Es gibt nichts Schöneres für einen Journalisten, als wenn er Wirkung entfaltet. Meine Akkuserie hat sogar in China für Aufregung gesorgt – und jetzt habe ich in einigen Firmen und Amtsstuben gehörigen Wirbel und hochtourige Aktivitäten verursacht.

Am Montag morgen – vorgestern (!) – gab es für den Oberstdorfer Fotogipfel noch kein Hygienekonzept. Und innerhalb von 48 Stunden haben Leica, CEWE, Canon und sogar der Veranstalter ein Konzept aus dem Hut gezaubert und vom Gesundheitsamt absegnen lassen. Heute morgen kam die Mail vom Veranstalter:

Uns liegt die Durchführung eines sicheren Oberstdorfer Fotogipfels sehr am Herzen und aus diesem Grund haben wir bei der Planung natürlich besondere Sorgfalt walten lassen. Selbstverständlich liegt ein entsprechendes Schutz- und Hygienekonzept vor. Dieses ist auch mit dem ortsansässigen Gesundheitsamt abgestimmt. Wir stehen hierzu auch in Kontakt mit dem Gesundheitsministerium.

Der Durchführung des Events steht unter Einhaltung der aktuell geltenden Bestimmungen und Verhaltensregeln nichts im Wege.

Wir stehen für Rückfragen Ihrerseits zur Verfügung und möchten Sie bitten, künftig das Gespräch direkt mit den Organisatoren zu suchen – hierzu sind wir jederzeit bereit.”

Natürlich habe ich das Gespräch mit den Organisatoren gesucht. (Ausgang der Mail Montag 10:52, Betreff: Schutz- und Hygienekonzept.) Ist halt ein Problem, wenn man keine Antwort kriegt. Und natürlich habe ich, bevor ich den Artikel geschrieben habe, ausreichend Zeit gelassen, um mich zu kontaktieren. Per Mail oder Telefon. Das ist gute journalistische Praxis. Und wie man sieht, Leica, das Staatsministerium und CEWE haben durchaus reagiert. Wenn die in Oberstdorf ihre Mails nicht lesen – sorry, da kann ich nix für.

Unabhängig davon ist es ein Unding, dass erst jemand wie ich daherkommen und Alarm geben muss, bevor die Leute ihren Job machen. Ein “Mea Culpa” wäre da angebracht, denn natürlich wissen wir alle, dass da ein paar Leute in Oberstdorf tief und fest geschlafen haben und erst durch einen Anruf von ganz oben geweckt wurden.

Sophie W. und Franz W. Oberstdorf

Der einzige Hauptsponsor, der korrekt reagiert hat, war Leica. So stelle ich mir Unternehmenskommunikation vor – Frau Looke aus Wetzlar, Hut ab. CEWE und Canon laufen unter “wir versuchen, ihn zu verarschen, vielleicht merkt er’s nicht” und Olympus hat sich vorsichtshalber tot gestellt. Natürlich haben die hinter den Kulissen hektische Betriebsamkeit entfaltet, aber es wäre einfach fair gewesen, mir zu antworten. Man kennt sich ja eigentlich.

Fazit der Aktion: Ich hatte 48 Stunden richtig Spaß. Und wenn durch meinen Stich ins Wespennest auch nur ein paar Leute in Oberstdorf gesund bleiben, die sich sonst angesteckt hätten, dann hat sich’s rentiert. Denn die Zahlen gehen jetzt schon hoch und der Gipfel hat noch gar nicht angefangen.

Oberstdorf 1919 Hotel Lamm

Update 13:54:

Am ortsansässigen Gesundheitsamt am Landratsamt Oberallgäu, das die zuständige Kreisverwaltungsbehörde ist, ist ein Schutz- und Hygienekonzept für den Fotogipfel nach wie vor unbekannt. (Auskunft 13:45) Angeblich würde das auch nur dann angefordert, wenn man einen Verdacht habe, dass die Veranstaltung “kritisch” sei. Laut telefonischer Aussage des Gesundheitsamtes würden solche Konzepte auch nicht “genehmigt”. Von einer Rücksprache von Oberstdorf wusste der Kollege nichts.

