Oder Wenn Du Landschaften stackst. Motiv im Vordergrund und Motiv im Hintergrund, dazwischen Luft, da ist ein großer Schritt praktisch.