Es war mal wieder so weit. Bei uns in der Gegend haben wieder ein paar junge Leute ihre alten Schrottautos flott gemacht um sie an zwei Tagen über ein abgemähtes Feld zu heizen. Und diesmal hatte ich die Einladung, Fotos zu machen. Vom Qualifying am Samstag und dann auch von Rennen am Sonntag.
Es geht hier nicht um ein Stock-Car-Rennen. Die Autos haben keine Überrollbügel, sie haben Scheiben, teilweise sogar noch Scheinwerfer. Der eine hat seinen Kühler vorsichtshalber gleich auf den Rücksitz verlagert. Obwohl keinerlei Rücksicht aufs Blech genommen wird, gibt es keine Verletzten und die Geschwindigkeiten halten sich in Grenzen.
Die Reifen werden auf fünf bar aufgepumpt, damit sie in den Kurven nicht von der Felge fliegen. Manche haben nen Auspuff, manche nicht, manche nur teilweise. Die Zeit wird mit dem Handy genommen, die Ergebnisse werden auf einen großen Pappkarton geschrieben und Schnitzelsemmel und Getränke werden gegen Spende abgegeben.
Und wenn der Staub so stark wird, dass man nichts mehr sieht, fährt der Traktor mit dem Wasseranhänger über die Spur.
Ich hatte das 100-400 an der OM-1, C-AF, 9er-Feld, Serienbild und habe etwa 4000 Bilder gemacht. Davon drei unscharf. Beim Rest ist nur die Frage: hängt das Rad schon in der Luft? Fliegt der Dreck schön genug?
Meistens habe ich versucht, die Autos ganz drauf zu bekommen, aber gelegentlich sind auch engere Aufnahmen ganz witzig:
Alle Fotos sind OoC. Da ist nichts dran gemacht. Auch kein Beschnitt. Das meiste ist simpel Offenblende mit kürzestmöglicher Verschlusszeit. Dadurch, dass der Dreck und der Staub fliegt, ist die Dynamik da, auf Asphalt hat man immer das Problem, dass die Autos selbst beim wildesten Drift aussehen, als würden sie parken. Aber ich habe mir auf einen Custom-Modus ein Mitzieher-Set mit geschlossener Blende gelegt:
Das kann man allerdings auch für was ganz Anderes nutzen:
Klar ist da nichts scharf, aber mal ne ganz andere Dynamik….
Wenn man übrigens in solchen Situationen mit Custom-Modi arbeitet, sollte man die gaaanz schnellen Speicherkarten einpacken. Man kann zwar den Custom-Modus schnell umschalten, aber solange das Laufwerk noch arbeitet, schaltet die Kamera den Modus nicht um. Hat man nun die grandiose Idee, sowas mit hohen Frameraten zu knipsen und will dann schnell umschalten und hat keine wirklich schnelle Karte (UHSII) drin, dann kann das sein, dass die Runde (Rundenzeiten unter 30s) rum ist, bevor man den Modus gewechselt hat. Lieber eine Nummer kleiner, aber dafür schneller.
Zum Rennen vielleicht noch einen Punkt. In diesem Rennen sind Frauen mitgefahren und ein Rollstuhlfahrer. Einfach so. Und absolut niemand hat was dabei gefunden. Und so heftig das Gerangel war – im Fahrerlager haben alle zusammengeholfen.
Und hier noch ein bisschen Gerangel um die Plätze: In einem der Autos sitzt eine Fahrerin – ratet mal, in welchem….
Und alle sind völlig schmerzbefreit. Ab und zu gehen Motorhauben auf, so what, man kann ja untendurch kucken. Und irgendwann gehen sie auch wieder zu….
Ach ja, Disclaimer. Wenn man sowas machen will. Ich meine, so etwas fotografieren. Der Mindestabstand ist Flatterband. Je tiefer man mit der Kamera ist, desto besser werden die Bilder und desto gefährlicher ist das. Auch wenn es bequem ist, niemals hinsetzen. Die Autos sind nicht schnell, aber bei so einer Nummer können schnell mal Bremsleitungen reißen und wenn da im Gerangel einer rausgeschubst wird, dann kann der, der im Weg sitzt, nicht weg. Immer so hocken, dass man schnell weg kann. Schnell bedeutet, innerhalb einer Sekunde. Es gibt Leute, die denken, sie wären schlau und bequatschen den Veranstalter, dass sie in die Mitte des Kurses dürfen. Da ist es zwar ziemlich sicher, aber die Fotos werden nix. Der richtige Platz ist auf der Tangente einer Kurve. Mit langer Brennweite.
Und mit dem Veranstalter sprechen.
Hm. Nicht böse sein, aber ich finde Autorennen irgendwie nicht mehr so ganz zeitgemäß. Erst recht, wenn sie in einer Art und Weise stattfinden, die der Umwelt nach meiner laienhaften Einschätzung doch einen gewissen Schaden zufügen. Du schreibst “gerissene Bremsleitungen”. Ich nehme also an, ebenso geplatzte Kühler, gerissene Ölwannen usw. Zusammen mit Glassplittern und allen möglichen Gummi- und Kunststoffteilen landet doch dann sicher allerhand – nennen wir es freundlich – giftiger Unrat auf einem Acker, auf dem später wieder Lebensmittel angebaut werden? Ich weiß, ich weiß, wer frei ist von Schuld, werfe den ersten Stein … Dennoch habe ich speziell bei “Fahrzeugzerstörung in der Landschaft aus Spaß” immer ein ungutes Gefühl.
