Spatzen auch nicht.
Die E-M1X hat ja vor ein paar Wochen ein Firmwareupdate bekommen, das endlich den “Birding-AF” liefert, von dem schon vor eineinhalb Jahren die Rede war. In vielen Videos wurden Influencer nicht müde, zu erklären, wie toll dieser AF funktioniert und wie leicht es sei, nun Vögel zu fotografieren.
Ein deutscher Influencer fuhr mit einem Team extra quer durch Corona-Land um am Bodensee ein paar schwimmende Wasservögel – Stockenten und Haubentaucher – zu fotografieren. Die Fotos wurden dann per EBV nachgeschärft und Bingo – der Beweis!
Ich besitze ja keine E-M1X, bin von Beruf misstrauisch und habe nun für den Test und ein Update meines E-M1X-Buches ein 100-400 und eine E-M1X von Olympus bekommen. (Für ein 150-400 reicht mein Fame nicht…)
Da ich mich an Ausgangssperren, Kontaktverbote und Reisebeschränkungen halte, war natürlich keine Reise zum Bodensee möglich – und für einen Kurztrip zum Altmühlsee das Wetter zu miese. Also bin ich auf Oberpfälzer Kleinpiepmätze los. Spatzen und Amseln – und einen Reiher.
Als Objektive habe ich eben das 100-400 und ein 300 f/2,8 mit EC-14 verwendet.
Der weiße Reiher wurde wunderbar vor der grünen Wiese erkannt und scharf gestellt. Leider war er zu weit weg, als dass das Bild irgendwelchen Wert hätte. Die Spatzen dagegen waren gleich in größeren Mengen vorhanden.
Aber nicht für die Kamera.
Anzahl der hier erkannten Vögel: Null.
Dann die Amseln:
Anzahl der erkannten Vögel: Null. Die Kamera stellt auf die Stütze des Vogelhauses im Vordergrund scharf.
OK. Das alte 300er ist natürlich ne monströse, langsame Tüte. Also das 100-400 dran.
Die Ergebnisse sind nicht wesentlich besser. Nur schneller. Gelegentlich werden die Vögel tatsächlich erkannt und getrackt – solange sie sich nicht schnell bewegen. In der Hälfte der Fälle ist aber das Vogelhaus selbst für den AF vogelähnlicher. Gelegentlich schafft das Tracking es sogar, einen Vogel hinter einem Ast zu verfolgen – und kaum ist der Piepmatz hinter dem Ast hervor, verliert er ihn. Die Anzahl der Menschen, die “Vogel hinter Ast” toll finden, hält sich allerdings in Grenzen. Bei diesem Vogel hier hatte ich von 80 Bildern 5 scharfe.
An der folgenden Position von 40 Bildern zehn Scharfe. Mit S-AF wären schon fünf Unscharfe inakzeptabel. Ein Versuch mit C-AF ergab bei 21 Bildern eines, das nicht 100% scharf war. (Gleicher Vogel, gleiche Position.)
Wie gesagt: Helle Vögel wie Reiher sind kein Problem. Schwarze Amseln oder getarnte Spatzen schon
Der normale AF (S-AF oder C-AF) sowohl mit dem 100-400 als auch mit 300 f/2,8 war auf den Punkt, schnell, exakt. Jeder Schuss ein Treffer. Die E-M1X bietet gerade mit den riesigen Tüten ein prima Handling und einen Super-AF.
Bin ich der Einzige, der von dem neuen Spielzeug nicht überzeugt ist? Nein. Mirrorlesscomparisons ging damit auf die Pirsch und siehe da: auch die haben mit C-AF bessere Ergebnisse erzielt, als mit der Vogelerkennung. Und auch bei denen waren Dinge im Vordergrund und Geäst für den AF spannender als der Vogel. Sitzender Vogel ist schlecht, langsam bewegender Vogel auch.
Das ideale Motiv ist also ein sich moderat bewegender Vogel in Kontrastfarben vor einförmigem Hintergrund.
Es ist wie seinerzeit bei der Rallye-Knipserei. Im Prinzip funktioniert es. Aber die herkömmliche Methode ist einfach schneller und zuverlässiger. Wenn ich da draußen bin und tatsächlich mit guten Bildern heimkommen will, dann schalte ich nicht den Tracking-Mode ein. Bestimmt nicht. (Ach ja, um es zu erwähnen: Mittlerweile geht das Tracking auch mit den FT-Tüten. Prinzipiell.)
Und damit wäre auch geklärt, warum E-M1II/III diese Modi nicht bekommen haben: Selbst der Extra-Prozessor der E-M1X ist noch viel zu langsam. Für einen Technologieträger wie die E-M1X ist das OK – aber bis diese Funktion einen echten Mehrwert bietet, brauchen wir Bildprozessoren mit erheblich mehr Leistung.
Ein echtes Problem ist, dass die Konkurrenz das mit der Tiererkennung offenbar schon besser kann, zumindest wenn man für bare Münze nimmt, was im oben verlinkten Artikel steht.
