Von Andy.
Eine Zeitreise
Es ist eine Zeitreise im doppelten Sinne. Zum einen stammen die ersten Bilder noch aus 2014 und damit aus unserer fotografischen Umbruchzeit, die Kamera war schon mFT (E-M1), die Objektive aber noch FT (12-60 und 18-180). Die Objektive die diese heutigentags ersetzt haben, waren zu der Zeit noch gar nicht “erfunden”.
Aber vor allem ist es eine Zeitreise ins Mittelalter – und selbst da noch mal in verschiedene Zeiten.
Beginnen wir im 12. Jahrhundert.
Jedes Jahr wird (so kein Virus wütet) die Besiedlung {https://www.historischer-besiedlungszug.de/} von Sachsen in diesem Zeitraum nachgestellt. Dabei ziehen ein paar “Verrückte” in historischen Gewänder und mit möglichst hirstorischem Ambiente eine Woche lang durch die Gegend, so wie einst, als die Siedler von Otto von Wettin angeworben wurden um in der Mark Meißen zu siedeln. Es wird, wie damals üblich, gelaufen und Hab und Gut auf Pferde-Wagen transportiert. Die damals wohl üblichere Methode die Wagen von Ochsen ziehen zu lassen, scheitert heute leider am Fehlen passender Ochsen (zwar gibt es genügen Ochsen – aber zweibeinige sind als Zugtiere leider völlig ungeeignet) Alles was gebraucht wird, musste dabei sein, wie Verpflegung, Saatgut, Material und Werkzeug oder auch Händler.
Das Lagerleben ist für die Hobbysiedler heutigentags sicher etwas unbeschwerter und problemloser als bei den Siedlern seiner Zeit, dafür müssen sie allerdings einiges an Auflagen einhalten, was früher kein Thema war – etwa passende Wege zu finden, auf denen keine Kraftfahrzeuge unterwegs sind. Trotzdem sind sie genau wie ihre mittelalterlichen Vorbilder allen Wetterkapriolen ausgesetzt – gelaufen und gelagert wird auch bei Regen und Kälteeinbruch. Doch so lange die Sonne scheint, findet ein fröhliches Lagerleben statt, mit Gaukeleien, Musik und Tanz.
Fotografisch kann man sich da austoben – es gibt viel zu sehen und zu entdecken und die Siedler sind mehr als bereit sich ablichten zu lassen – sie zeigen nur zu gerne wie sie hier ihr Hobby ausleben. Man hat eher das Problem, dass an sonnigen Tagen das Licht zu brutal ist für das Lagerleben. Und es ist auch nicht immer ganz einfach modernes Ambiente auszublenden – zu sehr ist in der heutigen Zeit die Landschaft mit den Errungenschaften der modernen Welt ausgestattet.
Selbst ein Theater begleitet die Siedler – das jeden Abend in der Woche ein Stück aufführt (wobei das eher der Kurzweil der modernen Zeit geschuldet ist, als dem historischen Original) Die Abendstimmung kommt am Besten mit dem Lochkamera-Filter in Version 3 zur Geltung. Wirklich dunkel ist es im Juni aber noch lange nicht. Auch dem geschuldet, dass auch Kinder mit dabei sind, die natürlich auf das allabendliche Theaterstück ganz wild sind und trotzdem ihren Schlaf brauchen..
Zeitsprung. Wir schreiben das Jahr 2021 und die FT-Objektive sind Geschichte, die Umstellung ist längst vollzogen und von zwei Spezialisten abgesehen, die aber doch eher zu Hause eingesetzt werden, gibt es nur noch mFT-Objektive in der Fototasche, wobei ich nicht verhehle, dass ich ein Suppenzoom-Fan bin (weiß eh jeder der mich kennt) und die
folgenden Bilder sind dann auch alle mit dem 14-150 entstanden – meinem Brot-und-Butter-Objektiv.
Dafür sind wir nicht mehr in Sachsen, sondern im Bauland, genauer in Ostrburken im Adventon {http://mittelalterpark.de/}. Und damit wieder der Zeitsprung zurück ins Mittelalter – und wir kommen zeitlich ziemlich da wieder raus, wo wir schon mal waren, nur nicht mehr bei der Suche nach dem neuen Siedlungsplatz, sondern eher dort wo die neue Siedlung gegründet wurde und wir können nun zuschauen wie diese Stück für Stück entsteht.
