Ich wühle mich gerade durch einen Stapel Modelbewerbungen für das OM-5-Buch. (Über die Plattform, die mir sowas liefert, Jobwrk, habe ich schon ein paarmal beim FolyFos gesprochen und werde demnächst ein bisschen was dazu veröffentlichen, weil ich mich vor einiger Zeit längere Zeit mit deren Cheffe unterhalten habe.)
Dabei fallen mir wieder Dinge auf, und zwar bei Models die laut Lebenslauf ein Jahrzehnt im Business sind und schon bei gefühlt hundert Kinofilmen mitgespielt haben.
Kurze Brennweiten: verzogene Anatomie, geschrumpfte Beine, überdimensionierte Köpfe, riesige Schultern, winzige Ohren, fette Nasen, unförmige Schuhe, und man hat das Gefühl, dass alle Models einen brutalen Silberblick haben.
Miese Beleuchtung: Licht auf dem Hals, so dass die Visage durchgeht bis ins Dekolletee. – macht dicken Hals. Abgesoffene schwarze Shirts vor abgesoffenem schwarzem Hintergrund machen fett. Überbelichtete Gesichter. Hintergrund besser beleuchtet als Person.
Perspektive: Von oben runter. Von oben runter. Von oben runter. Kurze Beine, breite Schultern. Ich kann’s nicht mehr sehen.
Photoshop und Visa. Vor allem “Agenturmodels” zeigen Kunstwerke von Maskenbildnerin und Adobe. Teilweise noch mit Logo des Fotografen drauf. Wie soll ich da eine Entscheidung treffen? Ein Gesicht voller aufgeklebter Klunker – hey, da kann ich auch meine Schaufensterpuppe mit Uhu misshandeln.
Liebe Fotografen, die ihr Sedcard-Fotos für Models macht. Das ist Produktfotografie. Der Kunde – ein anderer Fotograf – will folgende Dinge sehen: Wie sieht das Model aus? Also wer steht da vor der Tür, wenn ich das Model gebucht habe? Wie viel Spachtelmasse braucht die Visa, damit das so aussieht, wie ich das haben will? Dann: kann sich das Model bewegen? Hölzerne Posen aus dem Posenbuch sind keine Werbung, sondern abschreckend. Weiß das Model, wo das Licht ist? Kann es unfallfrei auf Highheels stehen? Muss ich dem Model sagen, was es mit den Händen machen soll?
Dann kommt die nächste Nummer: kann das Model ein Produkt präsentieren? Nein – es soll nicht sich präsentieren, sondern ein Produkt. So dass der Kunde sich das ankuckt und sagt: Das Produkt will ich haben – nicht die Tante, die mir das vor die Nase hält. Es gibt also zwei Sorten Bilder. Die, auf denen das Model sich präsentiert – und die, auf denen es andere Produkte präsentiert. Das können Klamotten, Kameras oder auch ein Nudelholz sein. Wenn diese Fotos da sind, ist der Rest dann die Kür. Kann das Model glaubwürdig unterschiedliche Stimmungen darstellen? Oft gibt’s dann diese gruseligen “Mach mal Grimassen-Fotos”. Hey – wozu soll das gut sein? Mach nen glaubwürdigen Erschrecker – dann hast Du bei den Profis gewonnen.
Ja, für die miesen Fotos sind die miesen Fotografen zuständig – die gerne was von “Regeln brechen” faseln, wenn man ihnen ihren Mist um die Ohren haut. Aber, meine lieben Models, ihr stellt diese Fotos in euren Katalog. Der Fotograf hat euch weisgemacht, das “habe man heute so”? Unter Fotografen, die es nicht besser können – ja. Aber die wollen auch keine Models engagieren, die – siehe oben – aussehen wie Aliens. Wollt ihr Zeit eures Lebens Statisten und Kamerafutter für Hobbyknipser bleiben? Eben.