Ach ja: die Meise auf dem Titelbild: S-AF. Jedes Bild knackscharf.
Und das hier ist ein Vogel. Safe. Die Kamera hat exakt auf die Augen scharf gestellt.
Danke für Deinen wunderbar zu lesenden Artikel und Recherche. Hätte Freude Deinem spannender Abenteuer zu folgen. Besonders schön zu wissen, das viele Vögel einfach getarnt bleiben und Fotografen fotografieren müssen. Es schützt auch.
Jedoch das die Kamera Ottifanten und Artverwandte kann, einfach super gelöst. Toll super ! [ 😉 ]
HG Thomas
Danke für den erhellenden Bericht. Schade eigentlich, ich hatte mir nach allen bisherigen Lobeshymnen mehr erhofft.
Wie machen es denn “die anderen”? Da gibt es doch ein paar Hersteller, die augenscheinlich gut mir sowas umgehen können. Ist das auch nur viel warme Luft, oder was machen die anders/besser?
HG
Martin
Solange man gut erkennbare Vögel mit strukturiertem Gefieder hat, funktioniert das. Aber eben auch nicht besser als mit reinem C-AF. Sondern schlechter. Wenn die Bedingungen schwieriger werden, ist die künstliche Intelligenz hoffnungslos unterlegen.
Dieses KI-Zeug ist ein Versuch, KnowHow aus dem Kopf des Fotografen in die Kamera zu verlagern. Jemand, der mit dem C-AF nicht klarkommt, der kommt mit der KI zu besseren Ergebnissen. Für jemand, der C-AF kann, für den ist das KI-Zeug albernes Spielzeug. Mit C-AF setze ich meinen AF-Punkt aufs Motiv, Serie L und gib ihm. Alles scharf. Mit C-AF+TR muss ich hoffen, dass die Elektronik den Vogel erkennt und nicht im blödesten Moment das Ziel wechselt. Klar, ich habe damit auch scharfe Fotos gemacht. Wenn ich einen Jubelartikel schreiben wollte – kein Problem. Hätte ich auch machen können. Ein bisschen Photoshop über die Bilder und Ausschnitte machen – wie’s die anderen halt auch machen. Juuubel. Am besten nicht auf Amseln losgehen, sondern auf die Bussarde hier in Rocksdorf. Die funktionieren deutlich besser.
Aber warum soll ich ein Feature hochjazzen, das auch andere schon als nicht soooo dolle erkannt haben.
Da halt ich es mit Anselm und lass es mit den Amseln bleiben 🙂
Bird AF ist auch nur ein Feature von vielen. Der allseits bekannte Augen AF funzt auch nicht in jeder Situation. Diese Features haben alle Ihre Stärken und Schwächen. Man sollte keine Wunde erwarten, auch wenn es Marketing und Influencer es uns erzählen wollen. Dem einen hilft eine neue Funktionalität dem anderen hilft sie weniger. Den Ansatz mit dem Bird AF finde ich grundsätzlich gut, wohl wissend das er nicht in allen Fällen greift. Motiverkennung , Auswertung und daraus folgende Aktion ist KI Funktionalität. Die braucht eine großen Fundus an Motiven und Situationen, damit auch ne Menge Rechen Power und intelligente Algorithmen. Das passt nicht unbedingt zur üblichen Rechenpower einer Kamera. Wenn man die Rechnen-Power und Speicherkapazität des aktuellen IPhone in die Kamera packen würde, würde das schon mehr Erfolg bringen. Nur ist das aktuell nicht so. Ich schlag mich gerade der der Einstellung Cluster Area Focus herum, auch wenn es diesen namentlich in keinem Handbuch zu geben scheint. Funktioniert auch nicht in allen Bereichen, aber ich habe damit mit in einigen BIF Situationen weniger Ausschuss, als mit CAF oder CAF mit Tracking. Das ist doch schon was. Wissen und Erfahrung des Fotografen kann man mit einer neuen Funktion auch nicht ersetzen. Ich hätte die Bird AF Funktion schon gern in meiner Kamera. Andererseits jetzt einfach eine E-M1X noch dazu zu kaufen, wo ich die E-M1 Mark III noch gar nicht richtige kenne macht für mich auch keinen wirklichen Sinn. Gruß Thorsten
Ja, schwarze Raben und Amseln mit dem 2.8/300 sind etwas Problematisch.
Das war mit dem 4/300 besser, hab ich inzwischen alles mal durchgespielt.
Wieso legst Du dir keinen Quetzal zu ? Der ist bunter !
🙂
Wolfgang
Das Dilemma daran ist doch eigentlich, dass das Marketing vielleicht nur falsche Erwartungen weckt.
Der Test hier zeigt was für den Fotografen die beste Methode ist, den Piepmatz scharf zu bekommen. Das ist für einen Praxistest auch richtig so.
Die Frage die für mich offen bleibt, wie verhält es sich beim Vergleich mit dem bisherigen C-AF+TR? Ging es nicht eigentlich darum, diesen durch die Unterstützung der Motiverkennung zu optimieren?