Cooooool.

Update 14:17

Und Bääääm. Hier ist das Hygienekonzept. Direkt auf der Homepage verlinkt. Mission Accomplished. Also: In den nächsten vier Tagen in Oberstdorf nur mit Maske….

Update 8:25

Mail vom Gesundheitsamt, und zwar diesmal von der zuständigen Sachbearbeiterin:

Gestern waren unsere Hygienekontrolleure vor Ort und haben erste Kontrollen sowie kleinere Feinabstimmungen vorgenommen. Weitere Kontrollen werden am Wochenende durchgeführt.

Ich feiere die gute Frau gerade. Man braucht solche Leute, wenn man etwas erreichen will.

11 Replies to “Wirkung…”

  1. Eine Metapher sagt ganz gut verständlich:
    „Der Fisch stinkt vom Kopf“
    Mit dieser Redewendung wird auch die Führungskompetenz von Personen hinterfragt.
    Macht der Kopf, also die Führung, in der Wirtschaft schwerwiegende Fehler, so kann man dieses Sprichwort auch darauf anwenden.
    Da jedem mal ein Fehler passieren kann, kommt es auf den „Kopf“ an, diesen zu beheben.
    Offensichtlich haben manche „Führungskompetenzen“ nichts im „Kopf“.
    Das „Stinkt“ ganz gewaltig, weshalb man solche „Köpfe“ auch mal boykottieren sollte…

    Im Klartext: Wer mit unserer Gesundheit spielt soll unser Geld nicht mehr bekommen.

  2. Die Leute haben es halt nach wie vor nicht gerafft!

    Ist wie ein Dammbruch: Solange es noch tröpfelt, kann man was dagegen tun. Jetzt rücken aber die Wahnsinngen noch mit Spitzhacken und Schaufeln aus um die Sache so richtig schnell außer Kontrolle zu bringen.

    Lieber jetzt noch feiern ….bezahlt wird dann hinterher und man wird sich wundern wie lang und breit die Rechnung ausfallen wird.

    Was für ein Glück das in Deutschland dieses Jahr kaum jemand in Urlaub auf Malle oder Kroatien war, sonst hätten sich da ja doch einige mehr melden müssen bei den zuständigen Stellen, und die unzähligen Ferienflieger waren alles Leerflüge und haben daher kaum Sprit verbraucht.

    Aber es stimmt natürlich: Es ist schon egal und in Wahrheit außer Kontrolle.

    Bleibt solange gesund wie ihr könnt!
    Siegfried

  3. Es ist schon verrückt, daß es des Anstoßes eines kritischen Journalisten bedarf, damit die “OBEREN” wach werden und ihre Aufgaben wenigstens versuchen, zu erfüllen. Und die Antwort des Veranstalters ist eine absolute Frechheit. Das die Marketingleute der teilnehmenden Firmen nur BLABLA bringen oder in Deckung gehen, klar, ist ja deren Job. Reinhard, Hut ab!!! Und bitte weiter so!!!!

  4. Ich würde mir das momentan eh schenken.
    Das beste ist auf absehbare Zeit Menschennmassen aus dem Weg zu gehen und sich ansonsten entsprechend zu schützen.
    Manche lernen es einfach nicht.