Filmstars haben nicht umsonst sehr genau darauf geachtet, aus welcher Perspektive und mit welchem Licht sie geknipst wurden. Models können das oft nicht, weil sie eben hin und wieder auch an Nichtskönner geraten. Aber sie haben einen Einfluss darauf, was auf ihrem Book zu sehen ist. Also in Gottes Namen – kümmert euch drum.
Und habt keinen Respekt vor vermeintlichen “Profi-Fotografen”. Nur weil jemand als freier Fotojournalist schon mal Merkel oder Scholz geknipst hat, hat der noch lange keine Ahnung, wie Fotografie geht. Sucht euch im Zweifel einen der Dinosaurier raus: einen Fotografenmeister, der den Job seit 30 Jahren macht. Die wissen meistens noch, wie das geht. Und lasst euch nicht drauf ein, dass da der Hiwi knipst. Lasst euch den Meisterbrief zeigen. Und nehmt Geld in die Hand. Und ja, es gibt ein paar Leute, die haben keinen Meisterbrief und können es trotzdem. Und haben ein Studio, in dem sie weit genug wegkönnen. Aber da gibt’s nicht viele. Wenn euch jemand in einen 5x5Meter Raum führt und was von Ganzkörperfotos brummelt, dreht euch um und geht.
Letzthin hatte ich ein Gespräch mit einer Frau vom Fernsehen, die mir gesagt hat, “Alte Weisheit: Fernsehen macht fett.” Kurze Frage: Wie weit sind die Kameras im Studio von der Person weg? “Na, so zwei, drei Meter.” Die Frau war 30 Jahre beim Öffentlichen Rechtlichen – also ein echter Profi. Und nachdem sie in Rente gegangen war, kam so jemand wie ich daher und hat ihr Perspektive erklärt.
Und ja, wer das FolyFos mit Martin gesehen hat, weiß, wie man Frauen die Beine lang zieht. Klar doch. Aber so ein Foto hat in einem Modelportfolio nichts verloren. Echt nicht. Wenn da nämlich zwei Bilder drin sind, eines mit kurzen und eines mit langen Beinen – welches stimmt nun? Ich hatte gerade ein Model, das auf einem Foto Sommersprossen hatte, auf einem anderen nicht. Ja, was ist nun? Auf Nachfrage hat sich rausgestellt: die Sommersprossen waren geschminkt.
Wenn ihr ein Auto kaufen wollt, und das ist auf einem Foto grün, auf dem nächsten rot und auf dem dritten gelb und mal hat es eine lange Motorhaube und dann wieder eine kurze und je nach Foto hat die Karre drei oder fünf Türen und Dachreling oder auch nicht. Und auf einigen Bildern hat es Einschusslöcher und auf anderen ist der linke Kotflügel verbeult. Könnte es sein, dass ihr da ins Grübeln kommt?
Was mich dabei immer wieder erschreckt ist der Umstand, dass jenseits der echten Agenturen offenbar keiner mehr in der Lage zu sein scheint, mal Tacheles zu reden, wenn die Models mit derartigen ‘Sedcards’ ankommen (Sedcard können die Machwerke ja nicht genannt werden – eher centerfolds für den verbeulten Spind Muckibude dritter Hinterhof). Und dass von den “Newcomer-Models’ offenbar niemand nur ansatzweise auf die Idee zu kommen scheint, bei den echten Agenturen ‘einfach mal’ zu gucken, wie sowas auszusehen hat und dann auch den Mund aufzumachen.
“unförmige Schuhe” – ein perfektes Beispiel dafür hast du direkt im ersten Bild mit der Dame im Auto geliefert. Liegt aber nicht an der Brennweite oder dem Winkel, sondern an der Schuhform selbst. Dass sich Millionen Frauen nach wie vor freiwillig solch anatomisch völlig inkorrekten Folterwerkzeugen aussetzen und dabei freiwillig in Kauf nehmen auf Dauer verkrüppelte und absolut unästhetische Füße zu bekommen wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben. Von den negativen gesundheitlichen Folgen ganz zu schweigen.