Hier kann man auch viel über die Zeit erfahren, es gibt einige, sehr informative Schautafeln über die Kleidung, über die Arbeitsweise und die genutzten Technologien, aber auch über die Nahrungsmittel und deren Anbau. Der Park wird – ebenso wie der Besiedlungszug in Sachsen – ehrenamtlich betrieben, für alle die hier am Aufbau der Siedlung mitwirken, ist es ein reines Hobby – aber man ist mit ganzem Herzen dabei. Dem Hobbycharakter geschuldet ist der Park allerdings nur am Wochenende geöffnet (und im Winter geschlossen).
Man sieht wie Häuser langsam entstehen – es geht, durch die reine Wochenendarbeit, eher noch langsamer als in der mittelalterlichen Realität, was für den Betrachter aber gar nicht schlecht ist, da es so Häuser in verschiedensten Bauzuständen gibt. Je nachdem wie die entsprechenden Bauherren ihre Freizeit einteilen konnten, kann man auch
zusehen wie gebaut wird und sich mit den Bewohnern auf Zeit gut unterhalten.
Die größte Schwierigkeit bei Bildern “aus dem Mittelalter” ist die Frage, wie präsentiere ich Bilder aus einer Zeit, in der es die Fotografie noch gar nicht gab? Eigentlich wäre der ArtFilter Gemälde der einzig taugliche dafür – gemalt wurde schließlich schon viel länger.
Aber natürlich ist es unpraktisch und langweilig eine ganze Fotostrecke nur mit diesem Filter zu gestalten, deshalb hier nur als Beispiel das Titelbild, das nächste Haus und der Spoiler am Ende mit diesem Filter.
Und damit haben wir direkt auf dem Gelände einen weiteren Zeitsprung unternommen – zurück ins 9./10. Jahrhundert, zu den Wikingern.
Landläufig meist als rauhe Gesellen bekannt, die raubend und brandschatzend durch Europa zogen, sind es im Grunde doch vor allem wieder Händler, Bauern und Siedler. So wird auch hier im Wikingerdorf vor allem Handel getrieben und natürlich ebenfalls Häuser gebaut, wobei man wieder zusehen kann. Und wie im Mittelalter üblich, wird sich unter
Nachbarn auch kräftig geholfen. Und gerne wird sich auch mit dem Gast unterhalten, bereitwillig bekommt man hier auf seine Fragen Antwort und kann so erfahren wie und mit welchen Methoden Häuser gebaut werden, welche Materialien verwendet werden und welche Probleme zu bewältigen sind.
Hier nun erst einmal wieder: Zurück in die Zukunft – also in unsere Gegenwart. Aber unsere Zeitreise ist noch nicht zu Ende. Der nächste Zeitsprung führt uns wieder an einen anderen Ort und in eine andere Zeit, direkt hinein auf eine mittelalterliche Klosterbaustelle … aber das ist dann schon eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt
werden.
Wer de Zeitreise „live“ erleben möchte sollte sich zum Hornoly welches vom 18. bis 22. Mai 2022 stattfindet anmelden…
https://oly-e.de/Foren/topic/hornoly
LG Andreas S.
Da sieht man wieder einmal, wie lange sich bewährte Technik hält. Ich habe vor ein paar Jahren ein Zimmer restauriert und traditionell mit Lehm verputzt.
Ich habe dafür sogar eine wie in den Bildern zu sehenden schwarze Wanne für den Lehm verwendet 😉
Diese Biergarnituren aus neuester Zeit und die an die Besiedlung der USA erinnernden Planwagen stossen mir dann doch etwas sauer auf. Das scheint wohl eher einer der zahlreichen Hobbymittelalter-Events ohne wissenschaftliche Begleitung gewesen zu sein.
Solche Verstösse gegen die Authentizität sollten nicht auch noch dokumentiert, sondern durch geschickte Auswahl von Bildwinkel und -ausschnitt mit einer “gewissen Gnade” wiedergegeben werden. Kost’ nix und ärgert niemand!