    1. Ich bin gerade erst mal ratlos. Hier in Schladming (Österreich, Steiermark) gibt es eine Seilbahn die auf den Planai führt, vorbildlich nur 2-4 Leute aus einem Haushalt usw. Das war vorbildlich. Dann am nächsten Tag auf den Dachstein hoch. Extra mit Slot Anmeldung per online Buchung wegen nicht so hohem Andrang. 9.45 Uhr gebucht, bereits kurz nach 9.30 Uhr an der Bahnstation. 09.45 Uhr kann schon mit einsteigen (?!). O.k. Dann man los. Bis dahin schön Abstand halten. Beim Einsteigen konnte man sogar Plätze auf dem Dach einnehmen. Das war mir aber zu sportlich. Als wir dann einstiegen hat es mir die Sprache verschlagen. Ein Viehtransport ist nichts dagegen und raus ging leider nicht mehr.

      Eine bodenlose Frechheit wie hier mit den Gästen umgegangen wird. Null Abstand. Ich frage mich wo ich mich beschweren kann, wenn es mich jetzt erwischt hat.

  5. Vielen Dank Reinhard für deine Arbeit und dass du dich selbst exponierst, denn du wirst nicht nur Dank und Anerkennung erhalten. Jeder Risikopatient muss froh sein über jede nicht erfolgte Ansteckung. Leider sind wohl viele nicht bereit / in der Lage / unfähig dauerhaft so aufmerksam und zurückhaltend zu sein, wie es in der aktuellen Corona Zeit angemessen ist. Welchen Anteil haben Soziale Medien, wenn sie nur die eigene Meinung bestätigen? Keine Ahnung. Eigenes Verhalten bleibt wichtig für den eigenen Schutz und den Schutz Anderer. Umso mehr mein Dank für deine Arbeit hier. Bleib Gesund und aktiv

  6. Kann nur sagen: Chapeau! Ein einziger Journalist macht darauf aufmerksam und dann fängt bei der Organisation die Bewegung mit den Maßnahmen an. Langsam erweckt für mich den Eindruck, dass die Texte auf der Webseite über Maßnahmen nur Luftnummern sind. So eine Art Alibi-Funktion. Ich sage nur, ganz schwach von der Organisation bezüglich Corona-Maßnahmen.

    Ich selbst bleibe zu der Zeit der Pandemie von den Veranstaltungen mit den Menschenmassen fern. Was sagte Drosten vor kurzem: Die Pandemie fängt jetzt richtig an, auch bei uns. Wald, Wiese, Birding und Herbstmotive sind erst mal angesagt.

  7. Gratuliere und Danke an Dich, Reinhard! Schön , dass Du was bewirkt hast.

    Wer in diesen Tagen zu so einer Veranstaltung geht, als Aussteller oder Besucher, ist nicht ganz richtig im Kopf.

    Aber wegen der Unschuldigen in Oberstdorf, in den Familien etc., die dann angesteckt werden, finde ich das unmöglich. Und wegen der Mitarbeiter z.B. von Olympus, die sich höchstens krank melden können, wenn sie den Wahnsinn nicht mitmachen wollen.

  8. Danke für deinen bohrenden Einsatz Reinhard,
    was manchmal in Verwaltungen los ist, das lässt sich hier ablesen.
    Besonders schlimm ist, dass ich Freunde in Verwaltungen habe, die mir in anders gelagerten Fällen leider Ähnliches berichten. Einige, nicht alle haben dort leider ihre eigene Welt.
    Ich habe 1962 in einer Kreisverwaltung eine 2jährige Lehre als Verwaltungsfachangestellter gemacht. 1/4 Jahr nach der Lehre habe ich gekündigt. Was mir von damals in Erinnerung ist, das finde ich im Verhalten mancher behördlicher Mitarbeiter/innen teilweise heute noch vor.
    Es ist erschreckend.
    Natürlich sehe ich auch, dass es in vielen Bereichen der Ämter auch anders/positiver zugeht.
    Gruß Rainer

  9. Geht auch anders:
    “Online und im lokalen Hackspace mit deiner bevorzugten Infektionsgemeinschaft”
    https://events.ccc.de/
    Den Spruch zur lokalen Infektionsgemeinschaft finde ich gut! Das beschreibt nämlich das Problem ganz gut 😉

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