Ich bin zwar auch kein Freund von Autorennen, aber bei jedem Radrennen landet mehr Gummi (von den Zuschauerautos) als feinster Staub auf dem Asphalt. Bei jeder Segelregatta das Gleiche weil da gern auch mal 300km für das/den Event angereist wird, plus jede Menge Altglas im Wasser, weil “g’soffe wird immer”. Bei jedem grösseren Konzert kommen die Leute auch schonmal per Flugzeug. Wenn der Bauer Dünger kauft bekommt er immer auch eine grössere Menge Mikroplastik gratis dazu.
Ich vermute das der Bauer denen sowieso erklärt hat, daß hinterher aufgeräumt wird, sonst stehe der Acker im nächsten Jahr nicht mehr zur Verfügung.
Mein Problem bei Autorennen ist eher, daß man so wenig Gesichter bei der Action sieht, deshalb photographiere ich lieber Cyclocross.;-)
Ja. Genau. “Ungutes Gefühl”. Nach Ende des Rennens geht das gesamte Publikum über den Acker und sammelt alle Einzelteile ein, die rumliegen. Die Kühler sind vorher entleert und mit blankem Wasser aufgefüllt worden. Die Ölwannen mit stabilen Stahlplatten geschützt. Im Acker gibt es keine Steine, sondern nur lockere Erde. Ich habe bei einem ganzen Haufen Autos die Motoren inspiziert – da tropft nix. (Ich hab Fotos gemacht.) Die Leute, die da fahren, sind alles Leute, die wissen, was Ackerboden ist. Die fahren nicht auf fremdem Gelände, sondern auf ihrem eigenen (!) Acker. Dazu ist diese Veranstaltung, so wild sie aussieht, natürlich angemeldet und sie haben einen ganzen Auflagenkatalog betreffs Sicherheit und Umweltschutz.
12 Autos fahren innerhalb von zwei Tagen sechs Läufe, Dauer jeweils zwischen 90 und 120 Sekunden mit einer Spitzengeschwindigkeit von 35km/h (!). Gesamt zurückgelegte Strecke aller Fahrzeuge zusammen: 60km.
Jo – aber “just for fun!”. Dann bitte ich freundlichst darum, sämtliche Urlaubsreisen “just for fun” zu verbieten. Die Wochenendausflüge der Städter, die Motorradtouren -und, natürlich, die Fototouren der Hobbyisten. Alles “Just for fun”.
Diese Leute, die da fahren, sind fast alle in der Freiwilligen Feuerwehr und dürfen sich regelmäßig damit auseinandersetzen, dass irgendwelche umweltbewussten Städter am Wochenende ihren fahrbaren Untersatz mit Anlauf in die Botanik fliegen lassen. Und nicht mit 35km/h. Solche Wracks habe ich auch schon für die Zeitung fotografiert. Warum sind die abgeflogen? Weil das schnelle Fahren halt voll Spaß macht…..
Ich wollte diese Diskussion hier nicht führen, aber offensichtlich komme ich nicht drum rum.
Ok, die von dir beschriebenen Rahmenbedingungen zeigen doch immerhin, dass hier versucht wird, bewusst und verantwortungsvoll zu handeln. Insofern hierfür Daumen rauf. Mir ist mein eigener Beitrag zur Zerstörung des Planeten übrigens absolut bewusst. Noch bin ich aber nicht soweit, dem ökologischen Imperativ zu folgen: Kill yourself! 😉
Eben. Der ökologische Imperativ. Jeder sollte sich überlegen, wie er selbst die Umwelt belastet – und sich dann die Geschichte mit dem Glashaus und den Steinen überlegen. Das nennt man auch “Treibhauseffekt”……
Naja, “ungutes Gefühl” und “verbieten” sind ja nicht das gleiche. Und ja, auf Urlaubsreisen sollte man in der Tat weitgehend verzichten. Ist halt so.
Aber hier steht die Fotografie im Mittelpunkt, ein anderer Aspekt unserer Lebenswirklichkeit. Mit der Ambivalenz müssen wir leben.
Frauen, Rollstuhlfahrer, freiwillige Feuerwehr, eigener Acker, …
Das klingt nach vernünftigem Landleben. Ernst gemeint.
Danke Reinhard für den tollen Beitrag bezüglich Landleben, bezüglich Racing und natürlich: bezüglich Fotografieren. Immer wieder lehrreich und Horizont-erweiternd, deine Beiträge!
Was den “man-kind foodprint“ betrifft: Die Luftfahrtgesellschaften in Europa verbuchen dieses Jahr einen Allzeitrekord, nicht nur nach Corona. An jedem Wochenende finden in X Städten parallel viele Fußballspiele der ersten und zweiten Bundesliga statt, zu der in Summe Wochenende für Wochenende Millionen kreuz und quer durch Deutschland unterwegs sind, ihrem Verein zu zujubeln.
Die Wohnmobilbranche und Caravanbranche feiert einen Rekord nach dem anderen.
Der Boom der Kreuzfahrtbranche scheint endlos ansteigend, niemand weiß, wo das enden könnte.
Alle fliegen oder fahren irgendwie von A nach B in den Urlaub, just for fun.
Von dem nach wie vor florierenden weltweiten Containerhandel mit riesigen Schwerölfrachtern, deren Abgas-Säule im Umkreis von 50 Seemeilen zu sehen ist, ganz zu schweigen
Und dann sollen wir uns ausgerechnet über ein paar angenehm ausgebuffte Hobby-Racer Gedanken machen, die ein paar Mal für 30 Sekunden einen Acker umrunden? Mit max. 35 km/H? Nö, bitte nicht wirklich…
Bleibt doch trotz aller berechtigter Sorgen und aller Verantwortung auf dem Boden der Realität dieser Welt! Danke…
Saint-Ex
– der in mittlerweile 65 Lenzen weder je irgendwann einmal zu einem Fußballspiel oder Sport-Event gefahren ist oder je einmal mit dem Flugzeug in den Urlaub geflogen ist –