Die amerikanischen Planwagen hatten meist gerade, teilweise sehr hohe Bordwände weil in ihnen sehr viel mehr “gewohnt” wurde als in den mittelalterlichen, europäischen Planwagen, die schräge Wände wie hier auf den Bildern hatten und vergleichsweise einfache Planen als Wetterschutz. Die Idee, einen offenen Wagen mit einer Plane gegen Regen zu schützen ist nicht erst den amerikanischen Siedlern gekommen……
Der Unterschied liegt auch darin, dass die amerikanischen Siedler tausende Meilen durch unterschiedliche Klimazonen zurücklegen mussten – die Siedler, die nach Meißen zogen, hatten einen Weg, den man in einer Woche zurücklegen konnte – und bei dem man grob absehen konnte, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Schneesturm eher gering war…..
Da stecken ja zwei Vorwürfe drin. Der erste (mit den Biertischgarnituren) betrifft den Fotografen – und ist natürlich völlig richtig. Wie im Text auch gesagt, ist es nicht immer einfach die “neue Zeit” fotografisch auszublenden – genau das sollte hier auch mit den (für die neuzeitlichen Besucher aufgestellten) Biertischgarnituren und den (modernen) Häusern im Hintergrund gezeigt werden – Absicht gelungen, würde ich sagen.
Der zweite Vorwurf betrifft die Siedler – und hier muss ich sagen, dass es eigentlich schon beleidigend ist, diesen keine “wissenschaftliche Begleitung” vorzuwerfen – das zeigt, dass sich nicht mit dem Verein beschäftigt wurde, sondern nur auf Grund eines Fotos ein Urteil gefällt wurde, ohne sich die Hindergründe zu überlegen.
Der Verein ist, im Gegenteil zur Behauptung, sehr daran interessiert alles möglichst historisch korrekt zu machen – nur stößt er da aus verschiedenen Gründen an Grenzen, die auch die besten Historiker nicht überbrücken können (jedenfalls nicht vor der Erfindung der Zeitmaschine). Es fängt schon damit an, dass es nahezu keine verlässlichen Aufzeichnungen über das Leben der einfachen Menschen aus dieser Zeit gibt. Also wie genau die Fuhrwerke aussahen, ist nicht sicher geklärt. Was allerdings sicher ist: Planwagen gab es schon in der Antike und auch die mittelalterlichen Händler nutzten diese Verkehrsmittel. Das amerikanische Siedler Wagen nach dem gleichen Grundprinzip nutzten, verwundert kaum, wenn man sich mal vor Augen führt, dass die technische Entwicklung bei Landfahrzeugen zwischen Antike und Eisenbahn doch recht überschaubar abgelaufen ist.
Abgesehen davon unterliegen die Siedler auch noch den Vorgaben und Möglichkeiten unserer Zeit. Wie schon im Text erwähnt, sind die Siedler eher mit Ochsen- als mit Pferdekarren unterwegs gewesen – aber wer heute wirklich unterwegs sein will (und nicht nur statisch an einem Ort eine Ausstellung gestalten will) wird schnell feststellen, dass Zugochsen heutigentags nicht wirklich verfügbar sind – da ist das Pferd als Antrieb allemal authentischer als ein Traktor.
Außerdem ist es im heute dichtbesiedelten Sachsen praktisch unmöglich so einen Zug nachzustellen, ohne öffentliche Straßen zu nutzen – und um das tun zu dürfen, sind weitere Kompromisse einzugehen, denn alles was über öffentliche Straßen rollt, muss auch den dort geltenden, neuzeitlichen Bestimmungen entsprechen. Also sind auch in dieser Richtung Kompromisse zu machen. Die Alternative wäre auf die Bewegung zu verzichten … oder die historisch korrekten Wagen auf einem Anhänger hinter einem Traktor über die Straßen zu ziehen – nicht wirklich besser – oder?
Also: wer sich wirklich für die ganze Sache interessiert und vor allem wer die historischen Hintergründe noch besser verstehen will, der wendet sich bitte an den Verein und wird da sicher mehr erfahren und vor allem ein historisch korrekteres Bild erhalten als es meine Paar Bilder vermitteln können.
Damit entschuldige ich mich für die stümperhafte Darstellung, und zwar vor allem bei dem Verein, der natürlich für mein Unvermögen gar nichts dafür kann, aber ich kann es halt nicht besser.
Andy
imentschuldigungsmodus