Womit wir wieder bei der Praxis wären. Natürlich fällt mir mein Einwand sofort auf die Füße, weil Tracken bei Vögeln ja auch keinen Vorteil bietet. Bei der von vielen zu Unrecht belächelten Motiverkennung (Züge) macht das hingegen Sinn, weil es bei diesem Thema auf einen festen Bildausschnitt ankommt, die Kamera also nicht vom Fotografen nachgeführt werden kann. Wenn das Fokusfeld dann an der Frontscheibe kleben bleibt ist das ein Mehrwert gegenüber dem C-AF und funktioniert auch zuverlässiger als C-AF+TR ohne Motiverkennung.
Für mich liegt das Problem beim Tracken selbst, weil das halt eh schon nicht die Allroundmethode ist, einen Vogel zu knipsen. Ich will Olympus nicht in Schutz nehmen oder deren Methode hochjubeln. Aber der Kunde schreit halt gerade mal wieder laut nach dem Tieraugen-AF (kenne ich persönlich gar nicht) der Konkurrenz. Olympus lässt sich von seinen Kunden treiben und hat nicht den Mumm mal klarzustellen, dass es hier (lediglich) um eine Optimierung des C-AF+TR geht. Dass man dafür vielleicht das falsche Motiv gewählt hat, weil man künftig die Vogelknipser mit langen Tüten bedienen will, steht wieder auf einem anderen Blatt.
Tja, wir hätten wohl alle gern den SET-ERROR-OF-TU-WAS-ICH-DENKE-Autofocus
Nur hat den weder Olympus noch sonst ein Hersteller im Programm 😉
Ehemaliger dBase Programmierer?
Danke für diesen kritischen Bericht. Vieles darin unterstreiche ich. Ich sehe aber mit der neuen Firmware deutliche Verbesserungen in der AF-Leistung. Ich habe den E-M1X seit März 2019 im Einsatz mit M.Zuiko 300mm/f4 pro und Zuiko 300mm/f2,8 und EC-20. Fliegende Vögel fotografieren mit C-AF oder C-AF+TR mit M.Zuiko 300mm/f4 pro war meistens frustrierend: ein bereits vom AF erfasster Vogel wurde sehr oft wieder verloren. Im Feld sitzende Vögel nit S-AF mit Zuiko 300mm/f2,8 und EC-20 verfehlte der AF meistens: trotz sorgfältig gesetztem AF-Meßfeld wurde der Hintergrund scharf statt des Vogels. Diese Probleme beobachte ich seit der neuen Firmware nicht mehr. Bird-AF hat meine Trefferquote in den oben stehenden Situationen deutlich gesteigert. Ob diese Leistung reicht für eine Profikamera ist eine andere Frage…
Die beschriebenen AF-Probleme mit Aestlein vor einem Vogel kann ich leider nur bestätigen.
Positiv beurteile ich seit der Anschaffung der E-M1X die AF-Leistung im Nahbereich (1,4 – 2 meter ). Sogar schwebende/fliegende Insekten werden mit M.Zuiko 300mm/f4 pro zuverlässlich erfasst.
Jo, ich kann auch bestätigen, dass der C-AF mit der E-M1X vor allem mit den FTs deutlich an Rasanz und Treffsicherheit zugelegt hat. Hier habe ich überhaupt nichts zu kritisieren.
“Schön”, dass nicht nur ich die gleichen Probleme damit haben. Ich wohne ca. 10 km vom Bodensee entfernt. Vor ca. 3 oder 4 Wochen probierte ich das Birding-AF an Möwen aus. Ich hatte das Gefühl, dass der Birding-AF irgendwie Probleme hatte, die Möwen zu verfolgen. Viele Male erfasste der AF die fliegenden Möwen erst gar nicht. Im Einsatz standen bei mir die beiden 300er Objektive und das 100-400mm.
Vermutlich liegt das Problem auch hinter der Kamera, da ich kein geübter Vogelknipser bin. Aber ich habe mir doch ein wenig mehr Treffer erhofft…
Wo viel gelobt wird…
Ich bin nicht der Mensch, der sich mit einem so schwachen Sucher und Handling der E-M1X zufrieden gibt und Tier wie Vogel-Augen-AF habe ich bereits seit Jahren mit Sony gelöst und die Canon kann es inzwischen auch sehr gut.
MFT Kameras bleiben meine Begleiter auf Reisen (E-M1III) und für Spezialaufgaben. Für die Tierfotografie im Allgemeinen waren sie mir auch mit besten Objektiven immer zu langsam, zu unzuverlässig und daran ändert auch ein 4.5/150-400 mm nichts, so lange keine durchdachte und stark verbesserte X mit neuem Sensor kommt.
Aber auch dann wird der Sucher vermutlich zu klein bleiben, das alte Problem schon mit beginn der E-1 FT.
Also wer mit mFT tolle Tierfotos macht, Gratulation, mir ist das zu mühsam. Selbst eine RX10IV kann es zuverlässiger und viel schneller und kann bis 1000 ISO überzeugen.