Ich hab für das Bild auch suchen müssen….. Das ist mittlerweile elf Jahre alt…….
Moonboots mit Karnickelfellderivatsapplikation sind unförmig, high heels never. Deine Sorgen um die Gesundheit haben auch nichts mit dem Thema zu tun.
Danke!
Seht es positiv: Es gibt haufenweise Models, die Ihr nach Lust und Laune mit dem Fischauge fotografieren könnt, ohne dass sie gleich schmollend abhauen, wenn Ihr das 1,2/17mm an die Kamera montiert. 😉
Da habe ich jetzt drauf gewartet. Weißt Du was der Gag am Fish ist? Linien, die in die Bildmitte laufen, werden nicht verzerrt. Das Model ist hier in Bildmitte positioniert, so dass sich die Verzerrungen durch das Fish in Grenzen halten. Zudem ist das Fish flächentreu. (Ein 17mm ist rectilinear korrigiert. Entweder optisch oder digital. Im Falle des 17mm f/1,2 beides.) Personenfotografie mit Fish ist nicht “nach Lust und Laune” sondern was für Leute, die wissen, wie ein Fish funktioniert. Zudem mache ich solche Bilder nicht, weil ich sie besonders lustig finde, sondern damit ich Leuten wie Dir zeigen kann, wie das geht. Du kannst ja mal das Foto nehmen und in der EBV Deiner Wahl “defishen”. Dann siehst Du, was der Unterschied zwischen Fish und “normalem Weitwinkel” bei Personenfotografie ist.
Hallo Reinhard,
was wäre, wenn du zur Abwechslung mal einem männlichen Model die Chance gibst? Schon einmal darüber nachgedacht? Zugegeben, ich habe keinerlei Ahnung von so etwas. Aber für mich erfüllen deine Models nur ein Klischee. Meist stark geschminkter Mund, üppige Oberweite, rotes Kleidchen oder Hütchen, auf jeden Fall HighHeels und nette Pose.
Ich kenne mich mit Model-Karteien nicht aus. Sehe mir nur Sport-Kataloge an und denke mir, wow, was für Charaktere (sagt man so?). Neulich sah ich mir eine Doku über Island an. Dabei auch ein kurzer Bericht über ein Filmteam, das Werbeaufnahmen mit so einem jungen Kerl machte. Vikinger-Typ. Bart und lange wallende, blonde Haare. Stapfte bloß im Schnee herum. Aber hey, was für eine Wirkung! Und nein, ich fühle mich nicht zu Männern hingezogen 🙂
Bitte nicht als Kritik verstehen, sondern als Brainstorming.
Ich habe jetzt mal als Beispiel das E-M1II-Buch hergenommen: Anzahl der roten Hüte: 1. Anzahl der roten “Kleidchen” 1: ein Tütü einer Ballerina. Anzahl der abgebildeten Männer: 47 und damit weit mehr als Frauen. Ich habe den Job für das OM-5-Buch m/w/d ausgeschrieben. Und es haben sich auch Männer beworben. Und ich wollte auch einen Mann engagieren – nur hat der sich bis Stand jetzt noch nicht wieder gerührt. Bei mir gibt es aber keine Frauen- oder Männerquote. Wenn sich jemand bewegen kann und zum Produkt passt, wird er/sie/es engagiert.
In den 80iger-Jahren konnte man hier in Berlin noch zum Arbeitsamt gehen und sich eine Liste der seriösen, zugelassenen Künstler und Modelagenturen geben lassen. Ich habe keine Ahnung wie das heute funktioniert.
Aber es war in vieler Hinsicht ein guter Schutz und ein Garant für Qualität für alle Beteiligten. Zu damaliger Zeit war die Abzocke der Mädels mit Setcards und Ausbildungsgebühren die reinste Seuche hier.